Caesars politische Anfänge. Vom Amt des Flamen Dialis bis zu seinem Kriegstribunat (72 v. Chr.)
von Stephen B. Aranha

Hausarbeit für das Hauptseminar 13250, WS 1999/2000
"Caesar und die Krise der späten Römischen Republik"
an der Freien Universität Berlin, FB Geschichtswiss.
Dozent: Univ.-Prof. Dr. V. Fadinger

Berlin, den 1. Februar 2000



Inhaltsverzeichnis
            1. Einleitung
            2. Der Gegensatz zwischen Optimaten und Popularen
            3. Marius und Cinna - Sulla
            4. Die Bestimmung zum flamen dialis und ihre Folgen
            5. Der "Nachwuchspolitiker"
            6. Caesars erfolgreiche Rückkehr in die römische Politik
            7. Abschließende Bewertung
            8. Bibliographie
            9. Fußnoten

Einleitung
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Als Gaius Iulius Caesar im Jahre 87 v. Chr. zum ersten Mal die politische Bühne betrat, befand sich Rom schon seit über vierzig Jahren in einer nicht enden wollenden Krise, die durch den Gegensatz von Optimaten und Popularen gekennzeichnet war. Dieser Gegensatz und dessen Geschichte werden Bestandteil des nächsten Kapitels sein.

Als Caesar 87 v. Chr. die politische Bühne betrat, fand er sich ohne Alternative im Lager der Popularen wieder, denn die zwei seiner Verwandten, die politisch von Bedeutung waren, nämlich Marius und Cinna, waren zu jener Zeit die Anführer der popularen Partei. Daher wird sich das dritte Kapitel mit Marius und Cinna so wie ihrem optimatischen Widersacher Sulla, der der kommende starke Mann Roms sein sollte, und der für Caesars weiteres Leben eine große Bedeutung besaß, beschäftigen.

Im vierten Kapitel werde ich dann auf Caesars Part im Jahre 87 zu sprechen kommen, als er zum künftigen flamen dialis bestimmt wurde. Nachdem dann aber die Dinge einen anderen Lauf nahmen, und Sulla die Macht in Rom übernahm, sollte Caesars noch junge Karriere ihren ersten Knick erfahren, so dass er sich für einige Zeit aus Italien entfernte.

Das fünfte Kapitel beschäftigt sich dann mit einem erneuten Anlauf Caesars im Jahre 77 v. Chr., eine politische Karriere in der Stadt Rom zu beginnen. Er versucht sich als Ankläger vor Gericht. Und wieder erscheint es ihm danach günstig, sich aus dem Blickfeld der politischen Klasse zu entfernen.

Etwa im Jahre 73 v. Chr. dann gelingt es Caesar nach seiner erneuten Rückkehr, in sein erstes Amt gewählt zu werden. Er wird Kriegstribun. Dieser Zeit wird sich das sechste Kapitel widmen.

Abschließend möchte ich dann zusammenfassend hervorheben, wie der junge Caesar in dem vergifteten Klima zwischen Optimaten und Popularen bzw. Sullanern und Marianern/Cinnanern als Politiker sich zu bewegen lernte, inwieweit er unter diesem Gegensatz litt, inwieweit er ihn sich zu Nutze machte, inwieweit dieser Gegensatz ihn vielleicht gar nicht berührte.

Neben der reichlich vorhandenen modernen Forschungsliteratur stütze ich mich vor allem auf zwei antike Quellen: Zum einen auf Plutarchs Caesarbeschreibung in seinen vitae parallelae, zum anderen auf Suetons Darstellung in dessen de vita Caesarum. Zu beiden Autoren sind noch einige Anmerkungen nötig, bevor ich dann mit dem Hauptteil dieser Arbeit beginne.

Plutarch wurde ca. 45 n. Chr. in Griechenland geboren. Er hat Italien und Rom mehrfach besucht, so dass er für seine Caesarbiographie dort recherchieren konnte. Dabei hat es ihm sicherlich geholfen, in Rom sehr einflussreiche Freunde gehabt zu haben, auch wenn diese persönlichen Beziehungen vielleicht seine Sicht und Darstellung der Dinge beeinflusst haben. Plutarchs genaues Todesjahr ist nicht bekannt, aber es war nach 120.

Als römischer Bürger nahm er den Namen Mestrius Plutarchos an nach seinem Freund M. Mestrius Florus. Mestrius Florus wiederum war ein Freund Vespasians. Ein anderer römischer Freund Plutarchs war Q. Sosius Senecio, der ein Vertrauter Traians war, dreimal das Konsulat bekleidete und sich in den Dakerkriegen einen Namen als Feldherr machte. Diesem Sosius Senecio hat Plutarch seine vitae parallelae gewidmet. Ihr erklärtes Ziel war es, der Politik der Kaiser "Griechen und Römer als gleichwertige Träger des Imperium Romanum einander noch näherzubringen"[1] ein literarisches Propagandainstrument zu schaffen. Es ging Plutarch weniger "um die Schilderung von Taten und Ereignissen ... sondern um die Zeichnung des Charakters."[2] Dies muss bei der Auswertung dieser Quelle berücksichtigt werden.

C. Suetonius Tranquillus wurde um 70 n. Chr. in Italien geboren. Seine Familie gehörte zum Ritterstand. Durch gute Beziehungen trat er um 114 unter Traian in kaiserliche Dienste, wurde aber 121 entlassen. Fortan bot er privat Lehrdienste an. Sein Todesjahr ist unbekannt.

In Suetons Biographie fehlen leider die ersten sechzehn Jahre von Caesars Leben - allerdings fängt Plutarch mit seiner Darstellung auch nicht früher an. Sueton verfolgte mit seinen Kaiserbiographien wohl auch weniger historische Ziele; vielmehr wollte er unterhalten: "So erklären sich einerseits das Fehlen jegl. Tendenz oder Geschichtsauffassung, andererseits die Faktenfreudigkeit und die Vorliebe für Anekdoten, Klatsch und allzumenschl. Züge."[3] Aber in gewisser Weise liegt gerade hier ihre Stärke, ermöglichen sie uns doch so den Blick aus einer neuen Perspektive.


Der Gegensatz zwischen Optimaten und Popularen
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Die Bezeichnung von Popularen und Optimaten als Parteien ist irreführend, bezeichnen diese Begriffe doch primär eher einen Politikstil als ein politisches Programm. Erst als Folge dieses Stils hat sich im Laufe der Zeit auch eine Programmatik entwickelt, die Politiker dieser Klassierungen gemeinsam haben.

Es mag zwar weit ausgeholt erscheinen, bei den Gracchen anzufangen, um die Anfänge von Caesars politischer Laufbahn zu betrachten, schließlich liegen fast 40 Jahre dazwischen, dennoch wird hier die Bedeutung des Begriffes "Populare" - und als Gegenpart "Optimaten" - am besten deutlich, obwohl es auch vorher schon Politiker gab, die uns als Populare überliefert sind.[4] Ich werde aber nicht die Geschichte der Gracchen erzählen, die Literatur ist reichlich, ich werde Tiberius Sempronius Gracchus als Modell für einen Popularen nehmen.

133 v. Chr. wollte Tiberius Gracchus als Volkstribun ein Ackergesetz in der Volksversammlung beschließen lassen. Aus diesem einfachen Satz kann man fast schon den Kern popularer Politik herausfiltern. Der neue Ansatz der Popularen war es, Politik über das Amt des Volkstribunats und über die Volksversammlung zu machen. Dies war nicht revolutionär. Die römische Verfassung sah dies durchaus so vor. Neu war hier jedoch, dass fortan die Volksversammlung von den Popularen zum eigentlichen Mittelpunkt des politischen Systems ausgebaut wurde. Der Grund für diese Verlagerung ist aber nicht in einer politischen Überzeugung verankert, sondern darin zu suchen, dass der Senat Tiberius Gracchus durch Nichtratifizierung des Vertrages von Numantia verprellte, dieser nun aus persönlichen Gründen auf Oppositionskurs ging.[5]

Politik wurde also nicht nur mit der Volksversammlung gemacht, sondern auch am Senat und den Konsuln vorbei. Der zweite Aspekt popularer Politik verbirgt sich hinter dem Ackergesetz. Auch dieses war durchaus nicht revolutionär, obwohl der Widerstand, der sich unter den Großgrundbesitzern im Senat formierte, Tiberius Gracchus zum Sturz bringen sollte. Das Gesetz war bei der breiten Masse in der Volksversammlung populär, und das ist der entscheidende Punkt.

Später sollten populare Politiker immer wieder versuchen, auf popularem Weg - also als bzw. mit einem Volkstribunen über die Volksversammlung - ihre jeweiligen Ziele zu verfolgen. Diese mussten nicht immer wie das Ackergesetz des Tiberius Gracchus auch an sich populär gewesen sein. Um aber die Volksversammlung auf ihre Seite zu ziehen, brachten diese Politiker dann auch immer wieder populäre Gesetze ein, die mit ihrem eigentlichen Anliegen nicht unbedingt verbunden sein mussten. Neben Ackergesetzen nach Art der Gracchen waren andere beliebte Vorschläge, um die Volksversammlung zu gewinnen, z. B. Gesetze zur Abgabe verbilligten Getreides an die Armen unter Roms Bevölkerung.

Im Gegensatz zu den Popularen wollten die Optimaten Politik weiterhin so ablaufen lassen wie bisher, politisches Zentrum Roms sollte der Senat bleiben. Sie waren aber nicht unbedingt "die Konservativen" - Tiberius Gracchus verfolgte mit seiner Ackergesetzgebung selber konservative, restaurative Ziele.

Das Ende des Tiberius Gracchus kam gewaltsam. Die Optimaten wandten die Gewalt aber nicht in erster Linie gegen den Popularen Politiker an, sondern gegen den populären Volkstribunen, der, um seine Ziele durchzusetzen, sich letztendlich gezwungen sah, die römische Verfassung zu brechen. Und hierin liegt der tiefe Gegensatz zwischen Optimaten und Popularen begründet, der die Republik auf ihrem weiteren Weg ins Grab begleiten sollte. Man könnte meinen, die Verfassungsverstöße der Gracchen würden den Einsatz von Gewalt - wenn auch in geringerem Ausmaß - rechtfertigen, beim einfachen Volk aber waren die Sympathien anders verteilt.

Zehn Jahre später unternahm Gaius Sempronius Gracchus ganz im Sinne seines Bruders einen neuen Anlauf als popularer Politiker. Auch er sollte scheitern. Und wieder kam es zu Gewalt. Erstmals in der Geschichte, griff der Senat zum senatus consultum ultimum (SCU), erklärte Gaius Gracchus zum hostis, was, da es ihm seine Bürgerrechte aberkannte, einer offenen Kriegserklärung gleichkam. Der Form nach war dieses SCU zwar verfassungskonform, tatsächlich aber war es eine Waffe der Optimaten im Kampf gegen die Popularen. Seit den Gracchen ist in der Römischen Republik also der Gegensatz zwischen Optimaten und Popularen manifestiert. Und seit den Gracchen haben die Römer ein neues politisches Werkzeug entdeckt: Gewalt. Beides sollte das letzte Jahrhundert der Republik kennzeichnen.


Marius und Cinna - Sulla
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Der nächste große Populare nach den Gracchen sollte C. Marius werden. Seine Laufbahn wurde von Sulla begleitet, der erst unter Marius als Legat diente, später dessen mächtigster optimatischer Gegenspieler war.

Marius' Aufstieg begann mit dem Krieg gegen den Numiderkönig Jugurtha. Der glanzvolle Höhepunkt seiner Karriere war seine erfolgreiche Kriegführung gegen die Kimbern, Teutonen und Ambronen. Marius war aber in erster Linie ein Militär, er hat es nie geschafft, sich erfolgreich als Politiker in Rom durchzusetzen. Er hatte dem Volkstribunen Tiberius Appuleius Saturninus, der vermeintlich Marius' Interessen in der Volksversammlung vertrat, politisch nichts entgegenzusetzen, als Saturninus die Stadt mit Gewalt überzog. Es blieb ihm nichts weiteres übrig, als das gegen Saturninus erlassene SCU durchzusetzen. Saturninus ergab sich Marius, der es nicht schaffte, ihn vor einem Lynchmob zu beschützen. Derart im Ansehen beschädigt, wurde es eine Weile stiller um Marius.

Die größte Wirkung von Marius' militärpolitischen Maßnahmen hatte ohne Zweifel seine Heeresreform. Von nun an konnten römische Feldherren auch besitzlose Bürger rekrutieren, die Ausrüstung wurde ihnen gestellt. Vorbei waren die Zeiten, da ein Heer aus römischen Besitzbürgern gebildet wurde, die ihre eigene Ausrüstung bezahlten - es gab ihrer einfach nicht mehr genug. Die militärischen Aufgaben waren mit Roms Aufstieg so groß geworden, dass die alte Heeresverfassung nicht mehr zeitgemäß war.

Nach abgeleistetem Militärdienst war nun der Feldherr persönlich für die Versorgung seiner Veteranen verantwortlich. Und genau dieser Umstand drängte Marius in das populare Lager. Die Gracchen wollten den Besitzlosen Land zuteilen, damit sie dienen konnten, Marius ließ sie dienen, und musste ihnen danach Land zuteilen. Von nun an waren Soldaten aber wesentlich enger mit ihrem jeweiligen Feldherren verbunden als mit dem römischen Staat. Es sollte nicht lange dauern, bis dies überdeutlich sichtbar wurde.

Erst im Bundesgenossenkrieg seit 91 v. Chr. trat Marius wieder historisch in Erscheinung. Und obwohl Marius als Legat wieder militärisches Geschick unter Beweis stellte, empfahl sich dem römischen Volk und besonders dem Senat in diesem Krieg auch ein weiterer Legat für zukünftige Aufgaben: L. Cornelius Sulla.

Mit Sulla verfügte der Senat nun in Krisensituationen über eine Alternative zu Marius. Und der Senat hielt Sulla für die bessere Alternative, denn Sulla war ein erklärter Optimat und entstammte außerdem einer patrizischen Familie, während Marius nicht nur Popularer war sondern auch ein homo novus, ein Emporkömmling.

Nach dem Bundesgenossenkrieg sorgte im Osten Mithridates nicht nur für außenpolitische Unruhe. Die inner-römische Auseinandersetzung um das Oberkommando in diesem Krieg zwischen Marius und Sulla wurde militärisch gelöst. Nachdem zur Zeit der Gracchen also die relativ spontane Gewalt eines Individuums bzw. eines Mobs ihre Premiere in der römischen Politik feierte, erreichte die Krise nun eine neue Qualität. Mit einem regulären römischen Heer marschierte ein regulärer römischer Konsul auf die Stadt Rom, um mit dieser militärischen Macht seine Ziele durchzusetzen.

Marius hatte sich, nachdem Sulla schon außerhalb Roms bei seinen Truppen weilte, um die Abfahrt nach Osten vorzubereiten, mit dem Volkstribunen P. Sulpicius Rufus verbündet. In der Volksversammlung ließen sie Sulla den Oberbefehl aberkennen und ihn auf Marius übertragen. Hier sollte sich an Marius und seinen Verbündeten die Auswirkungen von Marius' eigener Heeresreform rächen. Sullas Truppen waren nun eben Sullas Truppen und nicht länger Roms Truppen. Sulla konnte nun mit ihnen ohne größeren Widerstand die Stadt einnehmen und die Beschlüsse der Marianer rückgängig machen lassen. Marius floh. Sulla ließ die Marianer als hostes publici ächten, die Gesetze des Sulpicius aufheben und traf Vorkehrungen, die nicht nur während seiner Abwesenheit populare Reformen verhindern sollten. Die Konsuln des folgenden Jahres - neben dem Optimaten Gnaeus Octavius der Populare Lucius Cornelius Cinna - ließ er einen Eid auf seine Regelungen schwören.

Als Sulla im Osten gegen Mithridates Krieg führte, konnte nun Marius mit einem privat ausgehobenen Heer und Unterstützung durch Cinna seinerseits Rom einnehmen. Es versteht sich von selbst, dass auch eine Aufhebung der Ächtung erreicht wurde. Die nun folgende sogenannte dominatio Cinnae bildet den Zeitraum, in der Caesar erstmals die Bühne der römischen Politik betrat.


Die Bestimmung zum flamen dialis und ihre Folgen
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In seinem sechzehnten Lebensjahr verlor Caesar seinen Vater. Das Jahr darauf wurde er zum Priester des Iuppiter ernannt. Fast noch als Knabe war er mit Cossutia, einem Mädchen aus ritterlicher, aber sehr vermögender Familie, verlobt worden; doch heiratete er, nachdem er diese Verbindung gelöst hatte, Cornelia, die Tochter des viermaligen Konsuls Cinna, ...[6]
Mit diesen Worten beginnt der uns überlieferte Teil der Darstellung Suetons von Caesars Leben. Vorherrschend wird der 12. oder 13. Juli 100 v. Chr. als Caesars Geburtsdatum angenommen, was bedeutet, dass wir uns hier wohl im Jahre 84 befinden.[7]

Bevor wir uns mit dem Amt des flamen dialis beschäftigen, seien noch ein paar Worte zu den hier erwähnten Familienbindungen gesagt: Caesars Vater war Praetorier, hatte es also nie zum Konsulat geschafft. Dies gilt ebenso für alle direkten Vorfahren. Die Iulier gehörten zwar dem Patriziat an, also dem alten Geburtsadel, aber nicht der Nobilität, dem neueren und einflussreichen Amtsadel. Dennoch hatte die Familie zu dieser Zeit verwandtschaftliche Beziehungen, die hoffen ließen.

Die Schwester von Caesars Vater war mit Marius verheiratet, der folglich sein Onkel war. Marius war zwar kein Patrizier sondern ein homo novus, aber er gehörte, nachdem er mehrfach das Konsulat bekleidet hatte, zur Nobilität, und was in diesen Jahren wohl noch wichtiger war: Marius war im Moment einer der zwei mächtigsten Personen in Rom. Die andere mächtige Person war Marius' Verbündeter Cinna, zu dem Caesar noch keine verwandtschaftliche Bindung hatte.

Nach der Vertreibung des Konsuls Cinna hatte der amtierende flamen dialis Lucius Cornelius Merula die Nachfolge im Konsulat angetreten. Aus wohl berechtigter Angst vor Cinnas Rache, beging er kurz vor dessen Rückkehr mit Marius Selbstmord, so dass dieses Priesteramt vakant war, und die neuen Machthaber einen Nachfolger suchen mussten.

Die Wahl fiel auf den jungen Caesar. Der Kandidat musste jedoch einige Bedingungen erfüllen. Er musste Patrizier sein und mit einer Patrizierin verheiratet sein. Daher löste er die Verlobung mit der wohlhabenden Ritterstochter und heiratete Cinnas Tochter Cornelia. Nach den alten römischen Regeln hätte der flamen dialis eigentlich nicht nur mit einer Patrizierin verheiratet sein müssen, er hätte auch in einer confarreierten Ehe leben müssen, d. h. bei der Hochzeit hätten der amtierende flamen dialis und der amtierende pontifex maximus anwesend sein müssen. Da es aber erstens keinen amtierenden flamen dialis gab, und zweitens die Aufweichung gewisser althergebrachter Regeln für die Krise der Römischen Republik geradezu symptomatisch ist, kann man davon ausgehen, dass dies keinen gravierenden Makel bedeutete.

Neben diesen Bestimmungen war dieses Priesteramt noch mit vielen anderen Einschränkungen versehen. Der flamen dialis musste immer eine bestimmte Tracht, nämlich die toga praetexta und eine weiße Kappe, tragen, und er durfte ursprünglich keine politischen Ämter bekleiden; allerdings ist schon für das Jahr 200 v. Chr. ein flamen dialis als kurulischer Ädil überliefert[8], der letzte Amtsinhaber war sogar Konsul (s. o.). Außerdem durfte er kein Pferd besteigen, kein Heer in Waffen sehen[9], keinen Eid schwören, keine Leichen sehen[10], und nur sehr kurze Zeit von Rom abwesend sein.[11] Selbst wenn der Priester inzwischen also die Ämterlaufbahn beschreiten konnte, konnte er sich keine Hoffnungen machen, durch große militärische Kommanden zu Ruhm und Reichtum zu gelangen. Gelzer ist sich zwar sicher, dass "er sich zunächst darüber keine Skrupeln (machte), und später ... gewiß einen Weg gefunden (hätte), sich darüber hinwegzusetzen"[12], doch lässt dies einige Aspekte dieser Designation außer Acht: Caesar war zum Zeitpunkt der Bestimmung wahrscheinlich erst dreizehn Jahre alt, denn es wird angenommen, dass er schon 87, nachdem L. Cornelius Merula Selbstmord begangen hatte, für das Amt vorgemerkt wurde; 84 - das von Sueton erwähnte Datum - gilt für die Hochzeit mit Cornelia. Und im Alter von dreizehn Jahren dürfte es dem Sohn einer ehrgeizigen Patrizierfamilie recht schwergefallen sein, dem berühmten Onkel Marius, dessen mächtigen Freund Cinna und der eigenen Familie zu widersprechen. Denn trotz aller Einschränkungen versprach das Amt auch außergewöhnliches Prestige.

83/82 v. Chr. kommt es zum Bürgerkrieg. Der Sohn des Marius, Caesars Vetter, bekleidete zu dieser Zeit das Konsulat. Im Gegensatz dazu trat Caesar politisch nicht in Erscheinung - möglicherweise aus Rücksicht auf das zukünftige Priesteramt. Als Sulla aber den Bürgerkrieg für sich gewinnen konnte, war in Rom die Zeit der Popularen um Cinna vorbei. Auch für Caesars Karriere konnte dies das Aus bedeuten:

Als sich nun Sulla zum Herrn von Rom emporgeschwungen hatte, wollte er sie von ihrem Gatten wegreißen, kam aber weder mit Versprechungen noch mit Drohungen ans Ziel; da ließ er ihre Mitgift für den Staat einziehen. Sullas Haß gegen Caesar gründete in dessen Verwandtschaft mit Marius; denn Julia, die Schwester von Caesars Vater, war des älteren Marius Gattin gewesen, ihr Sohn, der jüngere Marius, somit Caesars Vetter. Über der blutigen Jagd nach den Proskribierten und seiner sonstigen Tätigkeit hatte Sulla anfänglich Caesar ganz übersehen. Dieser hätte Grund gehabt, damit zufrieden zu sein, aber nein: er trat vor das Volk und bewarb sich, kaum erwachsen, um ein Priesteramt. Jetzt griff Sulla ein und sorgte dafür, daß er durchfiel, ja er dachte daran, ihn zu beseitigen. Und als man ihm vorhielt, wie sinnlos es sei, einen Knaben in solchem Alter zu töten, erwiderte er, nur ein Tor könne übersehen, daß in diesem Knaben mehr als ein Marius stecke. Als Caesar von dieser Äußerung Kunde bekam, verschwand er aus Rom und irrte lange Zeit im Sabinerland umher. Eines Nachts, da er sich, schon völlig entkräftet, in ein anderes Haus tragen ließ, fiel er einigen Soldaten Sullas in die Hände, welche jene Gegend durchsuchten, um versteckte Flüchtlinge aufzugreifen. Nachdem er Cornelius, den Führer der Streife, bestochen und sich um zwei Talente die Freiheit erwirkt hatte, ... [13]
Obwohl Caesar wissen musste, dass die Weigerung, der Aufforderung des Diktators nachzukommen, ihn nicht nur politisch töten konnte, blieb er seiner Position treu. Dabei hätte eine Scheidung für Caesar wahrscheinlich wirklich keine negativen Konsequenzen gehabt. Ehen wurden in der römischen Oberschicht immer aus handfesten Motiven geschlossen: Man versuchte entweder den Familienwohlstand oder aber den politischen Einfluss zu vergrößern, im optimalen Falle beides. Daher wurden Ehen früh geschlossen, oft geschieden, wenn sich neue Möglichkeiten auftaten.

Man könnte vermuten, dass Caesar schon um 81 zu sehr im popularen Lager verwurzelt war, um diese Offerte der Optimaten anzunehmen, man könnte aber auch Jehne folgen, der vermutet, dass er die Ehe mit Cornelia aus zwei Gründen aufrechterhielt, "die mit Cornelia eigentlich gar nichts zu tun hatten: Ein adelsstolzer nobilis ließ sich gefälligst keine Anweisungen geben, und ein Patron stand verläßlich zu seinen Freunden und Abhängigen."[14] Auf den ersten Blick mag dies verblüffen, hatte doch Caesar noch vor wenigen Jahren bereitwillig die Verlobung mit Cossutia gelöst, um Cornelia zu heiraten, doch muss man sich erinnern, dass damals die Pläne im eigenen Lager geschmiedet wurden. Außerdem scheint die Verbindung zwischen Cornelia und Caesar nicht nur politisch sondern auch menschlich funktioniert zu haben.

Was Sullas legendär gewordene Warnung angeht, dass Caesar mehr als nur ein Marius sei, so erzählt Sueton dieses Detail anders als Plutarch. Während Plutarch davon ausgeht, diese Worte seien gefallen, als Sulla eine Begnadigung Caesars ablehnte, überliefert Sueton sie gerade im Zusammenhang mit der Begnadigung - "Ihr werdet schon noch sehen, was ihr davon habt!"

... bis er endlich durch Fürsprache der Vestalischen Jungfrauen und seiner Freunde, und Verwandten, Mamercus Aemilius und Aurelius Cotta, begnadigt wurde. Es ist allgemein bekannt, daß Sulla, nachdem er eine Zeitlang den Bitten dieser ihm sehr befreundeten und auch sonst sehr angesehenen Männer kein Gehör geschenkt hatte, auf deren unentwegtes Drängen hin endlich nachgab und - sei es durch göttliche Eingebung oder in irgendeiner richtigen Vorahnung - ausrief: sie sollten nur ihren Willen haben und Caesar behalten, aber auch wissen, daß der, dessen Wohlergehen ihnen so sehr am Herzen liege, einmal den Untergang der Adelspartei, deren Interessen sie mit ihm gemeinsam verteidigt hatten, herbeiführen werde; denn in Caesar stecke mehr als ein Marius.[15]
Interessant ist auch die Erwähnung der Leute, die sich bei Sulla für Caesar eingesetzt haben: Mamercus Aemilius Lepidus und C. Aurelius Cotta. Beide Namen werden uns später wieder begegnen.

Trotz erfolgter Begnadigung durch den Diktator - ob Caesars Name je auf den Proskriptionslisten stand ist, nicht bezeugt, es gilt aber als unwahrscheinlich - zog er sich für einige Zeit aus Rom zurück. 80 v. Chr. begann er seinen Kriegsdienst in Kleinasien. Für einen politisch ehrgeizigen jungen Römer war der Kriegsdienst ohnehin Pflicht, da schien die Zeit günstig, konnte er in der stadtrömischen Politik momentan doch nicht auf Erfolge hoffen: Das Amt des flamen dialis durfte er nicht bekleiden - es sollte übrigens die restliche Zeit der Römischen Republik vakant bleiben. Erst unter Augustus wurde es neu besetzt.

In Kleinasien leistete er seinen ersten Kriegsdienst im Stab des Prätors Marcus Thermus, von dem er nach Bithynien geschickt wurde, um die Flotte zu holen. Er blieb dort längere Zeit, bei Nikomedes (dem König dieses Landes), so daß das Gerücht umging, er habe sich mit diesem in ungebührliche Beziehungen eingelassen. Dadurch, daß er wenige Tage nach seiner Rückkehr wiederum nach Bithynien ging, angeblich um für einen seiner Klienten, einen Freigelassenen, eine Geldschuld einzutreiben, erhielt dieses Gerücht weitere Nahrung. Der Rest dieser Dienstzeit stand unter einem günstigeren Stern; und er wurde von Thermus bei der Eroberung von Mytilene sogar mit der Bürgerkrone ausgezeichnet.[16]
Der Prätor M. Thermus war überzeugter Sullaner. Dennoch wurde der Populare Caesar unter ihm offenbar nicht nur mit wichtigen Aufgaben betraut, er wurde sogar mit der corona civica ausgezeichnet. Diese ehrenvolle Auszeichnung stand nur römischen Bürgern zu, die im Kampf unter Einsatz ihres eigenen Lebens einem Kameraden, der ebenfalls römischer Bürger war, das Leben gerettet hatten.[17] Dies lässt zwei Schlüsse zu. Erstens war Caesar trotz allen Widerstandes geschickt genug, sich mit den Sullanern so gut wie nötig zu stellen, um eine Laufbahn verfolgen zu können, und zweitens scheint er ob seiner Auszeichnung und der Aufgaben, die ihm anvertraut wurden, so begabt gewesen zu sein, dass auch ein sullanischer Praetor an ihm nicht vorbeikam.

Bei Plutarch wird diese Zeit in einem einzigen Satz abgehandelt, der nichts über Militärdienst oder corona civica aussagt, aber ausgerechnet den Namen Nikomedes erwähnt:

Er fuhr zu Nikomedes, dem König von Bithynien, wo er für kurze Zeit Aufenthalt nahm.[18]
Das von Sueton erwähnte Gerücht, Caesar habe mit Nikomedes eine homosexuelle Beziehung gehabt, hat Caesar zeitlebens abgestritten. Dennoch hielt es sich hartnäckig, so dass auch andere Quellen uns noch davon berichten. Sogar Caesars eigene Soldaten sollen beim gallischen Triumphzug davon gesungen haben:
Caesar unterwarf ganz Gallien, Nikomedes Caesar einst.
Sieh, Triumphzug feiert Caesar, der ganz Gallien unterwarf,
Nikomedes triumphiert nicht, der den Caesar unterwarf.
[19]
Der Dienstzeit in Asien schloss sich 78 v. Chr. ein weiterer Militärdienst in Kilikien an. Dort erreichte ihn dann auch die Nachricht vom Tode Sullas.
Der "Nachwuchspolitiker"
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Caesar diente auch unter Servilius Isauricus in Kilikien, allerdings nur kurze Zeit. Denn auf die Nachricht vom Tode Sullas ging er in der Hoffnung auf neue Wirren, deren Urheber Marcus Lepidus war, eilends nach Rom zurück. Trotzdem Lepidus durch glänzende Angebote ihn zu gewinnen suchte, schloß er sich diesem dann nicht an, da er dessen Fähigkeiten sowie der allgemeinen Lage mißtraute, die ihm weniger günstig schien, als er gehofft hatte.[20]
Dieses Mal ist Caesars Zurückhaltung sicher nicht mit der Rücksicht auf ein eventuelles Priesteramt zu erklären. Suetons Darstellung lässt auf politischen Instinkt schließen, eine Einschätzung der sich auch Gelzer anschließt: "Aber der bisherige Sullaner Marcus Aemilius Lepidus, der damalige Consul, als Haupt dieser Bewegung flößte ihm kein Vertrauen ein, so dringend dieser ihn auch zur Teilnahme aufforderte, und so blieb er auch von deren gänzlichem Fehlschlagen unberührt."[21] Wie schon im Bürgerkrieg gegen Sulla sollte aber auch diesmal ein enger Verwandter Caesars aktiv an den neuen Wirren teilhaben: sein Schwager L. Cornelius Cinna.[22]

Als der Senat die Lage wieder im Griff hatte - wieder wurde ein SCU erlassen -, entschloss sich Caesar, mit konventionellen Mitteln seine Karriere weiter zu betreiben. Er schlug den gleichen Weg ein, wie viele Nachwuchspolitiker vor ihm, er wurde Anwalt und trat als Prozessredner auf:

Nach Rom zurückgekehrt, reichte er gegen Dolabella Klage ein wegen Mißhandlung seiner Provinz, und viele griechische Städte waren bereit, für ihn zu zeugen. Allerdings wurde Dolabella freigesprochen, Caesar aber wollte die Freundlichkeit der Griechen nicht unvergolten lassen und trat für sie ein im Bestechungsprozeß, den sie gegen Publius Antonius vor Marcus Lucullus, dem Praetor Makedoniens, führten. Er hatte solchen Erfolg, daß Antonius an die Volkstribunen in Rom appellierte unter dem Vorwand, er könne - in Griechenland gegen Griechen - keinen unparteiischen Richterspruch erlangen.[23]
Diese Prozessführung war für junge, ehrgeizige Politiker eine gute Möglichkeit sich vor der stadtrömischen Öffentlichkeit - sowohl vor der politischen Elite als auch vor dem Wahlvolk - zu profilieren. Bei dieser Gelegenheit konnten sie ihre Sorge um das Gemeinwohl, ihren Mut und besonders ihre rhetorischen Fähigkeiten unter Beweis stellen und sich so für zukünftige Aufgaben empfehlen.

Caesar verlor beide Prozesse, wobei zumindest bei dem zweiten gegen Antonius (76 v. Chr.) deutlich wurde, dass einiges im römischen Justizsystem im Argen lag. Aber gerade so begründet Jehne seine Einschätzung, die Caesars Prozesstätigkeit als Erfolg wertet: "... der Prozeß war ein voller Erfolg - für den Ankläger! Denn Caesar hatte als Redner brilliert und sich als konsequenter Gegner korrupter Praktiken profiliert, hatte sich aber gerade nicht durch die Verurteilung eines prominenten Politikers die dauerhafte Feindschaft von dessen Unterstützerclique zugezogen."[24] Dementsprechend wertet Jehne die sich nun anschließende Reise nach Rhodos als normalen Lebensabschnitt, als Kavalierstour.

Sicher war es für einen jungen römischen Adligen im ersten Jahrhundert v. Chr. nichts außergewöhnliches mehr, zu einem Privatlehrer nach Griechenland zu gehen, trotzdem besaß auch diese Reise Caesars noch eine andere Qualität. Der Prozess gegen Dolabella hat in Rom sehr wohl für böses Blut gesorgt; noch war die Zeit der Sullaner nicht endgültig vorbei,[25] noch mussten die Popularen sehr vorsichtig sein. Auch deswegen entschloss sich Caesar, wie schon zu seinem Militärdienst, zu einer weiteren Reise, einem weiteren freiwilligen Exil, bis in Rom Gras über die Geschichte wachsen konnte:

... beschloß er, sich nach Rhodos zurückzuziehen, erstens um der allgemeinen Mißstimmung auszuweichen, und zweitens um dort in Ruhe und Muße bei Apollonius Molon, dem damals berühmtesten Lehrer der Beredsamkeit, zu studieren.[26]
Auf dem Weg nach Rhodos wurden Caesar und seine Begleiter von Seeräubern überfallen. Sie nahmen Caesar als Geisel, die Begleiter wurden losgeschickt, Lösegeld zu besorgen. Sowohl Sueton als auch Plutarch berichten diese Episode, wobei sie Plutarch chronologisch anders einordnet:
Er fuhr zu Nikomedes, dem König von Bithynien, wo er für kurze Zeit Aufenthalt nahm.
     Dann schiffte er sich wieder ein, wurde jedoch bei der Insel Pharmakussa von Seeräubern gefangen, welche schon damals mit großen Flotten und zahllosen Fahrzeugen das Meer beherrschten. Sie verlangten zwanzig Talente Lösegeld von ihm, er aber lachte ihnen ins Gesicht, sie wüßten ja gar nicht, was sie für einen Fang getan, und versprach deren fünfzig abzuliefern. Dann sandte er seine Begleiter in die einzelnen Städte, die Summe herbeizuschaffen, und blieb selber mit einem einzigen Freund und zwei Dienern unter den kilikischen Mordbrennern zurück. Dabei trieb er es in seinem Hochmut so weit, daß er ihnen Befehl schickte, sich ruhig zu verhalten, wenn er schlafen wollte. Während der achtunddreißig Tage, da er sich in ihrer Gewalt befand, spielte und turnte er ohne alle Furcht mit ihnen, als ob nicht er der Gefangene, sondern sie seine Trabanten wären. Er verfaßte Gedichte und Reden und las sie ihnen vor, und wenn sie ihm keine Bewunderung zollten, schalt er sie unverblümt Barbaren ohne Bildung und Kultur. Oft stieß er lachend die Drohung aus, er werde sie aufknüpfen lassen - und die Kerle hatten ihre Freude dran, hielten sie ihn doch für einen harmlosen, lustigen Patron, der die losen Reden nicht lassen könne. Als aber das Lösegeld aus Milet gekommen und Caesar auf freien Fuß gesetzt war, bemannte er unverzüglich ein paar Schiffe im Hafen von Milet und stach gegen die Piraten in See. Er überraschte sie auf der Insel, wo sie immer noch vor Anker lagen, und brachte die meisten in seine Gewalt. Ihre Schätze strich er als gute Prise ein, die Leute ließ er im Gefängnis von Pergamon einkerkern und begab sich darauf persönlich zu Juncus, dem Statthalter Kleinasiens, welchem als Praetor die Bestrafung der Gefangenen zustand. Allein, da dieser lüstern nach den Beutegeldern schielte (es handelte sich tatsächlich um bedeutende Summen) und erklärte, er wolle gelegentlich prüfen, was mit den Gefangenen zu tun sei, nahm Caesar keine Rücksicht mehr auf ihn und kehrte nach Pergamon zurück. Er ließ die Seeräuber vorführen und bis auf den letzten Mann ans Kreuz schlagen, wie er es ihnen auf der Insel oft vorausgesagt hatte, nach ihrer Meinung allerdings im Scherz.
[27]
Diese Episode schließt sich also nach Plutarch direkt an seine Dienstzeit in Asien an, an die anschließend "er sich wieder einschiffte." Plutarch erwähnt aber weder wohin, noch warum Caesar sich von Bithynien aus einschiffte, noch warum er sich ursprünglich bei Nikomedes aufhielt. Suetons Darstellung ist in diesen Punkten in sich schlüssiger. Bei Plutarch findet die Reise nach Rhodos im Anschluss an diese Seeräuberpistole noch vor den Prozessen in Rom statt:
Inzwischen schwand Sullas Macht langsam dahin, und die Freunde riefen Caesar nach Hause zurück. Er nahm den Weg über Rhodos, um Apollonios, den Sohn des Molon, zu besuchen. Diesen glänzenden Lehrer der Redekunst, dem man überdies einen edlen Charakter nachrühmte, hatte seinerzeit auch Cicero gehört.[28]
Bemerkenswert ist hier vor allem, dass Caesar die Seeräuber nach ihrer Gefangennahme ausdrücklich gegen die Instruktionen des zuständigen Praetors hinrichten ließ. Dies könnte unter Umständen geschehen sein, weil Caesar eine gute Beute sah, die er für sich behalten und nicht an den Provinzstatthalter verlieren wollte. Caesars Begleiter hatten das Lösegeld von den Städten im Osten zwar mit der Berechtigung verlangt, dass diese nicht genug gegen die Seeräuber in ihren Gewässern unternähmen, aber dieses Lösegeld wollte Caesar jetzt nicht zurückerstatten.

Es ist jedoch auch möglich, dass der Statthalter Iunius Iuncus gar nicht an einer Hinrichtung der Piraten interessiert war. Eine Erklärung wäre, dass er sie als Sklaven verkaufen wollte. Eine andere Erklärung wäre, dass er an einer wirksamen Bekämpfung der Piraten nur ein geringes Interesse hatte, er sich in einem Interessenkonflikt befand: "Zwar beeinträchtigte und gefährdete die Piraterie in der Ägäis zweifellos den Handel mit dem Osten, doch lieferten die Seeräuber neue Ware für den Sklavenmarkt auf Delos. Dort kauften römische Großgrundbesitzer billige Arbeitskräfte, nachdem die Sklavenzufuhr mangels großer Eroberungen im 1. Jahrhundert zunächst zurückgegangen war. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass römische Promagistrate in Asien an solchem Handel profitierten und daher die Seeräuber nur halbherzig bekämpften."[29] Für einen erklärten Popularen stellten die Seeräuber jedoch ein bedeutendes Problem dar, konnten sie doch den Nachschub an billigem Getreide für die Stadt Rom unterbinden - und davon hingen verbilligte Getreideabgaben an die Armen ab, ein Herzstück popularer Politik!

Die Hinrichtung am Kreuz war eine besonders schändliche Strafe, die sonst vor allem gegen aufständischen Sklaven verhängt wurde. Und dennoch, obwohl Caesar für die Seeräuber diese unehrenhafte Strafe wählte, gab dies "der Nachwelt eine erste Gelegenheit, die sprichwörtliche Milde Caesars zu rühmen. Caesar hatte die Seeräuber vor der Kreuzigung erdrosseln lassen. Das ersparte ihm lästige Nachfragen, den Piraten mehrtägige Leiden und den Boten des Statthalters, die die Hinrichtung verhindern sollten, unangenehme Mühen. Ganz ohne Grausamkeit kam Caesar nicht aus: Nach dem Bericht Plutarchs pflegte er während seiner 38-tägigen Haft den Bewachern eigene Gedichte vorzulesen."[30]

Auf jeden Fall scheint Caesar diese Strafaktion gegen die Seeräuber nicht als einmalige Aktion verstanden zu haben. Seit Roms Aufstieg zur Weltmacht konnten sich die Seeräuber im Mittelmeer immer mehr ausbreiten, da das Mächtegleichgewicht verloren war, und viele Teile des Mittelmeeres keine Ordnungsmacht mehr besaßen. Ein Klientelkönig war weniger daran interessiert, für die Sicherheit der Meere zu sorgen, als ein wirklich souveräner Herrscher. Auch ein Provinzstatthalter mit regional begrenzten Kompetenzen fühlte sich nur eingeschränkt verantwortlich. Dies führte auch im westlichen Mittelmeer mit dem Untergang Karthagos zu einer Ausbreitung der Piraterie, besonders aber im Osten, mit der Klientelisierung der griechischen Staatenwelt. Erst Politiker wie Caesar und Pompeius konnten demnach das Seeräuberproblem systematisch und erfolgreich angehen, mussten dabei aber zum Teil gegen den Widerstand des immer noch in den Dimensionen eines Stadtstaates denkenden Senat ankämpfen. Dass Caesar aber weiterhin interessiert war, das Seeräuberproblem zu lösen, zeigt sich an seiner Unterstützung der lex Gabinia 67 v. Chr. Ein weiteres Indiz ist eine Inschrift aus dem Jahre 74, die in der lakonischen Hafenstadt Gytheion einen Legaten C. Iulius im Stabe des Praetors M. Antonius bezeugt. Antonius war mit Vollmachten ausgestattet, gegen die Seeräuber vorzugehen.[31]

Noch während Caesars Abwesenheit von Rom kam es zum Ausbruch des dritten Krieges gegen Mithridates. Wie schon gegen die Seeräuber griff Caesar ohne ein offizielles Amt in das Geschehen ein:

Da Mithridates zu der Zeit gerade die (seinem Reich) benachbarten Gebiete verwüstete, ging Caesar sofort von Rhodos, wo er inzwischen eingetroffen war, nach Kleinasien hinüber, um nicht, während es um die Existenz römischer Bundesgenossen ging, den Anschein eines Müßiggängers zu erwecken. Er zog Hilfstruppen zusammen, vertrieb den Statthalter des Königs aus der Provinz, und so gelang es ihm, die bereits schwankend und unsicher gewordenen Städte für die römische Sache zurückzugewinnen.[32]
Im letzten Krieg hatte Mithridates in Kleinasien tausende römische Zivilisten umbringen lassen - für viele Römer immer noch eine traumatische Erinnerung. Gerade unter Berücksichtigung dieses Umstandes, kann man nicht erwarten, dass das pragmatische, beherzte - wenn auch eigenmächtige - Eingreifen Caesars großen Widerstand in Rom hervorgerufen hätte. Die Krise der Römischen Republik war inzwischen so weit fortgeschritten, dass jetzt auch Caesar auf einen Präzedenzfall für ein privat ausgehobenes Heer zurückverweisen konnte. Gelzer hält Caesars Verhalten für selbstverständlich: "... müssen wir uns erinnern, daß Cicero in seinem Werk 'vom Staat' solche Selbsthilfe billigt, wenn es um 'die Freiheit römischer Bürger' geht. Daß ein Inhaber der corona civica beim Ausbruch des mithridatischen Kriegs so handelte wie Caesar, verstand sich von selbst."[33]

Das Ausmaß der militärischen Aktionen Caesars in diesem Krieg ist nicht bekannt; Mithridates hatte wohl nur kleine Verbände in den Süden der Provinz geschickt, wo Caesar eingriff, da er nicht mit viel Widerstand gerechnet haben wird. Hauptkriegsschauplatz war der Norden. Aber es kam zu keinem Abfall der Städte im Süden - so viel hatte Caesar erreicht: "...er konnte glaubhaft machen, daß das mächtige Rom hinter ihm stand. Er nahm außerdem Verantwortung für dessen Herrschaft wahr, und das wird ihm auch bewußt gewesen sein, zumal er eben damit den Standesgenossen zeigte, wie gut er - im Unterschied zu ihnen - den Pflichten eines römischen Aristokraten genügte."[34] Ähnlich wie schon bei Caesars entschlossenem Vorgehen gegen die Seeräuber zeigt sich auch hier, dass Caesar - ähnlich wie Pompeius - einer der ersten Vertreter einer neuen Generation römischer Politiker und Feldherren war, die die Anforderungen des Weltreiches sahen, verstanden und in entsprechenden Dimensionen denken konnten.


Caesars erfolgreiche Rückkehr in die römische Politik
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Noch in Abwesenheit (Ende 74/Anfang 73) erreichte Caesar eine unerwartete, sensationelle Nachricht: Man hatte den jungen Mann in das Priesterkollegium der pontifices kooptiert. Nachdem er nicht flamen dialis werden durfte, es inzwischen wohl auch nicht mehr wollte, eröffnete sich ihm nun eine neue Tür, doch noch eine Priesterlaufbahn einzuschlagen; und als pontifex unterlag er bei weitem nicht so vielen Einschränkungen! Die pontifices hatten die Einhaltung der rituellen Vorschriften im öffentlichen wie im privaten Leben zu überwachen, was ihnen nicht zu unterschätzenden politischen Einfluss gab.

Das Kollegium der pontifices ergänzte sich selber durch Kooptation. Dass diese Männer ausgerechnet den jungen Caesar erwählten darf erstaunen, denn erst unter Sulla wurde das Kollegium auf 15 Mitglieder erweitert, es verkörperte die "Creme des sullanischen Establishments"[35]. Diese Optimaten ergänzten sich nun durch einen aus den Reihen der Popularen. Das ist an sich schon erstaunlich genug. Noch erstaunlicher wird dies, wenn man berücksichtigt, dass es für Patrizier statistisch gesehen schwieriger gewesen sein muss, pontifex zu werden, mussten doch seit dem Jahr 300 mehr als die Hälfte der pontifices Plebeier sein.[36]

Es gab allerdings auch einige Pluspunkte, die für Caesar sprachen. Er besetzte die vakant gewordene Stelle eines verstorbenen Verwandten: C. Aurelius Cotta war ein Vetter seiner Mutter. Aurelius Cotta, Konsul des Jahres 75, war außerdem einer der Männer, die sich seinerzeit bei Sulla für Caesars Begnadigung eingesetzt hatten. Trotzdem wird es noch weiterer Fürsprecher bedurft haben. Einer von ihnen könnte der pontifex Mamercus Aemilius Lepidus gewesen sein. Wie Aurelius Cotta wirkte auch er bei Caesars Begnadigung 81 v. Chr. mit. Ein zweiter pontifex, den Caesar zumindest gut gekannt haben wird, war Publius Servilius Isauricus; unter ihm hatte Caesar in Kilikien gedient. Ein dritter Fürsprecher könnte Quintus Catulus gewesen sein, der "durch seine Cousine Servilia, die Mutter des Brutus gewonnen worden sein (könnte), wenn sie denn schon damals Caesars Geliebte war oder wenigstens ein Auge auf ihn geworfen hatte."[37]

Ungewiss bleibt, ob Caesar in das Priesterkollegium aufgenommen wurde, weil diese seine bisherigen Leistungen im Osten honorieren wollten, oder ob sie versuchten, "den vielversprechenden jungen Adligen an sich zu ziehen",[38] um ihn den Popularen zu entfremden. Gewiss ist, dass Caesar trotz seiner Ursprünge bei den Marianern/Cinnanern, also den Popularen, und trotz seines fast respektlosen Widerstandes gegen Sulla in Rom keinesfalls stigmatisiert war. Trotz seiner Aktivitäten im juristischen Bereich gegen verdiente Sullaner hat er sich durch seine bisherigen Taten, auch wenn sie vollkommen eigenmächtig und durch die althergebrachten Normen nicht abgesichert waren, "eher Freunde als Feinde im engeren Zirkel der Führungsschicht"[39] gemacht.

Nach dieser Rückkehr stellte Caesar sich erstmals dem Volk zur Wahl für ein Amt:

Einen ersten Beweis seiner Liebe gab ihm das Volk, als er sich neben Gaius Pompilius um ein Kriegstribunat bewarb und mit höherer Stimmenzahl als jener gewählt wurde.[40]
Im Gegensatz zu Plutarch, der nur andeutet, dass Caesars Wahlergebnis wohl beeindruckend gewesen sein muss, wenn man berücksichtigt, dass er bislang nur durch eine Gerichtsverhandlung in der Stadt Rom wirklich aufgefallen war, sagt uns Sueton noch etwas über die politische Linie, die er als Militärtribun verfolgen sollte:
Als Militärtribun - das erste Amt, das ihm nach seiner Rückkehr durch Volksabstimmung übertragen wurde - half er mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln den Befürwortern einer Verstärkung der tribunizischen Gewalt, die von Sulla eingeschränkt worden war. Auch verschaffte er seinem Schwager Lucius Cinna und denen, die mit ihm im Bürgerkrieg Parteigänger des Lepidus gewesen waren und sich nach dessen Tod zu Sertorius geflüchtet hatten, auf Antrag des Plotius die Möglichkeit, wieder nach Rom zurückzukehren, und sprach selbst über diese Angelegenheit in einer Volksversammlung.[41]
72 v. Chr. - nur sieben Jahre nach dem Ende der sullanischen Diktatur - war die Zeit in Rom offenbar reif, popularer Politik und popularen Politikern wieder mehr Spielraum zu gestatten. Die Stärkung bzw. Wiederherstellung des Volkstribunats sollte freilich erst ab 70, im Konsulatsjahr des Crassus und Pompeius, wirklich erfolgen - Crassus und Pompeius standen am Anfang ihrer Karrieren übrigens eher im sullanischen Lager. Aber es zeigt sich doch schon hier, dass eine Mehrheit der Römer, auch der Optimaten, sich nicht wohl dabei fühlte, wie Sulla aus parteitaktischen Gründen dieses altehrwürdige Amt entgegen den mos maiores amputiert hatte.

Caesars Einsatz für die Verbannten Anhänger des Lepidus und Sertorius wäre sicher noch heikler gewesen als die scheinbar mehrheitsfähige und pragmatische Haltung zum Volkstribunat, aber er besaß ein Argument, das ihm ein Alibi gegen die Unterstellung unlauterer Motive verschaffte, "einen glänzenden und für jedermann nachvollziehbaren Grund ... Er verwandte sich konkret für seinen verbannten Schwager Lucius Cornelius Cinna, und dies war ihm von den allgemein akzeptierten Normen der Familiensolidarität geradezu auferlegt."[42]

Ob Caesar in seiner Rolle als Militärtribun an der Bekämpfung des 73 ausgebrochenen Sklavenaufstandes unter Spartacus beteiligt war ist nicht bekannt.[43]


Abschließende Bewertung
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Wenn man Caesars Leben von der Designation zum flamen dialis bis zu seiner Wahl zum Militärtribun betrachtet, erkennt man, dass diese Zeit für Caesar in zwei wichtige Abschnitte einzuteilen ist. 87 v. Chr. war er der hoffnungsvolle Nachwuchs mit all den richtigen Beziehungen. Marius war sein Onkel, Cinna sein Schwiegervater in spe. Unter dieser Konstellation wurde er für ein hoch angesehenes Priesteramt vorgesehen. Wieweit dadurch seine spätere Karriere behindert worden wäre, war 87 bedeutungslos. Wir haben gesehen, dass Gelzer glaubt, Caesar hätte sich letzten Endes über Einschränkungen hinweggesetzt und trotzdem eine große politische und militärische Karriere verfolgt (s. o.). Ich glaube, diese Einschätzung geht zu sehr von dem aus, was wirklich aus Caesar geworden ist, setzt so etwas wie Schicksal und Prädestination voraus. Tatsächlich war es doch so, dass die zwei mächtigsten Männer sich diesen Jungen aus einer zwar angesehenen aber eigentlich bedeutungslosen Familie ausgesucht hatten, und ihn für ein nicht unbedeutendes Amt vorsahen, welches Ansehen und Bedeutung der Familie gesteigert hätte. Es ist durchaus denkbar, dass dieses Amt, wenn er es wirklich angetreten hätte, Caesars Endstation geblieben wäre.

Als die Popularen 83/82 den Bürgerkrieg gegen die Sullaner verloren, änderte sich die Situation für Caesar schlagartig. Von nun an war seine Verwandtschaft ein Karrierehindernis. Im Gegensatz zu seinem Vetter Marius, der zu dieser Zeit das Konsulat bekleidete, hielt Caesar sich politisch und militärisch aus der Auseinandersetzung heraus. Dies kann zwei Gründe gehabt haben. Entweder tat er dies aus Rücksicht auf das für ihn vorgesehene Priesteramt, was bedeuten könnte, dass er sich mit der Tatsache, dass ihm dieses Amt keinen Spielraum für andere Initiativen ließ, abgefunden hatte, oder er tat es aus geschicktem Kalkül heraus, wollte sich durch Wohlverhalten - die familiären Verbindungen waren schlimm genug - den Rest einer Chance unter den Optimaten wahren. Gegen diese Theorie spricht allerdings Caesars Weigerung seine Ehe mit Cornelia zu lösen, als Sulla dies von ihm verlangte. Für Caesar bedeutete dies neben dem Verzicht auf das Priesteramt erstens eine deutliche Verschlechterung seiner politischen Chancen in absehbarer Zukunft, aber darüber hinaus viel spürbarer herbe finanzielle Einbußen, wurde doch die Mitgift seiner Frau eingezogen, so wie Flucht und Verfolgung. Das bedeutete auch Angst um das eigene Leben - wir haben gesehen, dass er sich gegen Lösegeld freikaufen musste. Andererseits wahrte er als Patron und Popularer sein Gesicht.

Nach dem misslungenen Senkrechtstart musste Caesar jetzt auf konventionelle Weise seine Karriere vorantreiben, und nach einem schlechten Start im neuen Regime schien das eine Ochsentour zu werden. Bevor er in Rom wieder Bedeutung gewinnen sollte, diente er in Asien und Kilikien, nahm erfolgreich an der Eroberung von Mytilene teil, verhandelte mit König Nikomedes, führte eigenmächtige aber erfolgreiche militärische Aktionen gegen Seeräuber und gegen Mithridates durch und studierte in Rhodos, da ein Engagement als Prozessredner in Rom nur von zweifelhaftem Erfolg gekrönt war.

Aber abgesehen von diesen Prozessen bewies Caesar bei allen genannten Aufgaben Talent, er schloss sie erfolgreich ab. Sein sullanischer Vorgesetzter hatte ausreichend Vertrauen, ihm Verantwortung zu übertragen, er wurde mit der corona civica ausgezeichnet. Und gerade seine eigenmächtigen Aktionen bewiesen doch, da er sie erfolgreich abschloss, nicht nur militärisches Talent, sondern auch, dass hier ein Politiker heranwuchs, der in den für römische Weltherrschaft notwendigen Dimensionen denken und operieren konnte.[44]

Spätestens aber nach Sullas Tod, als die Versuchung sicherlich groß war, an Lepidus' Aufstand teilzunehmen, wird Caesars politischer Instinkt sichtbar. Wieder war ein enger Verwandter Caesars beteiligt, wieder blieb Caesar die Schmach einer Niederlage erspart. Stattdessen versuchte er, sich als Prozessredner zu profilieren, was ein deutlich reduziertes Risiko bedeutete. Als sich die Dinge nicht zu seinem Vorteil entwickelten, war er wieder instinktsicher, und zog sich für eine Weile zurück, um fern der Hauptstadt erste große Taten zu vollbringen.

Erst 73 kehrte Caesar nach Rom zurück. Er erkannte, dass die Zeit jetzt reif war, die einengende sullanische Ordnung wieder auszuweiten, und wirkte daran mit. Dabei ging er weiterhin sehr vorsichtig vor. Er vertrat zwar populare Forderungen, die ihn in die Nähe der Marianer und Cinnaner rückten, er konnte dafür aber immer redliche Beweggründe - Familienbande - vorweisen.

Als Fazit lässt sich sagen, dass Caesar schon in diesen jungen Jahren außergewöhnliches politisches Talent erkennen ließ. Trotz aller Argumente, die dafür sprechen, dass er gar keine andere Wahl hatte, als Popularer zu sein, verstand er es sich in optimatischem Umfeld zu behaupten, ohne seine Ehre zu kompromittieren. Bis 73 hielt er sich aber noch relativ bedeckt, blieb im Hintergrund. Er sammelte Erfahrungen. Erst nach seiner Kooptation zum pontifex, die er sicherlich auch seiner geschickten Haltung gegenüber der sullanischen Ordnung zu verdanken hatte, begann er langsam zu dem Führer der Popularen aufzusteigen, der er Jahre später sein sollte, als er das Konsulat erreichte.


Bibliographie
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Fußnoten
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[1] Der Kleine Pauly 4, 946.
[2] Meister, Einführung in die Interpretation historischer Quellen, S. 18.
[3] Der Kleine Pauly 5, 412.
[4] Der Kleine Pauly 4, 1055, nennt C. Licinius Crassus, Volkstribun 145 v. Chr. u. L. Cassius Longinus, Volkstribun 137 v. Chr.
[5] Meister, Einführung in die Interpretation historischer Quellen, S. 134.
[6] Suet. 1.
[7] Der Monat Juli hieß damals noch Quintilis und wurde später, um Caesar zu ehren, in Juli umbenannt. - Wohl prominentester Vertreter eines anderen Geburtsjahres ist Mommsen, der von 102 v. Chr. ausgeht; so würde Caesar im Jahre 59 das Mindestalter von 43 Jahren für die Bekleidung des Konsulats erfüllen (Mommsen, Römische Geschichte III, 16.). Da aber Sueton mit Sicherheit sagt, daß Caesar zum Zeitpunkt seines Todes im 56. Lebensjahr war (Suet. 88.), ergibt sich zurückgerechnet von 44 das Jahr 100. Außerdem kann angenommen werden, daß in dieser Stufe der Krise der Römischen Republik durchaus die Möglichkeit bestand, Ämter vor dem Erreichen des Mindesalters zu bekleiden.
[8] Der Kleine Pauly 2, 561.
[9] Gelzer, Caesar, 19.
[10] Jehne, Caesar, 12.
[11] Jehne schreibt er durfte nicht eine einzige Nacht von Rom abwesend sein (Jehne, Caesar, 12.), Gelzer schreibt von maximal zwei Nächten (Gelzer, Caesar, 19.), Will von zwei Tagen und drei Nächten (Will, Julius Caesar, 14.).
[12] Gelzer, Caesar, 19.
[13] Plut. 1.
[14] Jehne, Caesar, 15.
[15] Suet. 1.
[16] Suet. 2.
[17] Außerdem ergaben sich für den Träger weitere Ehrenrechte: Er durfte den Eichenkranz "bei allen feierlichen Anlässen tragen ... Wenn der mit diesem hohen Orden Ausgezeichnete bei den öffentlichen Spielen erschien, erhob sich die ganze Zuschauerschaft von den Plätzen, auch die Senatoren. Er saß zunächst bei den Senatoren. Er selbst, sein Vater und sein Großvater waren von Frondiensten für die Gemeinde befreit." (Gelzer, Caesar, 20.)
[18] Plut. 1.
[19] Suet. 49. An der Stelle noch weitere Andeutungen.
[20] Suet. 3.
[21] Gelzer, Caesar, 20.
[22] Näheres über den Aufstand des Lepidus: Christ, Krise und Untergang der Römischen Republik, 231-34.
[23] Plut. 4.
[24] Jehne, Caesar, 18f.
[25] Unter der Diktatur Sullas (82-79) wurden etwa 90 Senatoren und 2600 Ritter aus dem Lager der Popularen getötet. Sullas Maßnahmen, die die Republik konsolidieren sollten, waren darauf ausgerichtet, den Senat zu stärken. Einige der wichtigsten Maßnahmen: Die Geschworenengerichte wurden wieder nur mit Senatoren besetzt (nicht mit Rittern wie unter C. Gracchus), die Zahl der Senatsmitglieder wurde erhöht, jeder gewesene Quaestor wurde nun Senator. Konsuln und Praetoren wurden nach ihrer Amtszeit nun Provinzstatthalter. Das Volkstribunat wurde geschwächt: Tribunen mussten Gesetzentwürfe vor der Einbringung in die Volksversammlung vom Senat billigen lassen, das Volkstribunat wurde zu einer Endstation in der Ämterlaufbahn.
[26] Suet. 4.
[27] Plut. 1-2.
[28] Plut. 3.
[29] Will, Julius Caesar, 19.
[30] Will, Julius Caesar, 19.
[31] Will, Julius Caesar, 20.
[32] Suet. 4.
[33] Gelzer, Caesar, 20.
[34] Meier, Caesar, 142.
[35] Jehne, Caesar, 20.
[36] Der Kleine Pauly 4, 1046.
[37] Meier, Caesar, 145.
[38] Meier, Caesar, 145.
[39] Jehne, Caesar, 20.
[40] Plut. 5.
[41] Suet. 5.
[42] Jehne, Caesar, 23.
[43] Maßgeblichen Anteil an der Niederschlagung des Aufstandes - nach zwischenzeitlichen Erfolgen der Sklaven - hatte Crassus, der "an die 6000 Gefangene längs der Via Appia kreuzigen ließ." (Christ, Krise und Untergang der Römischen Republik, 247.) Auch hier zeigt sich, dass der Tod am Kreuze, den Caesar für die Seeräuber wählte, besonders unehrenhaft war. Pompeius befand sich gegen Ende des Aufstandes auf dem Rückweg aus Spanien, wo er gegen Sertorius gekämpft hatte, und besiegte in Oberitalien die letzten 5000 aufständischen Sklaven, was ihn dazu veranlasste, sich selbst mit der erfolgreichen Niederschlagung des Spartacusaufstandes zu rühmen.
[44] Die Geschichte sollte zwar so verlaufen, dass die Römische Republik u. a. zugrunde ging, weil auf diese Art und Weise stark gewordene Männer den gesteckten Rahmen sprengten, der Senat sie nicht mehr einordnen konnte, vielleicht liegt dies aber auch gerade an dem kleinmütigen Neid der oftmals mittelmäßigen Senatoren - hätten sie mehr hoch qualifizierte Perönlichkeiten zur gleichen Zeit mit großen Aufgaben betreut, anstatt immer nur widerwillig Einzelne, hätte sich vielleicht auch in diesen neuen Dimensionen der Republik wieder ein Gleichgewicht einstellen können.