#!/usr/bin/perl print qq§Content-Type: text/html §; Student Online Studentische Hausarbeit - Öffentlichkeit als politischer Begriff in der Aufklärung -

 

I. Vorwort

 

Bei der Beschäftigung mit dem Thema "Öffentlichkeit als politischer Begriff in der Aufklärung" sowie der Studie ausführlicher Sekundärliteratur ergaben sich mir in Bezug auf die Vorgehensweise und Gliederung zwar sehr viele Ideen, jedoch schien es sich auch sehr problematisch zu gestalten das Thema einzugrenzen und ihm gerecht zu werden.

Einleuchtend erschien mir Habermas´ Ansatz in der Antike zu beginnen, wo meines Erachtens auch der "Grundstein" für das moderne Demokratieverständnis sowie der Struktur der modernen "bürgerlichen Öffentlichkeit" gelegt wurde.

Ich stellte jedoch bald fest, daß ein vollständiger Rückbezug auf die Antike und ein ausführlicher Übergang durch das Mittelalter hin zur Renaissance und der Aufklärung den quantitativen Rahmen meiner Arbeit übersteigen würde. Jedoch erscheinen mir einige Aspekte dieser geschichtlichen Epochen zu wichtig für den Gesamtzusammenhang, um sie zu übergehen, so daß ich zumindest in der Einleitung einen Exkurs ins Rom und ins Griechenland der Antike machen möchte und mich im Hauptteil der Arbeit auf die Zeit der Aufklärung konzentrieren werde.

Die Vielfältigkeit der Materie beginnt bei Begriffen wie "Aufklärung"und Bezeichnungen rund um die Öffentlichkeit an sich, weshalb ich, um die Sinnhaftigkeit zu gewährleisten, ebenfalls eine spezifische Definition der wichtigsten Zusammenhänge an den Anfang meiner Arbeit stellen möchte.

 

II.Einleitung

 

Bevor ein sinnvoller Einstieg in die politisch-geschichtliche Materie möglich wird, scheint eine Klärung der Ausgangsfrage und der sie betreffenden Zusammenhänge nötig zu sein. Grundsätzliche Begriffe die mit dem Thema engstens zusammenhängen haben teilweise erst spät ihren Sprachgebrauch gefunden, während andere im Laufe der Geschichte ihre Bedeutung geändert haben.

Der Begriff "Öffentlichkeit" wird im Deutschen "aus dem älteren Adjektiv "öffentlich" erst während des 18.Jahrhunderts in Analogie zu publicite und publicity gebildet.""noch am Ende des Jahrhunderts ist das Wort so ungebräuchlich, daß es von Heynatz beanstandet werden kann." Gemeint ist hier die Öffentlichkeit der bürgerlichen Gesellschaft, die in Deutschland, verhältnismäßig spät ihre Funktion übernimmt, zu einer Zeit als sich der Warenverkehr und die gesellschaftliche Arbeit etabliert.

Als "öffentlich" gelten Dinge wie zum Beispiel Gebäude oder Veranstaltungen die von jedem in Anspruch genommen werden können wie heutzutage die Kirche oder auch der öffentliche Straßenverkehr. Ein "öffentliches Gebäude" kann seine Eigenschaft auch der Aufgabe der Öffentlichkeit zu dienen verdanken. In diesem Fall handelt es sich um Institutionen des Staates, die für den Nutzen oder das Wohl des einzelnen oder der Allgemeinheit verantwortlich sind.

Die "öffentliche Meinung" ist das organisierte Meinungsbild einer mehr oder weniger informierten Öffentlichkeit. Publizität möchte ich als Funktion und heutzutage sogar als Kriterium - als Vorraussetzung für öffentliche Meinungsbildung bezeichnen. Die öffentliche Meinung wird vom Publikum, sozusagen dem "Bewußtsein" der Öffentlichkeit getragen. Medien des Publikums sind Nachrichten, die Presse, öffentliche Kommunikation und schließlich das Fernsehen als eine Art "Multimedium". Öffentlichkeit selbst bezeichnet Habermas als "Sphäre": "dem privaten steht der öffentliche Bereich gegenüber. Manchmal erscheint er einfach als die Sphäre der öffentlichen Meinung, die der öffentlichen Gewalt gerade entgegengesetzt ist."

 

II.I. Öffentlichkeit in der antiken Gesellschaft

 

Bezeichnungen dessen was öffentlich, und im Gegensatz dazu, was privat ist, stammen aus dem antiken Rom beziehungsweise Griechenland. Die antike griechische Stadt ist getrennt in den Bereich der polis und den des oikos. Die polis ist hier der Bereich der allen zur Verfügung steht, der Bereich des oikos ist jedoch der, der jedem zu eigen ist, der privat ist. Der Marktplatz beispielsweise galt in der antiken griechischen Stadt als ein Ort wo sich öffentliches Leben abspielte, wo diskutiert, beraten oder auch Gericht abgehalten wurde.

Ein Zulassung zur polis war nicht selbstverständlich, sie hing von der Stellung des Hausherren, des Oikodespoten, in der Öffentlichkeit ab. Hier galt es, im Gespräch und in Streitigkeiten Ansehen und Ruhm zu erlangen. Anstrengungen der Haushaltsführung, der Erhaltung des Lebensnotwendigen waren der Bereich der "privaten" Verfügungsgewalt des Oikosdespoten.

Diese ideolgische Haltung zum Öffentlichen und Privaten hat durch das Mittelalter hindurch, nach der Definition des römischen Rechts, ihren traditionellen Bestand. "Eine rechtstechnisch wirksame Anwendung" findet die Aufgliederung in das Öffentliche und Private "freilich erst wieder mit der Entstehung des modernen Staates und jener, von ihm getrennten, Sphäre der bürgerlichen Gesellschaft. Sie dienen dem politischen Selbstverständnis ebenso wie der rechtlichen Institutionalisierung einer im spezifischen Sinne bürgerlichen Öffentlichkeit."(Habermas,S.57)

 

II. II. Öffentlichkeit in der feudalen Gesellschaft

 

In der feudalen Gesellschaft gab es keine Trennung von privater und öffentlicher Sphäre. In dieser geschichtlichen Epoche war Herrschaft an die feudalen Gewalten gebunden. Die Verfügungsgewalt des Hausherren im Mittelalter ist nicht mit der des Oikosdespoten in der Antike zu vergleichen. "Hausgewalt ist nicht private Herrschaft, sei es im Sinne des klassischen, sei es im Sinne des modernen Zivilrechts." Brunner bezeichnet die im Haus des Hausherren ausgehende Gewalt als öffentliche "Gewalt zweiter Ordnung". Ihmnach gehen "private" und "öffentliche" Herrschaftsbefugnisse eine Verbindung ein, "so daß sie beide Ausfluß einer einheitlichen Gewalt sind, daß sie an Grund und Boden haften und wie wohlerworbene private Rechte behandelt werden können"(Brunner,O/Haberm.S.59)

Der feudalen Verfassung nach gab es jedoch auch privilegierte Klassen die außergewöhnliche Rechte hatten.

 

II. III. Repräsentative Öffentlichkeit

 

Eine vom "privaten" abgetrennte "öffentliche" Sphäre gab es also in der feudalen Gesellschaft nicht, es gab jedoch eine "öffentliche" Repräsentation von Herrschaft. Insignien der Herrschaft, wie z. B. das fürstliche Siegel, galt als "öffentlich". Die Träger der "repräsentativen Öffentlichkeit" waren der Adel und der Klerus beispielsweise, die so ihren übergeordneten Status in der Öffentlichkeit zur Schau trugen. Eine öffentliche Repräsentation ist an den Besitz und das Auftreten gebunden. Die "öffentliche Repräsentation" ist nicht als "Sphäre" der Öffentlichkeit zu verstehen, sie richtet sich vielmehr nach der Herkunft und dem Stand des Repräsentierten. Der Status des Repräsentanten gilt nicht als öffentlich oder privat, jedoch wird er von ihm öffentlich zur Schau getragen. Er " zeigt sich, stellt sich dar als eine Verkörperung einer wie immer "höheren Gewalt"(haberm.S.60). Ein Politiker der im Ausland seine Nation vertritt ist in diesem Zusammenhang kein Träger öffentlicher Repräsentation. "Vertretung, etwa im Sinne der Repräsentation der Nation oder bestimmter Mandanten, hat mit dieser repräsentativen Öffentlichkeit, die an der konkreten Existens des Herrn haftet und seiner Autorität eine "Aura" gibt, nichts zu tun."(haberm.S.61). Die "öffentliche Repräsentation" erlebt im 15. Jahrhundertan den französischen und burgundischen Höfen ihre letzte Entfaltung und zieht sich in den folgenden Jahrhunderten im Hofzeremoniell des absoluten Fürstentums zusammen. "Der eigenständige, auf seine Grundherrschaft gestützte Landadel verliert an Kraft der Repräsentation, repräsentative Öffentlichkeit konzentriert sich am Hof des Fürsten."(haberm.s.?)

Das barocke Fest wird schließlich zum Hofzeremoniell und findet nicht mehr an öffentlichen Plätzen statt, sondern im Schloßgarten und schließlich in seiner letzten Konsequenz "entwickelt sich das königliche Schlafzimmer zu einem zweiten Brennpunkt der Schloßanlage."(haberm.s65 Alewy). Die der Renaissancegesellschaft folgende aristokratische Gesellschaft repräsentierte schließlich nicht mehr ihre Herrschaft sondern repräsentierte den Monarchen. Diese "letzte, auf den Hof des Monarchen zusammengeschrumpfte und zugleich verschärfte Gestalt der repräsentativen Öffentlichkeit ist bereits Reservat inmitten einer vom Staat sich trennenden Gesellschaft. Nun erst scheiden sich private und öffentliche Sphäre in einem spezifisch modernen Sinne"(haberm.s.66).Feudalismus, Staat und Gesellschaft sind nun nicht mehr identisch, sondern entwickeln sich zu zwei verschiedenen Sphären. Von diesem Zeitpunkt an teilten sich die Institutionen an denen "repräsentative Öffentlichkeit" haftete in private und öffentliche Bereiche. Als"öffentlich" galt inzwischen der absolutistische Staat. Zur privaten Angelegenheit hatte sich unterdessen, im Zuge der Reformation und der Religionsfreiheit, die Religion entwickelt. Die Kirche selbst hingegen bleibt eine mehr oder weniger öffentliche Institution.

 

III. Entstehung und Genese der bürgerlichen Öffentlichkeit

 

Voraussetzung für die Entstehung und die Genese der bürgerlichen Öffentlichkeit war das Aufkommen des frühen Finanz- und Handelskapitalismus. Er entsteht im 13. Jahrhundert und wird "zunächst von der alten Herrschaftsordnung noch mühelos integriert". Habermas schreibt weiter, daß "Solange er von den Früchten der alten Produktionsweise (der feudal gebundenen landwirtschaftlichen Produktion einer unfreien Bauernschaft und der korporativ gebundenen Kleinwarenproduktion des städtischen Handwerks) lebt ohne sie umzugestalten, bleiben seine Züge ambivalent." (haberm.s.70)

Der Handelskapitalismus manifestiert die bestehende Herrschaftsordnung dadurch, daß er die ständischen Herrschaftsverhältnisse mitträgt und an ihnen teilhat. Überschüssige Waren aus eigener Produktion werden als Luxusgüter über den ihnen nun zugänglichen Fernhandel abgesetzt. Mit diesem Fernhandel entstehen jedoch nun auch Waren- und Nachrichtenverkehr, welche die Auflösung ständischer Herrschaft später mit bedingen werden. Zu diesem Zeitpunkt ist dieser Nachrichtenverkehr jedoch noch unregelmäßig. Auch von einem weiteren Moment der "Genese der bürgerlichen Öffentlichkeit", nämlich der "Publizität", kann zur Zeit des kaufmännischen Briefverkehrs und der "geschriebenen Zeitungen", die von Nachrichtenhändlern gewerbsmäßig organisiert wurden, im modernen Sinn nicht die Rede sein. Nach Sombart kann von Post, nach modernem Verständnis, erst gesprochen werden, "wenn die regelmäßige Gelegenheit zum Brieftransport dem Publikum allgemein zugänglich wird."(Sombart,Bnd.II).Das gleiche gilt für die Presse, auch sie gibt es im Sinne der Publizität erst Ende des 17. Jahrhunderts, als auch sie dem Publikum allgemein zugänglich wird. Bis dahin werden die gewerbsmäßigen Nachrichten noch nicht öffentlich publiziert.

Die Handelsmärkte erweitern sich. In der Zeit des Merkantilismus entstehen die National- und Territorialwirtschaften ebenso, wie der moderne Staat. Dem wachsenden Kapitalbedarf wird durch ein wirksames Steuersystem abgeholfen, so daß die Finanzverwaltung ein wesentlicher Bestandteil des neuen "Steuerstaates" wird und somit nun eine Trennung zwischen "Hausgut" und "Staatsgut" existiert. Jene "ist exemplarisch für die Versachlichung der persönlichen Herrschaftsbeziehungen."(Habermas, s.74).

Der Staat bildet ein stehendes Heer und eine "permanente Verwaltung" als Reaktion auf den "Schwund" der repräsentativen Gewalt, die sogenannte öffentliche Gewalt. "Der permanenz der Kontakte im Waren- und Nachrichtenverkehr (Börse,Presse) entspricht nun eine kontinuierliche Staatstätigkeit."(Habermas s.74).

Öffentlich bedeutet nun staatlich, die öffentliche Gewalt bildet einen greifbaren Gegenpol zum ihm unterworfenen Publikum.

Durch die Ausdehnung des Außenhandels, mit anderen Worten "dem neuen Kolonialismus", und den mit ihm verbundenen Entwicklungen im Handels- und Manufakturkapital, kommt es zu einer Revolution im frühkapitalistischen Verkehrszusammenhang. Diese Expansion zieht die Neustrukturierung der Produktion nach sich: Aus der "alten" Produktionsweise bildet sich die kapitalistische heraus. "Der Außenhandel gilt nicht mehr per se als Quelle des Reichtums, sondern nur noch insoweit, als er die Beschäftigung der einheimischen Bevölkerung ermöglicht..."(Dobb,S.218h.75). Aus der frühkapitalistischen Marktwirtschaft wird die Hauswirtschaft, womit eine private Sphäre begründet war. Habermas nennt diesen Zusammenhang "die Privatisierung des Reproduktionsprozesses"(Haberm. s.76). Die ökonomische Voraussetzung für die private Hauswirtschaft wurde nicht mehr im Rahmen der häuslichen Eigenproduktion geschaffen, sondern fand außerhalb statt. Sie "mußte sich an einem unter öffentlicher Anleitung und Aufsicht erweiterten Warenverkehr orientieren; die ökonomischen Bedingungen, unter denen sie sich nun vollzieht, liegen außerhalb der Schranken des eigenen Haushalts; sie sind zum ersten Mal von allgemeinem Interesse."(Haberm. S.76)

Das Haus ist nun nicht mehr Zentrum der neu entstandenen Wirtschaft, an seine Stelle ist der Markt getreten. In dieser Zeit des Merkantilismus und des Kapitalismus treten also erstmals soziales und politisches auseinander; sie bilden zwei entgegengesetzte Sphären.

 

IV. Die Entwicklung der Presse als Moment der Publizität

 

Mitte des 17. Jahrhunderts erscheinen die ersten Zeitungen, sie entwickelten sich als das zweite Element im frühkapitalistischen Verkehrszusammenhangs von äußerster Relevanz. Der Inhalt der "politischen Zeitungen", wie sie zunächst genannt wurden, basierte auf der Privatkorrespondenz der Kaufleute, die jedoch kein Interesse an der Publikation der Informationen aus ihrer Privatkorrespondenz hatten. Sie enthielt Nachrichten von Reichstagen, Kriegsereignissen, von Ernteerträgen, Steuern, Edelmetalltransporten und vor allem Nachrichten aus dem internationalen Handelsverkehr.(Vgl. K.Kempers S.78). Diese Zeitungen entstanden also in Abhängigkeit der Kaufleute, deren inoffizielle Nachrichtenkontrolle nur relativ belanglose Handelsnachrichten, Auslands- und Hofnachrichten nach außen gab. Außer der inoffiziellen gab es auch eine staatlich offizielle Instanz der Nachrichtenkontrolle in der Verwaltung.

Der Nachrichtenverkehr entwickelte sich im folgenden zum Gewerbe, das den Gesetzen des Marktes, dem es seine Entstehung verdankt, unterliegt.

Die Presse stand im folgenden auch in den Diensten der staatlichen Verwaltungen, die sie sich als Medium nutzbar machten, um Verordnungen und Befehle der öffentlichen Gewalt an das Publikum zu richten. Habermas bezeichnet diese Hofnachrichten "als eine Art Umsetzung der Repräsentation in die neue Gestalt der Öffentlichkeit"(S.79). "Die Obrigkeit adressiert ihre Bekanntmachungen an "das" Publikum, im Prinzip also an alle Untertanen; aber für gewöhnlich erreicht sie auf diesem Wege nicht den "gemeinen Mann", sondern allenfalls die "gebildeten Stände". Zusammen mit dem Apparat des modernen Staates ist eine neue Schicht der "Bürgerlichen" entstanden"(S.80). Diese Schicht der Bürgerlichen besteht aus Beamten, vornehmlich Juristen, Ärzten, Pfarrern, Offizieren, Professoren und "Gelehrten", "deren Stufenleiter sich über Schulmeister und Schreiber zum "Volk" hin verlängert."(S.80).

Den Zeitungen folgen Ende des17. Jahrhunderts die Zeitschriften. In ihnen finden sich nun auch pädagogische Instruktionen, sogar Kritiken und Rezensionen.(Vgl. S.83). Anfang des 18. Jahrhunderts enthält die Presse erstmals eine Art von Räsonnement in Form des sogenannten "gelehrten Artikels". Durch diese Entwicklung fühlten sich die Obrigkeiten teilweise bedroht und unterwarfen dem Räsonnement bestimmten Vorschriften sowie zum Beispiel der preußische König als Reaktion auf die Veröffentlichung des "Hallenser Intelligenzblatts": "Alle ordentlichen Professoren der juristischen, medizinischen und philosophischen Fakultäten sollten nämlich abwechselnd "eine besondere in reiner und deutlicher Schreibart verfaßte Anmerkung bei dem Anzeig directorio zeitig und längstens Donnerstages einsenden". Diesen ersten Zensuransätzen folgen weitere, so wie es beispielsweise auch in einem Rescript Friedrichs II. heißt: "Eine Privatperson ist nicht berechtigt, über Handlungen, das Verfahren, die Gesetze, Maßregeln und Anordnungen der Souveräne und Höfe ihrer Staatsbedienten, Kollegien und Gerichtshöfe öffentliche sogar tadelnde Urteile zu fällen oder davon Nachrichten, die ihr zukommen, bekanntzumachen oder durch den Druck zu verbreiten. Eine Privatperson ist auch zu deren Beurteilung gar nicht fähig, da es ihr an der vollständigen Kenntnis der Motive fehlt."(haberm.s.84).

 

V. Öffentlichkeit in der Aufklärung


Zu dieser Zeit manifestierte sich die Polarisierung der bürgerlichen Öffentlichkeit und dem Staat bzw der öffentlichen Gewalt. In Form des öffentlichen Räsonnements fand zwischen diesen beiden Polen eine politische Auseinandersetzung "in der grundsätzlich privatisierten Sphäre des Warenverkehrs und der gesellschaftlichen Arbeit" statt.(haberm.s.86).

Im öffentlichen Räsonnement bildete sich die öffentliche Meinung, die den Staat mit den Bedürfnissen der Gesellschaft konfrontierte (Wolf Jäger s.11)

Dieser Machtanspruch des Publikums, als der er bezeichnet werden konnte, war kein Herrschaftsanspruch. Er unterlief das bestehende Prinzip der Herrschaft. Mittels Publizität zur Kontrolle und politischen Einflußnahme, wollte das bürgerliche Publikum Herrschaft als solche verändern (Vgl. S.87).

Die Entwicklung zur literarischen, gebildeten bürgerlichen Öffentlichkeit war keine eigenständige, sie entsprang und währte eine gewisse Kontinuität zur repräsentativen Öffentlichkeit des fürstlichen Hofes. "Die Erben jener humanistisch-aristokratischen Gesellschaft schlagen, in den Begegnungen mit den bürgerlichen Intellektuellen, durch ihre alsbald zur öffentlichen Kritik entfalteten geselligen Konversationen die Brücke zwischen der Restform einer zerfallenden: der höfischen, und der Vorform einer neuen: der bürgerlichen Öffentlichkeit."(haberm. s. 89).

Zwischen der öffentlichen Sphäre und dem privaten Bereich bildet sich eine immer stärkere Trennungslinie: der öffentliche Bereich wird ausschließlich zur öffentlichen Gewalt. Öffentlichkeit besteht mittlerweile aus Privatleuten, sie besteht nunmehr aus Öffentlichkeit und der Privatsphäre. "Die Privatsphäre umfaßt die bürgerliche Gesellschaft im engeren Sinne, also den Bereich des Warenverkehrs und der gesellschaftlichen Arbeit; die Familie mit ihrer Intimsphäre ist darin eingebettet."(Haberm. s.90).

 

VI. Salons, Kaffehäuser und Sprachgesellschaft als Institutionen der Aufklärung

 

Die Stadt entwickelte sich zum neuen Träger der Öffentlichkeit, die repräsentative Öffentlichkeit des Hofes und die Repräsentation des Königs konnte nur noch mühsam aufrechterhalten werden. Zu neuen Brennpunkten der kulturellen Funktionen der Öffentlichkeit wurden die Salons und Kaffeehäuser, die sich sowohl in England als auch Ende des 16. Jahrhunderts in Frankreich größter Beliebtheit im Bildungsbürgertum erfreuten. "Sie sind, hier wie dort, Zentren einer zunächst literarischen, dann auch politischen Kritik, in der sich zwischen aristokratischer Gesellschaft und bürgerlichen Intellektuellen eine Parität der Gebildeten herzustellen beginnt."(haberm.s.92).

Trotz der vielen Unterschiede zwischen Salon in Frankreich und Kaffeehaus in England haben diese Institutionen im Rahmen der Aufklärung den gleichen Stellenwert. In ihnen trifft das Großbürgertum auf die Aristokratie, welche in Frankreich jedoch mittlerweile ihre gesellschaftliche Funktion und Bedeutung verloren hat. In den englischen Coffeehouses vertritt der Adel bald auch ökonomische und politische Interessen, wobei sich das Räsonnement in der Anfangszeit auf Kunst und Literatur beschränkte.(Vgl. Habermas S.93)

Zum englischen Kaffeehaus waren ausschließlich Männer zugelassen, indessen das Bild in den Salons hauptsächlich von Frauen geprägt war. Auch zählten zu den Besuchern der Coffeehouses nicht nur Großbürgertum und Adel, wie in den französischen Salons, hier waren "vor allem die breiteren Schichten des Mittelstandes, sogar Handwerker und Krämer"(Habermas S.93) anzutreffen. Jedoch, auch der Salon entwickelte sich dahingehend, daß eine wirtschaftliche Bindung nicht mehr Voraussetzung für den Zutritt zum Salon ist. Hauser beschreibt dies folgendermaßen: "in den Salons der Damen von Welt, adliger wie bürgerlicher, verkehren Söhne wie Prinzen und Grafen, von Uhrmachern und Krämern."(Hauser,A. S.94). Immer mehr entwickelte sich der Salon zur Herberge des "gescheiten Diskurs", die "galanten Vergnügungen" rückten immer mehr in den Hintergrund.

In Deutschland gab es während des 17. Jahrhunderts die "gelehrten Tischgesellschaften" sowie die "Sprachgesellschaften"als Pendant zu den Salons und Kaffeehäusern. Diese Situation unterschied sich jedoch insoweit, daß es in Deutschland die "Stadt" als solche nicht gab, in der die bürgerliche Öffentlichkeit durch solche Institutionen die repräsentative Öffentlichkeit hätte ablösen können (Vgl. Habermas S.95). Das Publikum dieser Einrichtungen war ähnlich, es bestand "aus Privatleuten, die produktive Arbeit tun: nämlich aus der städtischen Ehrbarkeit der fürstlichen Residenz, mit einem starken Übergewicht der akademisch gebildeten Bürgerlichen."(Habermas S.95). Obwohl vergleichbar waren diese Gesellschaften seltener und politisch ineffizienter als beispielsweise die französischen Salons. Viel Wert wurde in den Sprach- und gelehrten Gesellschaften auf die Gleichbehandlung von ungleichen Standespersonen gelegt, so wie es auch in den englischen Kaffehäusern der Fall war. Durchführbar war diese politische Gleichheit nur außerhalb des absolutistischen Bereiches: "die soziale Gleichheit war zunächst nur als eine Gleichheit außerhalb des Staates möglich. Der Zusammenschluß der Privatleute zum Publikum wird deshalb im geheimen, Öffentlichkeit noch weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit antizipiert."(Habermas S.95). Diese Gesellschaften waren zunächst Geheimbünde, hieraus entwickelten sie sich mit der Zeit "zu Innengebilden, die die Absonderung von der inzwischen bestehenden Öffentlichkeit zur Grundlage haben."(Mannheim,K. "Die Träger d. öffentlichen Meinung")

Später, im 18. Jahrhundert entstehen entsprechende Institutionen die freien Zugang gewähren. Von diesem Zeitpunkt an, kann in ihnen politische Gleichheit öffentlich stattfinden.

Trotz vieler Unterschiede, wie zum Beispiel der Zusammensetzung des Publikums und der soziale Umgang, haben Salons, Kaffeehäuser und Tischgesellschaften im wesentlichen drei Merkmale gemeinsam:

-Die "Autorität des Arguments" stand grundsätzlich über der sozialen Herkunft, wobei Statusgleichheit nicht existierte, jedoch wurde von ihr abgesehen. "Im öffentlichen Räsonnement herrschte die Gleichheit des "bloß Menschlichen". "Die Gesetze des Marktes sind ebenso suspendiert wie die des Staates."(Habermaß S.97).

-Kirchliche und staatliche Autoritäten hatten nun nicht mehr das Interpretationsmonopol auf die überwiegenden Gegenstände des öffentlichen Räsonnements - Philosophie, Kunst und Literatur.

-Kultur wurde zur Ware, die für jedermann zugänglich wurde und so kritisiert werden konnte. Durch die allgemeine Zugänglichkeit von Kultur und Literatur war die kritische Gesellschaft in ihrem Umfang prinzipiell offen, wobei die Betonung auf "prinzipiell" gelegt werden muß. Im England des frühen 18.Jahrhunderts war mehr als die Hälfte der Bevölkerung an der Grenze des Existenzminimums: "Die Massen sind nicht nur weitgehend illiterat, sondern auch so pauperisiert, daß sie Literatur gar nicht bezahlen könnten. Sie verfügen nicht über die für eine noch so bescheidene Teilnahme am Kulturgütermarkt erforderliche Kaufkraft."(Watt, J. "The Reading Public" in:The Rise of the Novel, London1957).

 

VI. Politische Funktionen der Aufklärung in England

 

Im England des frühen 18.Jahrhunderts bildete sich aus dem räsonnierenden Publikum hervorgehend als erstes eine politisch handelnde Öffentlichkeit. In diesem Zusammenhang wurde erstmals aus einer Ständeversammlung ein modernes Parlament.

In England, das nie von derartigen Klassengegensätzen zwischen Adel und Großbürgertum geprägt war wie es auf dem Kontinent der Fall war, "da die jüngeren Söhne der Landaristokratie schnell zu erfolgreichen Kaufleuten aufsteigen und die Großbourgoisie oft genug Grundbesitz erwirbt"(Habermas S.122), kam es nun zu einem anderen Interessengegensatz: "dem zwischen den restriktiven Interessen des Kommerz- und Finanzkapitals auf der einen und den expansiven Interessen des Manufaktur- und Industriekapitals auf der anderen Seite."(Dobb, a.a.O.,S.193). Dieser Zwiespalt zwischen einer älteren Generation und einer in der Durchsetzung der kapitalistschen Produktionsweise entstandenen jüngeren Generation, die sich die neuen Märkte erst noch erschließen mußte, wurde in der Öffentlichkeit ausgetragen. Beide Parteien wendeten sich an die Instanz des räsonnierenden Publikums.

Vorangetrieben haben diese Entwicklung in England drei Ereignisse:

-Die Gründung der Bank von England. Sie bezeichnete eine neue Stufe im Kapitalismus und festigte die neue kapitlistisch revolutionierte Produktionsweise, die bislang nur durch den Handelsverkehr getragen wurde.

-Die Institution der Vorzensur wurde aufgehoben, was nun das Eindringen des Räsonnements in die Presse möglich machte und sie dadurch zu einem wichtigen Instrument der politischen Meinungsbildung wurde.

-Eine einheitliche Kabinettregierung war ein erster Schritt zur Parlamentarisierung der Staatsgewalt. Hierdurch konnte sich schließlich die politisch fungierende Öffentlichkeit als Staatsorgan etablieren.(Vgl. Habermas S:123f.).

Auch in England fühlte sich die Regierung von der wachsenden Einflußnahme des räsonnierenden Publikums bedroht, die Kaffeehäuser galten "als Brutstätten der Unrast"(S.124). Im Vergleich zu der des Kontinents hatte, die englische Presse einzigartige Freiheiten, denen Regierung und Krone versuchten, durch Zensur und der Stempelsteuer von 1712 Einhalt zu gebieten, was jedoch nur in Form von vorübergehenden Rückschlägen gelang.

Eine wirkliche Opposition entwickelte sich unter den Tories. Sie schafften es "eine solche auf den Punkt gerichtete und mit gleichsinnigen Willensimpulsen ausgestattete öffentliche Meinung zu formen, mit der sich Politik treiben ließ." Die Tories erreichten dies´ "durch die Begründung eines selbstständigen Journalismus, der sich gegen die Regierung zu behaupten verstand und die kritische Kommentierung und öffentliche Opposition gegen die Regierung zum normalen Status erhob."(Kluxen, S.126/Habermaß). Mit der ersten Ausgabe des "Craftsman" etablierte sich eine Presse, die sich erstmals als "kritisches Organ eines politisch räsonnierenden Publikums"(Habermas, S.126) verstehen konnte. Die Auseinandersetzung mit dem Staat fand nun nicht mehr unmittelbar mit dem Publikum statt, sondern hatte in der Presse ein geeignetes Medium gefunden. Das Parlament reagierte auf die "Attacken" der Presse mit der strikten Geheimhaltung ihrer Verhandlungen. Erst 1771 gelang es einem Redakteur der "Evening Post", dieses Parlamentsprivileg faktisch außer Kraft zu setzen und ungerügt über Parlamentsdebatten zu berichten. Zu einer Institutionalisierung der Berichterstattung nach Parlamentssitzungen kam es erst Anfang des 18. Jahrhunderts (Vgl. Habermas, S.127).

Das englische Unterhaus verlor gegen Ende des 17. Jahrhunderts den Charakter einer Ständeversammlung, denn die ökonomisch und sozial führenden Klassen besaßen mittlerweile auch politische Macht, so daß es sich nicht mehr aus einer Vertretung der verschiedenen Stände zusammensetzte, sondern aus "Nominierten der herrschenden Klassen". Die "bürgerlichen Schichten des protestantischen, handel- und gewerbetreibenden Mittelstandes (deren kapitalistische Interessen die Revolution wesentlich mitgetragen hatten, ohne jetzt im Parlament unmittelbar vertreten zu sein) so etwas wie einen stetig sich erweiternden vorparlamentarischen Hof."(Habermaß,S.127) In diesem Rahmen bildeten jene Schichten ein kritisches Publikum und verfolgten und publizierten, wahlberechtigt oder nicht, bald Verhandlungen und Entscheidungen des Parlaments.

In dieser neuen Beziehung, zwischen Publikum und Parlament, war ein wichtiger Schritt gemacht. "Politische Opposition auf nationaler Ebene war bis dahin als der Versuch einer gewaltsamen Durchsetzung von Interessen in Formen der Fronde und des Bürgerkriegs möglich gewesen; jetzt nahm sie, durch ein räsonnierendes Publikum vermittelt, die Gestalt der Dauerkontroverse zwischen Regierungs- und Oppositionspartei an.

Von Bolingbroke, Mitglied der Tories, wurde der Unterschied zwischen privatem- und öffentlichem Interesse definiert, als das Verhältnis zwíschen court und country, wobei die "country-party" derzeit als Oppositionsparei galt.

Die Exklusvität des Parlaments wurde im Laufe der Zeit immer mehr aufgehoben. Die Rolle des politisch räsonnierenden Publikums hatte sich bis Anfang des 19. Jahrhunderts soweit entwickelt, daß es fortan als die "eines permanenten kritischen Kommentators die Exklusivität des Parlaments definitiv aufgebrochen und sich zum offiziell bestellten Diskussionspartner der Abgeordneten entwickelt" hatte... "they, die Subjekte der public opinion, gelten nicht länger als diejenigen, die man wie "strangers" von den Verhandlungen ausschließen kann. Der Parlamentsabsolutismus muß ihrer Souveranität schrittweise weichen."(Habermaß,S.132).

Zwei Jahre nach der Julirevolution in Paris, wurde in England die Reformbill verabschiedet. Von da an war auch der gehobene Mittelstand, aus dem sich das räsonnierende Publikum weitgehendst zusammensezte, wahlberechtigt.

 

VI.II. Politische Funktionen der Öffentlichkeit in Frankreich

 

Das in Frankreich vergleichbar spät, etwa Mitte des 18.Jahrhunderts, entstandende politisch räsonnierende Publikum konnte seine Kritik nicht, wie im zeitgenössischem England, effizient ins Regierungsgeschehen einbringen. "Ohne Zustimmung der Zensur darf keine Zeile gedruckt werden, ein politischer Journalismus kann sich nicht entwickeln, die periodische Presse insgesamt bleibt kümmerlich."(Habermaß, S.133). Auch eine Ständeversammlung, die sich zu einer Volksvertretung hätte ausbilden können, fehlte. Als einzige, nicht vom König abhängige politische Instanzen, galten die bestehenden Parlamente und obersten Gerichtshöfe. Sie konstatierten sich nicht aus der Spitze des Bürgertums, in denen das räsonnierende Publikum lebte, sondern aus den verbürgerlichten Zwischengewalten. Zwar gab es auch hier ein handel- und gewerbetreibendes Bürgertum, in dessen Händen sich der Reichtum der Nation sammelte, jedoch hatte es keinen politischen Einfluß. Es entwickelte sich nicht wie in England unter dem Zusammenschluß mit Adel und hohem Beamtentum zu einer homogenen Oberschicht, welche ihre Interessen gegen den König hätte politisch vertreten können. Erst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts befaßten sich in Frankreich Philosophen vorab mit Religion, Literatur und Kunst, jedoch entfaltete sich ihre Kritik erst zur politischen im Stadium ihrer enzyklopischen Publikationen. "Die Enzyklopädie ist als publizistisches Unternehmen großen Stils angelegt. Robbespierre kann sie später als "Einleitungskapitel der Revolution" feiern."(Habermas,S.135).

Einen Höhepunkt erreichte die Kritik an der Regierung, als ein Regierungsbeamter die Bilanz des Staatshaushaltes veröffentlichte. Mit diesem Ereignis offenbarte sich dem Publikum nun "im Ausmaß der Staatsverschuldung ...das Mißverhältnis von ökonomischer Macht und politischer Machtlosigkeit auf der einen, von finanzieller Abhängigkeit und absolutistischer Regierung auf der anderen Seite."(Habermas,S.136). Durch diese Erkenntnis wurden dem räsonnierenden Publikum Wege zur offiziellen Zulassung bei öffentlichen Angelegenheiten geebnet. Es kam, ähnlich wie es in England schon länger Tradition war, zur Einberufung der Generalstände, welche fortan die Rolle eines modernen Parlaments übernahmen.(Vgl. S.137).

Mit der französischen Revolution brach schließlich eine neue Ära in der Geschichte der Öffentlichkeit mit kontinentalen Auswirkungen an. Die französische Öffentlichkeit holte ihre Entwicklung praktisch über Nacht auf. Clubparteien wurden gegründet und institutionalisiert. Sie bildeten fortan Fraktionen im Parlament. Eine politische Tagespresse entstand ebenso wie eine parlamentarische Berichterstattung. Mit der französischen Revolutionsverfassung ergab sich eine Reform der bestehenden Rechtsverhältnisse, durch die die politischen Funktionen der Öffentlichkeit klar definiert und institutionalisiert wurden. Von nun an galten für einen kurzen Moment Menschenrechte, Meinungs- und Pressefreiheit; unter Napoleons Regentschaft wurden sie jedoch weitgehendst wieder aufgehoben oder eingeschränkt. Erst die Julirevolution 1830 sicherte dem Großbürgertum den bestimmenden politischen und gesellschaftlichen Einfluß und wurde darüber hinaus Anlaß zu revolutionären Erhebungen und verfassungsstaatlichen Bestrebungen auch im übrigen Europa.

 

VI.III. Politische Funktionen der Öffentlichkeit in Deutschland

 

Eine politische Entwicklung der Öffentlichkeit begann in Deutschland relativ spät und zögerlich. Eben die französische Julirevolution löste ein gewisses, wenn auch nur kurzfristiges Voranschreiten in dieser Beziehung aus.

Die Gesellschaft in Deutschland zeigte sich in der Zeit der Aufklärung als noch weitgehend ständisch strukturiert. "Der höchst privilegierte Stand war nach wie vor der Adel, dem Macht und Herrschaft vorbehalten waren, das ständische Bürgertum betätigte sich monopolhaft in Handwerk und Handel, während der Bauernstand ohne politische Rechte blieb und die notwendige Nahrung produzieren mußte."(Van Dülmen,S.11).

Als Kriterium für die Dazugehörigkeit zur Bourgoisie galt Bildung. "Im Dienste am Staat, im Versuch, ihm eine neue rationale Grundlage zu geben, etablierte sich eine neue Klasse, die sich später zu einem "neuen Bürgertum" formierte, nämlich dem gebildeten Mittelstand, der, sosehr seine Mitglieder jeweils noch lange in die traditionale ständische Gesellschaft lebensweltlich eingebunden blieben, doch mit seinem Reformwillen ein neues Bewußtsein schuf, das sich nicht mehr an der ständischen Ehre und Tradition orientierte, sondern auf Nutzen, Moral und Vernunft baute. Im Maße, wie diese Eliten eine akademische Ausbildung zunehmend nachweisen mußten, verstärkte sich dieser Trend."(Van Dülmen,S.11).

Der Adel hingegen vermochte "es nicht , die von ökonomischen wie politischen Funktionen abgeschnittene Sphäre der "Gesellschaft" in Kommunikation mit bürgerlichen Intellektuellen zur kulturell maßgebenden eines räsonnierenden Publikums auszubilden."(E. Heilbronn,Habermas,S.140).

Das es trotz dieser ungünstigen Voraussetzungen zu einem Wandel der Gesellschaft kam und eine neue Klasse entstehen konnte, die die gesellschaftlichen Schranken durchbrach, lag an "dem steigenden Bedarf des absolutistischen Staates an ausgebildeten Verwaltungskräften, die die "ökonomische" Effektivität und das Bildungskapital des Staates steigern sollten und dabei zu den treibenden Kräften einer Reform von Staat und Gesellschaft wurden."(Van Dülmen, S.11). Im gebildeten Mittelstand bildete sich ein starker Reformwille der eine neue Einstellung schuf. "In diesen Kreisen entwickelte sich eine gelehrt-aufklärerische Kultur mit einem hohem Moralanspruch, die zwar noch lange den Charakter einer privaten Angelegenheit an sich hatte, dann doch rasch an die Öffentlichkeit trat und ein soziales Handeln erzwang, das politisch und sozial die Basis der traditionellen Gesellschaftsordnung in Frage stellte."(Van Dülmen,S.11). Diese Reformbestrebungen gingen in Deutschland, verglichen mit der Gesamtgesellschaft, nur von einer Minderheit aus. Zunächst war es nur eine kleine Schicht Gelehrter, dann Kreise aus Männern des öffentlichen Lebens, schließlich alle Gebildeten, die jenseits traditioneller Welten eine neue Identität suchten.(Vgl ,S11f.)

Der Adel repräsentierte seine Herrschaft bis ins 18.Jahrhundert auf den fürstlichen Höfen, welche als zentrale Machtstellen und gesellschaftliche Mittelpunkte galten. Mitte des Jahrhunderts etablierte sich die Verwaltung und brachte eine Schicht der bürgerlichen Beamten hervor. Durch die fortschreitende Bürokratisierung löste sich die Verwaltung immer stärker von den Höfen und entwickelte sich zur Instituion. Der Hof an sich wurde aufgrund seiner Machtpostion von vielen Aufklärern "infiltriert": "Der aufgeklärte Absolutismus hatte viele bürgerliche Akademiker und Intellektuelle angezogen. Das führte zu ... sozialen Spannungen zwischen Adel und Bürgerlichen, die auch dadurch nicht aufgehoben wurden, daß der Adel sich der neuen Literatur und Philosophie zuwandte, seine traditionelle Verachtung des Staatsdienstes aufgab und sogar vereint mit Bürgerlichen den Staat reformieren wollte."(Van Dülmen,S.12)

Auch der ausgeprägte Einflußbereich der Kirche war bis tief ins 18.Jahrhundert unangefochten. "Sich kritisch gegen die Kirche zu stellen, hatte nicht zuletzt im Hinblick auf die Karriere noch lange harte Folgen."(Van Dülmen,S.13)