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Das Buch die Wüste Internet ist keine Gebrauchsanleitung für das Internet: der Titel spricht für sich! Es ist aber auch kein hemmungsloser Verriß des größten Datenentzes der Welt. Der Autor, Astronom und Internetpionier aus Oakland, USA, gesteht freimütig, selbst ein Net-Junky zu sein - zumindest einmal gewesen zu sein. Nicht das Internet als funktionale Einheit, sondern die euphorischen Erwartungen in die kommenden Möglichkeiten des Netzes, seine Instrumentalisierung zur Schaffung einer fiktiven "Schönen Neuen Welt" ist Gegenstand der Kritik des Autors. Ähnliche Erwartungshaltungen wucherten schon früher, so bei der Einführung des Telegraphen, bei Aufkommen des Radios, später mit Verbreitung des Fernsehens in den gesellschaftlichen Phantasien. Und immer gab es in dieser Phase der überzogenen Erwartungen in ein neues Medium Kritiker, deren Mahnungen im allgemeinen Jubelgeschrei verfemt wurden als die Unkenrufe der ewigen Pessimisten. So darf man auch Clifford Stolls Buch "Die Wüste Internet" als eine Fortschreibung von Neil Postmanns "Wir amüsieren uns zu Tode" verstehen. Wie Postmann für das Fernsehen versucht auch Stoll für das Internet aufzuzeigen, daß mit der Etablierung eines so mächtigen Mediums neben den Chancen für die Gesellschaft auch eine Fülle kaum zu kalkulierender Risiken und offensichtlicher Nachteile lauern. Beiden gemeinsam ist auch der Glaube, daß nicht die ungeordnete Flut von Information die herbeigesehnte gerechte Gesellschaft zu fördern in der Lage ist, sondern nur der von Mensch über das gesprochenen oder Geschriebene Wort geführte Dialog. Nur die gezielte und begrenzte Auseinandersetzung mit den Problemen der Gesellschaft kann zum Entstehen einer öffentlichen Meinung führen, in der das Individuum bereit ist, seinen Teil zum funktionierenden Gemeinwesen beizutragen. Die Sturmflut ungeordneter und oft auch unsinniger Information dagegen führt zu einer Zersplitterung der Gesellschaft, zur Orientierungslosigkeit des Einzelnen und ist somit kontraproduktiv in sozialer wie auch ökonomischer Hinsicht für jede Form von Gemeinwesen.

In diesem Sinne werde ich auch dieses Referat frei von allen interaktiven und multimedialen Ansätzen nur als eine geordnete Zusammenstellung mir wichtig (oder manchmal auch nur amüsant) erscheinender Passagen des Buches vortragen, die ich mit zum Teil leichten Modifikationen zusammengetragen habe:

Bit um Bit tröpfeln meine Tage durchs Modem dahin. Doch bei aller Kommunikationsfülle sind nur wenige Informationen wirklich brauchbar. Der Computer hat meine ganze Aufmerksamkeit, aber es mag nun an der Form oder an den Inhalten liegen, das Netz befriedigt mich nicht recht. (S.15)

[1976] hatte ich einen heißgeliebten Heimcomputer gebaut, eine Flotte Steinzeitschachtel mit 4 Kilobyte Speicherkapazität, die Text auf einen Fernsehbildschirm übertrug. Fünf Jahre später war ich ans Arpanet [...] angeschlossen. Als das Netz wuchs, schrieb ich Programme und nutzte das Netz für Wissenschaft und Freizeit. (S.29)

Fünfzehn Jahre war ich online und habe erlebt, wie sich Tausende von Rechnern zu einem allgegenwärtigen, globalen Netzwerk zusammenschlossen. Anfangs schien das experimentelle Arpanet eine Art akademisches Spielzeug zu sein, der neueste Trick zur Vernetzung der Computer im ganzen Land. Später versorgte uns das Spielzeug mit Datenmaterial [...]. Als sich das experimentelle Arpanet zum Internet entwickelte, verließ ich mich zunehmend auf e-mail, um Kontakt zu meinen Kollegen und Freunden zu halten. [...]

Seitdem ist das Internet für mich ein verlockendes und fesselndes Milieu geworden.[...] ich mische mich über Usenet in Diskussionen ein, stelle Rückfragen und gebe Antworten. Ein Mausklick, und ich lese die Tagesmeldungen oder Monatsberichte. Eine Herausforderung, die auch noch Spaß macht. (S.14)

Doch im Laufe der letzten Jahre hat sich bei mir eine Wandlung vollzogen. Was so vielfältig, so schön, so neu begann, scheint heute weniger zu sein, als es den Anschein hat. (S.29)

[Aber ich komme] vom Netz nicht los. Oder Doch? [...]

Vielleicht ist unsere vernetzte Welt nicht das weit geöffnete Tor zur Freiheit. Könnte es eine Flucht aus der Wirklichkeit sein? Ein Angebot, den Kopf in den Sand zu stecken, um unsere Aufmerksamkeit und unsere Energien von gesellschaftlichen Problemen abzulenken? Ein Mißbrauch von Technologien, der eher passive als aktive Beteiligung hervorbringt? [...] (S.15)

Daher also an dieser Stelle schon einmal meine starken Vorbehalte gegen die Überflutung mit Computernetzen. Sie isolieren uns voneinander und setzen die Bedeutung tatsächlicher Erfahrung herab. [...]

Als in den 50er Jahren das amerikanische Fernstraßennetz ausgebaut wurde, gab es keine Diskussion über die Möglichen negativen Folgen. Viele waren dafür: Lastwagenfahrer, Farmer und Schiffer wollten das Monopol der Eisenbahn brechen. Parteien, Autohersteller und die Baugewerkschaften wußten, daß es Geld bringen würde. [...] Wer sprach dagegen? Ich wüßte nicht, daß jemand gesagt hätte: "He, diese Autobahnringe werden unsere Städte kaputtmachen. Sie werden jungfräuliches Land zubetonieren und stundenlange Pendelzeiten bescheren. Sie werden die Wohnviertel in Trabantenstädte verwandeln." (S.16)

[Heute] geht mir der Gedanke an die große Kluft zwischen dem Rummel um das elektrische Utopia und der Profanen Realität der Vernetzten Gemeinschaft nicht aus dem Kopf. [...]Höre ich die digitalen Propheten vom gelobten Land reden, werde ich nun mal verschroben und fange an, vor mich hinzubrummeln. [...]

Ich spreche hier nämlich vor allem von Leuten, die sich auf geheimnisvolle Weise in das Internet gelockt fühlen: Lotusesser, seht euch vor. Das Leben in der wirklichen Welt ist bei weiten interessanter, wichtiger und reicher als irgend etwas auf dem Computerbildschirm es jemals sein wird. [...](S.30)

Schlagen Sie irgendeine Zeitschrift auf und hohlen Sie sich ihren Schuß tosenden Beifall und vielfarbiges Hochglanzstaunen. Plaudern Sie mit euphorischen Computercowboys und hören Sie, wie die elektronische Revolution uns alle im universalen Internet vereint und wie die online-Erfahrungen Ihnen ein besseres Leben bescheren können. [..]Verbringen Sie eine Woche in der elektronische Welt. Sie werden sicherlich eine komplexere Umgebung vorfinden, als ich Ihnen hier einrede. Aber denken Sie daran, es ist eine Welt, die nicht existiert.[...] (S.31)

Es ist eine unwirkliche Welt, ein lösliches Gewebe aus Nichtigkeit. Während das Internet winkt, um uns mit dem blitzenden Bild der Macht des Wissens zu verführen, verpfänden wir unsere Lebenszeit an einen Unort. Sie ist ein armseliger Ersatz, dies virtuelle Realität, die unendliche Enttäuschungen bereithält und in der - im geheiligten Namen des Fortschritts - wichtige Bereich menschlicher Beziehungen rücksichtslos entwertet werden.

1977 proklamierte Ken Olson, Präsident der Digital Corporation: "Es gibt keinen Grund, für irgend jemanden, einen Computer zu Hause zu haben." (S.29)

1986 verband das aufkeimende Internet vielleicht 60.000 Leute. Heute sind es weit über zwei Millionen, und monatlich werden es hunderttausend mehr. Was sich einmal wie eine Kleinstadt ausnahm, ist inzwischen ein verstopftes, unpersönliches New York des Geistes, wo die Person, die Sein anspricht, nicht mehr kennen.

Die Verfasser des Forschungsberichtes zur Nationalen Informationsinfrastruktur vom September 1994 rechnen damit, [mit Hilfe des Internet] [...] "unsere Kinder auf die Wissensökonomie des 21. Jahrhunderts vorzubereiten, das Sozialprodukt im Laufe der kommenden Dekade um 100 Milliarden Dollar zu erhöhen, bis 1996 500.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen und dabei die Qualität des Berufslebens zu Steigern sowie die Sozialpartnerschaft zu gewährleisten."

Solche vollmundigen Verkündigungen lassen mich rätseln, ob unsere Technologen von lemminghaftem Wahn befallen sind. Ich frage mich eher, weshalb die vernetzte Welt soviel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Für mich klafft eine gewaltige Lücke zwischen den realen Netzen, die ich tägliche benutze, und dem gelobten Land der Informationsinfrastruktur. Manche Leute ohne Modem befürchten, daß ihnen ein bedeutender Teil des modernen Lebens entgeht. Doch nur wenige Teile des täglichen Lebens erfordern Computer, digitale Netze oder massive Verkabelung. Zum Kochen, Fahren, Besuchen, Verhandeln, Essen, Wandern, Tanzen und Tratschen können Sie darauf verzichten. Sie brauche keine Tastatur, um Brot zu backen, Tippfußball zu spielen, eine Decke zu flicken, eine Steinmauer zu bauen, ein Gedicht aufzusagen oder ein Gebet zu sprechen.

Technologie ist in. Ich kann auf den Titelseiten von Zeitungen und Zeitschriften über Computernetze lesen, Talkshow-Moderatoren geben ihre E-Mail-Anschriften bekannt, die Werbung verspricht eine wundervolle Zukunft, in der alles per Computer zu bekommen ist. [...] (S.269)

Um dieser Fixen Idee die Ehre zu erweisen, geben Schulbehörden viel zuviel Geld für technischen Spielkram aus, den Lehrer nicht wollen uns Schüler nicht brauchen. Unterdessen sind die Beschaffungsprogramme unserer Bibliotheken in einem beklagenswerten Zustand. (S.27)

Ich sehe, wie Firmen ihre Produkte in Computer quetschen, selbst wenn sie nicht hineinpassen. Bücher auf Papier funktionieren verdammt gut [...]. Ich habe nur selten jemanden getroffen, der lieber digitale Bücher liest. Ich möchte meine Morgenzeitung nicht per Computer bekommen. Halten Sie mich für einen Höhlenmenschen, aber ich sehe mir die Fotos lieber an der Seite meiner Liebsten n, hohle mir Zeitungen lieber auf dem Weg zu Arbeit und blättere lieber in einem echten Buch. [...]

Rechner und Netzdienste frustrieren praktisch jeden. Lesen sie die Computerliteratur, um die Trockenheit der Digitalkultur zu erleben. Oder hören Sie einmal in die Usenet-Netzmeldungen hinein, wie dort die Hohlköpfe Unfug abschicken oder Kriege ausfechten [...]. Schauen Sie irgend jemandem mit seinem Nintendo zu, und ahnen Sie die Oberflächlichkeit von Computerspielen. (S.28)

"Unsere Erfindungen sind gewöhnlich hübsche Spielsachen, die unsere Aufmerksamkeit von ernsten Dingen ablenken. Sie sind nur verbesserte Mittel für einen unverbesserten Zweck," schreibt David Thoreau (Amerikaner, gilt als der Vater des amerikanischen Naturschutzes)[1847] in Walden. Wir beeilen uns stark, einen magnetischen Telegraphen zwischen Maine und Texas zu konstruieren, aber Maine und Texas haben möglicherweise gar nichts wichtiges miteinander zu besprechen."

Jene Telegraphenleitung hat sich zu Internet entwickelt. (S.32)

Aber schreiben Sie mich nicht ab als eine Art digitalen Maschinenstürmer, der es auf die Silikon-Webstühle abgesehen hat. (S.29)

Nein, ich liebe meine vernetzte Gemeinschaft und das Gefühl der Naschbarschaft mit Freunden. Jeden Tag bin ich aufs neue entzückt beim Lesen der e-mail von Fremden und Bekannten, beim Schwatz online und beim Erforschen des wachsenden Internet. Aber warum dieses wage Angstgefühl, wenn ich mich an meine Workstation setze? (S.30)

Mit der Weiterentwicklung digitaler Technologie könnten wir preiswerte, anwenderfreundliche Systeme erwarten, die uns rasch die Arbeit abnehmen. Und da sich ja nur Bits und Bytes bewegen müßten, werden die Datenautobahn der billigste Weg sein, Information rund um den Globus zu transportieren.

So jedenfalls will es der Mythos. In Wirklichkeit ist das Internet zur Geschäftszeit quälend langsam. Mitunter braucht jeder Anschlag eine Minute, um von Ihrer Tastatur ins Zielsystem zu gelangen. Tagsüber ist es fast immer schneller, einen einseitigen Brief per Fax anstelle von e-mail zu senden. Ein schnelles Modem benötigt drei Tage, um den Inhalt einer normalen Bildplatte zu übertragen. Es geht viel rascher, durch die Stadt zu radeln oder die CD mit der Post zu schicken. Und es würde auch nichts nützen, die Kommunikastionswege zu beschleunigen und Modem-Pools zu erweitern -neue Anwendungen würden die Sache eher noch weiter verlangsamen. Durch schicke Dienste wie Online-Audio, -Video und graphische Anwenderschnittstellen wie Mosaic im World Wide Web werden die Netze nur noch weiter verstopft. (S.33)

[Da verhält es sich wie mit den Straßennetzen. Bis heute haben die Planer den Wettlauf steigender PKW-Zahlen gegen besser ausgebaute Straßen nicht aufgegeben. Daß umgekehrt ein Mehr an zubetonierter Fläche immer mehr Fahrzeuge auf die Straßen holt, alleine weil sich keiner mehr zu Fuß in dieser unwirtlichen und weitläufigen Umwelt bewegen mag, scheint in ihre Köpfe nicht hineinzugehen.]

Die Netze beschwören unermüdlich die Verheißung der Datenfernverarbeitung. Irgendwann werden viele von uns Zuhause arbeiten können, zu jeder Tages- oder Nachtzeit. Wir werden Benzin sparen können, unsere Familiären Beziehungen vertiefen und einen schöneren Arbeitsplatz haben. Ach ja?

Ich bezweifele, daß unsere Büros durch Angestellte ersetzt werden, die von Zuhause arbeiten. Ohne Besprechungen und persönlichen Austausch werden die Arbeiter isoliert und das Zugehörigkeitsgegühl geschwächt. Und mit seinen ständigen Unterbrechungen und dem fehlenden Büroinventar ist das Wohnhaus auch nicht unbedingt ein effizienter Arbeitsplatz. Die Idee mag sich ja für Aufgaben eignen, bei denen man nie jemanden treffen muß, wie Dateneingabe oder Telefonverkauf. Aber so wird die Wohnung zum Gefängnis. (S.-55)

Dann wäre da noch die Legende, daß unsere Computernetze Vielfalt, Kultur und Neuigkeiten in unsere Wohnungen und Klassenzimmer bringen. Ich habe dasselbe schon zur raschen Ausdehnung des Kabelnetzfernsehens gehört - sie versprechen fünfhundert Kanäle, in denen wir uns aus hunderten von Programmangeboten die passenden Informations- oder Unterhaltungssendungen aussuchen können.

Was mich an die Erklärung erinnert, die David Sarnoff, der technische Leiter des Medienkonzerns RCA im Jahre 1939 abgab: "Es ist wahrscheinlich, daß Fernsehspiele hoher Qualität unter Mitwirkung erstklassiger Schauspieler das Niveau des Publikumsgeschmacks landesweit substantiell anheben werden."

Die daraus entstandene Einöde breitete sich schon bei nur drei Fernsehnetzen gewaltig aus. Ein Kabelsystem mit 500 Kanälen wird fraglos unermeßliche und grenzenlose Mittelmäßigkeit ins Haus liefern. Und mit jedem neuen Kanal werden die Produktionsstandards sinken, weil für die einzelnen Sendungen weniger Geld ausgegeben wird. (S.40-41)

Interaktives Fernsehen (seit den siebziger Jahren angepriesen), eröffnet die Wahl zwischen vielen verschiedenen Ereignisvarianten, die alle vorprogrammiert sind. Das Ergebnis ist ungefähr so interaktiv wie ein Zigarettenautomat. Sogar der Begriff Multimedia ist falsch, weil nur ein Medium benutzt wird: der Computer.

Ich bin vielleicht kein Fachmann für Ästhetik, aber unter den Unmengen von Multimedia-Produktionen, die ich mir angesehen habe, erinnere ich mich an keine, die schön gewesen wäre. (S. 42)

Außerdem entwickeln Computer Fähigkeiten, die rasch veralten. Wie viele von denen, die einst Pac Man und Pong spielten, spielen das heute noch? Drei Jahre alte Multi-User Dungeons im Internet sind heute passé. Vergleichen Sie das mit Skat, Go Fußball und Monopoly. (S.43)

Bedenken Sie auch die Ausrüstung, die Sie benötigen. Für das bescheidenste Computerspiel brauchen Sie Zentraleinheit, Monitor, Direktzugriffsspeicher, nicht zu vergessen die Software, die von 50 Dollar aufwärts kostet. Für die Netzverbindung kommen dann noch Modem, Telefonanschluß und Zugangsberechtigung hinzu.

Nehmen Sie dagegen einen Satz Karten für zwei Dollar. Sie können unzählige Spiele damit spielen oder auch neue erfinden, Regeln verändern, Häuschen bauen oder künftigen Reichtum voraussagen. Sie funktionieren auf dem Autorücksitz so gut wie am Lagerfeuer. Wen Sie auch treffen, er kann es verstehen und mitmachen. Und wenn Sie sich ärgern, schmeißen Sie das Blatt aus dem Fenster. Probieren Sie das mal mit Ihrem Pentium-Prozessor.(S.43)

Jenny Frost ist eine Audioproduzentin aus New York. Sie beschreibt, wie sich ihr Mann mit seinem Modem verzettelte. Sie hatte ihm das Computerspiel Myst gekauft und er pfuschte jede Nacht daran herum. Nachdem er mit einer Spur nicht weiter kam, meldete er sich bei America Online an, um dort Wege zu finden, das Geheimnis zu lüften.

"Zwei Monate lang verbrachte er ganz Abende am Schwarzren Brett, klönte mit anderen und erlernte die Feinheiten dieses Computerspiels," erzählte sie mir.

"Das Fünfzig-Dollar-Spiel wuchs an zur 400 Dollar Netzrechnung". Aber das sei noch gar nichts gegen ihren Freund David, fuhr Jenny fort: "Er kam wunderbar mit seiner Frau klar, bis er jede Nacht drei Stunden im Netz zubrachte. Sie ist keine egoistische Frau, aber sie fühlte sich von ihm vernachlässigt. Es wurde der große Riß in ihrer Ehe." Treiben wir dafür die landesweite Vernetzung voran? Diese Verführung des Geistes ohne körperlichen Austausch untergräbt soziale Beziehungen, und die Störung scheint geschlechtsspeziefisch zu wirken. Wir produzieren eine Welle von Computer-Wittwen. (S.46)

[Doch] der Mythos wächst weiter: auch die Wahlen [sollen] anders werden. Politiker stehen elektronischen Foren zur Verfügung; die Bedeutung des teuren Fernsehspots verschwindet. Sie schicken Positionspapiere ins Netz und antworten auf e-mail aus ihren Wahlkreisen. Zu guter letzt werden wir die elektronische Stimmabgabe erleben - ein Schritt auf dem Weg zu weiterer Demokratisierung über Meinugsbilder, die Abgeordnete in Echtzeit mit Rückmeldungen versorgen. Und die Wirklichkeit? Jeder kann Botschaften ins Netz einspeisen. Praktisch jeder tut es auch. In der daraus entstehenden Kakophonie geht jede sinnvolle Diskussion unter. Netzdebatten zu kontroversen Themen werden oft durch extremen Ansichten polarisiert. Es ist eben ein großartiges Medium für Belanglosigkeiten und Hobbys, aber nicht der Ort für begründete, vernünftige Urteile. Erstaunlich häufig arten Diskussionen aus und enden in Verbitterung, Beleidigungen und flames. (S.56)

In dem Maße [...], wie das Netz weniger akademisch und kommerzieller wird, steht uns online eine immer breiter werdende Palette von Produkten und Dienstleistungen zur Verfügung.

Shopping per Modem? Klar doch, hört sich praktisch und bequem an. [...] Ich würde erwarten, daß die schnelle Interaktion und der große Kundenstamm der Netze den perfekten Ort abgeben, um Waren zu verkaufen; insbesondere Software, Computer und High-Tech-Spielzeug.

Aber schauen Sie sich den Schrott und Schund an, der auf den Heimkauf-Fernsehkanälen feilgeboten wird. Warum sollten Computerkauf-Netze sonderlich anders aussehen? Sie tun es nicht. Dieselben Leute, die uns den Heimkauf-Kanal brachten, nur diesmal im Internet Shopping Network. Da erstaunt es kaum, daß das derzeitige Internet ein so geringes Warenangebot aufweist. Sie finden dort nicht ein Hundertstel dessen, was Sie per Versandhauskatalog bekommen. Es gibt ein paar Floristen, ein halbes Dutzend Buchläden, jede Menge Computerverkäufer und keine Spirituosenhandlung. [...] Nimmt man alle online-Unternehmen zusammen, macht das rund 25.000 Dollar Umsatz pro Tag. Das schafft der Supermarkt an der Ecke an einem Nachmittag.

Warum gibt es so wenig Handel im Internet? Einkaufen im Netz nimmt uns das Erlebnis, das Geschäft selbst zu besuchen. In Dundas, Ontario gibt es einen Buchladen, in einem alten Haus mit Wassergarten vorm Eingang und drei Katzen, die dort leben. Wie in allen echten Buchläden können Sie kostenlos herumblättern, ohne das sich das Personal beschwert. Die Atmosphäre dieses Ladens ist im Internet nicht zu haben. [...]

Das Internet-Kaufhaus, derzeit noch in den Kinderschuhen, versucht, Waren und Dienstleistungen über Modem zu verkaufen. Aber kein elektronischer Geschäftsbummel kann es an Vielfalt, Qualität und Erfahrungsreichtum mit einem Besuch in der alltäglichsten Fußgängerzone aufnehmen. (s. 35-35)

Wenn jedes Geldgeschäft elektronische Fußabdrücken hinterläßt, werden Computer sehr bald manches von uns wissen, was wir möglicherweise geheimhalten möchten. Ich spreche hier nicht von illegalen Machenschaften, sondern von ganz simplen Dingen: ein Rechner weiß vielleicht, wieviel jemand letzte Woche für Alkohol ausgegeben hat, wie oft Ich nach San Francisco gefahren bin und wen ich angerufen habe. Viele Menschen beschleicht ein ungutes Gefühl bei der Vorstellung, daß solche Daten gesammelt werden können, und sie sind ausgesprochen besorgt, daß sie gespeichert und weitergegeben werden können. Selbst wenn man nichts zu verbergen hat, könnten manche dieser Details in unangenehmer, wenn nicht aufdringlicher Form Verwendung finden. Aus dieser Befürchtung heraus entsteht eine Maximalposition: Laßt den Großen Bruder keine Information über mich sammeln. Wenn ich mir die Verteidiger der Privatsphäre anhöre, wird mir auch klar, daß wir uns ständig zwischen Offenheit und Zurückgezogenheit hin und herbewegen - zwischen Gemeinschaft und Privatem. Wenn ich in ein Café gehe, lasse ich mit meinen Freunden und Nachbarn ein. Der Extremfall ist hier, daß ich für ein öffentliches Amt kandidiere und meine Lebensführung im Fernsehen untersucht wird. Am anderen Ende des Spektrums befindet sich der menschenscheue Einsiedler, der sich kaum mit anderen abgibt, der all seine Rechnungen mit Bargeld bezahlt und auf den Straßen von niemandem erkannt wird. Er hinterläßt wenig Spuren, macht aber auch keinen Gebrauch von den Annehmlichkeiten der Gesellschaft. (S. 61)

Ich bin nicht so besorgt. Heute sind wir gegen diese Art von Datenabgleich durch Tiefe Inkompatibilität zwischen den verschiedenen Computersystemen geschützt. Es ist verdammt schwierig, Informationen von multiplen Quellen auf einen Nenner zu bringen, weil die Datenbanken auf bizarre Weise organisiert sind. Da Datenstukturen generell schwer zu durchschauen sind, erfordern Quervergleiche Programmierkenntnisse. (S. 62)

Ich vermute daher, daß es dem Großen Bruder nicht leicht fallen wird, uns aufzuspüren. Viele wichtige Computer werden auf ewig außerhalb des Netzes bleiben. Die meisten haben so verrückte Datenstrukturen, das es einfach die Mühe nicht lohnt, sie mit anderen Basen abzustimmen. Und das System ist mit unzuverlässigen Daten durchsetzt. Wie bisher wird unsere Privatsphäre ganz einfach durch das Unbekannte geschützt und durch die hohen Kosten der Informationsbeschaffung. (S.63)

Kritik: Eine kleine Monographie

Was die soziologischen Kritikpunkte Stolls betrifft, gehe ich weitgehend konform mit ihm. Von allen großen

Innovationen in der Kommunikationstechnik der Menschheit hat vielleicht nur Gutenbergs Buchdruckerkunst einen wirklichen Schritt zu mehr Aufklärung der Massen bedeutet. Über das geschriebene Wort ist der Mensch nicht so leicht zu manipulieren. Allein die einfache Herstellung gedruckter Medien garantiert, daß eine Vielfalt von Meinungen nicht so leicht einzudämmen ist.

Aber schon mit der Einführung des Radios zeigte sich, daß High-Tech-Medien in diesem Sinne weitaus gefährlicher sind. Die Staatssender der 20er und 30er Jahre waren fast ausschließlich einseitige, nationalistische Propagandaprogramme, die zum Erhalt bestehender Machtsrukturen eingesetzt wurden. Herausragendes Beispiel dieser Entwicklung war der "Volksempfänger" der deutschen Nationalsozialisten.

Mit dem Aufkommen des Fernsehens in den prosperierenden Staaten der westlichen Welt in der Kriegs- und Nachkriegszeit wurde die Politpropaganda des Radios durch eine Konsumpropaganda abgelöst. Das Fernsehen als wichtigstes Werbemedium förderte von nun an den Konsum der Massen als systemerhaltendes Moment der Wirtschaftsdemokratien. Da das Fernsehen selbst ein Produkt ist, das Konsum nicht nur fördern sollte, sondern auch selbst den Gesetzen des abstzorientierten Marktes unterworfen ist, ist es stets darum bemüht, Bedürfnissen gerecht zu werden, um ein Maximum an Zuschauern an sich zu binden. So hat das Fernsehen sich den Wünschen seiner Zuschauer so weit angepaßt, daß es vielen Menschen als ausschließliches Kontaktmedium zu ihrer Außenwelt genügt. Der ständig zunehmende Konsum von Fernsehen hat jedoch gravierende Auswirkungen auf das soziale Verhalten der Menschen in den modernen Gesellschaften. Direkte Kontakte zu Mitmenschen nehmen natürlich in dem Maße ab, wie Zeit vor der Glotze verbracht wird. Soziologen sehen in dieser Entwicklung die Ursache für die Tendenz, daß der moderne Mensch zunehmend weniger in der Lage ist, soziale Alltagskonflikte zu bewältigen.

Wenn das Fernsehen Menschen schon so stark an sich binden kann, was vermag dann erst der Computer zu leisten? Der Computer von morgen wird nicht nur alle Medien von heute in mindestens ebenso guter Qualität in sich vereinigen, er wird auch interaktiv sein. Der Konsument von gestern wird als der User von morgen nicht mehr aus einer begrenzten Anzahl vorgefertigter Formate auswählen, sonder er wird die Formate und damit auch ihre Inhalte selbst bestimmen. Wird er heute noch gezwungen, bestimmte Dinge zur Kenntnis zu nehmen, die ihm vorgeführt werden, so wird er in Zukunft sein Programm so zusammenstellen, daß er nicht mehr Gefahr läuft, in Widerspruch zu den Inhalten zu geraten. Die Folge: jegliche Form der Konfliktverarbeitung mit der Umwelt bleibt aus. Ich bezweifele, daß die Menschen dadurch glücklicher werden. Aber die dem Menschen eigene Trägheit wird ihn unweigerlich in diese Richtung führen!

Stolls Einwände technischer Natur jedoch habe ich als wenig tragend empfunden. Sie mögen für den Moment zweifelsfrei richtig sein, aber er diskutiert ja nicht nur den Wert des Internet von gestern und heute, sondern vor allen Dingen seine zukünftige Bedeutung. Da ich überzeugt davon bin, daß sich die globalen Entwicklungen dieses Mediums noch in den Anfängen befinden, bin ich mir sicher, daß es sich nur noch um relativ kurze Zeit handeln wird bis Probleme wie die geringen Bandbreiten oder mangelnde Sicherheit bei der Transferierung von Geldmitteln gelöst sind. Auch vor einer Kontrolle durch den "Großen Bruder" habe ich so lange keine Angst, wie das Netz einigermaßen unabhängig bleibt und nicht in totalitäre Hände Gerät. Überwachungsstaaten von der Art des Dritten Reichs hätten allerdings ein Medium in der Hand, das gegenüber den Karteikarten- und Aktensysteme von früher ein Quantensprung in eine Zukunft à la Orwell wäre.

Ein bißchen habe ich mich während der Lektüre des Buches nie des Eindrucks erwehren können, das bei allen kritischen Betrachtungen auch immer ein Hauch von Nostalgie und Bedauern mitschwang, daß das Internet nicht mehr die Intime Gemeinde von früher ist, sondern ein sich zunehmend kommerzialisierendes Medium. "Oh mein geliebtes kleines Netz, an meiner Brust bist Du groß geworden, und zu was für einem Monster bist Du herangewachsen", ist ein Satz, den ich im Buch vermißt habe, obwohl er fast überall zwischen den Zueilen zu lesen ist.

Nichtsdestotrotz ist es ein gut zu lesendes, amüsantes Buch, das viele bedenkenswerte Aspekte des sich entwickelnden Internetzes behandelt. Und angenehmerweise versucht Clifford Stoll nie, es als etwas anderes aussehen zu lassen, als es ist: das etwas lang geratene Essay eines alten Netz-Hasen, der sich kritisch mit seinem Medium auseinandersetzt.