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Fakultät für Sozialwissenschaften
SS 1997

Hauptseminar Multikulturalismus in Kanada
Prof. Dr. W. Bleek

"Französische Einwanderung nach Kanada unter besonderer Berücksichtigung der Immigration nach Nouvelle-France im 17. Jahrhundert"

Frank Günther, Geschichte/ Französisch, 8. Fachsemester
 
 
 

0.   Einleitung
Die vorliegende Hausarbeit, die im Rahmen des im Sommersemester 1997 von Herrn Prof. Bleek angebotenen Hauptseminares Multikulturalismus in Kanada angefertigt wurde, setzt sich mit der französischen Einwanderung nach Kanada auseinander, wobei der Schwerpunkt auf der frühen Phase, der Einwanderung nach Nouvelle-France im 17. Jahrhundert, liegt.
Nach einer kurzen Einführung in die Problematik des Themas liefere ich dem Leser im Rahmen des Kapitels Demographische Einführung einige aktuelle Zahlen in bezug auf Kanada und die frankophone Provinz Québec. Das dritte Kapitel mit dem Titel Einwanderung im 17. Jahrhundert ist das Schwerpunktkapitel dieser Arbeit und gibt einen Überblick über die Besiedlung von und die Einwanderung nach Neufrankreich vor drei Jahrhunderten. Dem Ende der französischen Kolonialherrschaft in Kanada und dem Übergang der Kolonialgewalt an die Briten nach der militärischen Niederlage der Franzosen von 1760 ist das vierte Kapitel gewidmet, bevor ich mich im fünften Kapitel mit französischer Einwanderung in das nunmehr britisch beherrschte und geprägte Kanada auseinandersetzen werde. Daran schließt sich ein kurzer Ab-schnitt über die Stellung der Frankophonen in der kanadischen Gesellschaft an. Das letzte Kapitel schließlich, das den Titel Die Zukunft Québecs trägt, gibt dem Leser einen Ausblick nicht nur auf die Zukunft Québecs, sondern auch Gesamt-Kanadas, und setzt sich mit den separatistischen Tendenzen der Québécois und der Québec-Frage auseinander.
Ein Literaturverzeichnis bildet den Abschluß dieser Hauptseminararbeit.
 
 
 
 
 
 

1.   Problematisierung
Die Problematik, vor der der Verfasser stand, als er im Sommer 1997 damit begann, sich im Rahmen dieser vorliegenden Hauptseminararbeit mit der Ge-schichte der Frankophonen in Kanada auseinanderzusetzen, wird allein bei Betrachtung der zeitlichen Dimension deutlich. Legt man als Anfangspunkt des französischen Engagements in dieser Region das Jahr 1534 zu Grunde1), in dem Jacques Cartier im Auftrag des Königs von Frankreich seine erste Reise in dasjenige Gebiet, das wir heute als Kanada bezeichnen2), unternahm, so müßte diese Seminararbeit eine Zeitspanne von 463 Jahren abdecken.
Schwierig ist dieses Unterfangen aber auch in anderer Hinsicht: Während im Zusammenhang mit anderen ethnischen Gruppen, seien es Esten oder Italiener, Norweger oder Ukrainer, klar und unmißverständlich über immigration, also Einwanderung, gesprochen wird, ist dieser Terminus bei den Franzosen äußerst ungebräuchlich, die, ähnlich wie die Briten, auf Grund ihrer frühen Ankunft und entsprechend längeren Siedlungsgeschichte3) nicht mehr als Ein-wanderer betrachtet werden, die in eine - wie auch immer geartete - bereits bestehende kanadische Gesellschaft integriert werden müssen, sondern in gewisser Weise als eben diese kanadische Gesellschaft, die bereits über mehrere Jahrhunderte in der Region lebten, als die großen Zuwanderungswellen „Einwanderer" ins Land brachten.
Die Geschichte der französischen Einwanderung mündet im gegenwärtigen Dauerkonflikt um die Rolle Québecs in der Kanadischen Konföderation, im Streit zwischen Separatismus und Festhalten am Gesamtstaat. Allein dieses Thema zu bearbeiten wäre den Rahmen einer Hauptseminararbeit zu sprengen geeignet.
Ich habe mich aus den vorgenannten Gründen dafür entschieden, den Schwerpunkt dieser Arbeit auf Nouvelle-France und somit auf das 17. und 18. Jahrhundert zu legen, womit die Frühphase französischer Einwanderung nach Kanada abgedeckt wäre, zumal die Eroberung Neufrankreichs durch die Briten im Jahre 1760 eine Zäsur darstellt, mit der die Phase der französischen Einwanderung mit diesem Jahr grosso modo beendet ist.4)
 
 

2.   Demographische Einführung
Zu Beginn dieser Arbeit erscheint es sinnvoll, sich die aktuellen Zahlenver-hältnisse und Größenordnungen in demographischer Hinsicht, mit denen wir es zu tun haben, zu vergegenwärtigen.
Im Jahre 1986 hatte Kanada eine Bevölkerung von annähernd 27 Millionen Einwohnern5), von denen 22,8% (1991: 22,7%6)) erklärten, rein französischer Herkunft zu sein. Nach den Kanadiern rein britischer Herkunft (28,1%) stel-len die Franko-Kanadier also mit über sechs Millionen Menschen die zweit-größte Bevölkerungsgruppe im Land. Diese sechs Millionen französischspre-chenden Kanadier leben nun nicht gleichmäßig über das gesamte Land ver-teilt, sondern haben schwerpunktmäßige Siedlungsgebiete vor allem im Osten des Landes: Von den 6,8 Millionen (1991: 6,8 Millionen7), 1996: 7,1 Millionen8)) Einwohnern der Provinz Québec bezeichnen sich mit 74,6% (1991: 74,4%9)) drei Viertel als Frankophone; in der Provinz Nouveau-Brunswick (Einwohner: 716.000) sind es immerhin noch ein Drittel, auf der Ile-du-Prince-Edouard nur noch 10%. Im Gegensatz dazu kommt den Frankophonen in Terre-Neuve (Anteil an der Gesamtbevölkerung: 1,5%) prozentual wie auch absolut nur eine marginale Bedeutung zu. Die Provinz Québec darf also zurecht als Hochburg der Frankophonen bezeichnet werden, da hier fünf der sechs Millionen Frankokanadier wohnen.10)
Die Zahlenverhältnisse haben sich in den letzten Jahren leicht verändert: 1996 zählt die Gesamtnation 28,8 Millionen Einwohner, während die Bevölkerung Québecs auf 7,1 Millionen gestiegen ist.11) Im Zeitraum von 1991 bis 1996 hatte Kanada einen Bevölkerungszuwachs von über 1,8 Millionen zu verzeichnen, von dem allerdings nur 915.000 auf den natürlichen Bevölkerungszuwachs, aber 928.000 auf Migrationsbewegungen entfallen.12)
Aus den für Québec angeführten Werten ist jedoch nicht unbedingt und zwangsläufig die Schlußfolgerung zu ziehen, daß es sich bei dieser Provinz um einen ethnisch homogenen Raum handelt. So weist FRANÇOISE TÉTU DE LABSADE darauf hin, daß es sich bei den Bewohnern nicht mehr ausschließlich um die Nachfahren derjenigen Franzosen handelt, die im 16., 17. und 18. Jahrhundert nach Nouvelle-France gekommen sind.13)
 
 

3.   Einwanderung im 17. Jahrhundert
Die französischen kolonialen Bestrebungen in Nordamerika waren im 17. Jahrhundert zunächst von einer Rückständigkeit im Vergleich zu anderen europäischen Mächten, insbesondere den Engländern, gekennzeichnet. Nur sehr wenige Franzosen siedelten in den Gebieten des heutigen Kanada und waren den übrigen Kolonialmächten zahlenmäßig unterlegen:

Alors que l’Angleterre et les Pays-Bas ont déjà [...] établi des colonies qui de Terre-Neuve à la Virginie comptent environ 2 600 colons, la Nouvelle-France ne supporte que deux fragiles établissements: l’Acadie du cap de Sable où vivent une vingtaine de Français, et le Canada qui n’est que le comptoir de Québec. La Nouvelle-France de 1627, c’est en tout cas une centaine d’habitants.14)

Bedingt war diese Situation nicht zuletzt durch die widrigen Lebensumstände und die unzureichende Versorgungslage, denen sich die wenigen Siedler aus-gesetzt sahen:

Québec n’a de vivres que ce qu’y laissent pour l’hiver les navires qui rentrent en France; le Canada n’a ni charrue  pour labourer, ni moulin pour faire farine; depuis trois ou quatre ans seulement, les de Caën font un peu d’élevage dans leur baronnie du cap de Tourmente.15)

Diese Ansicht wird auch von FRANÇOISE TÉTU DE LABSADE geteilt, allerdings nur für die sehr frühe Phase, also das 16. Jahrhundert, zu dem sie ausführt:

Ces tentatives [de fonder un établissement au Canada] se soldent par des échecs: les Français supportant mal les rigueurs de l’hiver périssent du scor-but et les relations avec les Amérindiens deviennent tendues.16)

SAUTTER führt die schlechte Versorgungslage zum Teil auf eine falsche Prio-ritätensetzung zurück:

Die halbherzigen Anstrengungen hatten die weiße Bevölkerung in Kanada bis 1660 nur auf etwa 2000 Menschen wachsen lassen, zu wenig, um die Irokesengefahr zu bannen; und die Kriegsnot war nicht das einzige Übel. Dem Pelzhandel hatte bisher das Hauptinteresse gegolten, und man hatte wenig Landwirtschaft getrieben. Auch jetzt noch mußte der größere Teil des Bedarfs an Lebensmitteln und Kleidung vom Mutterland eingeführt werden.17)

Nicht so negativ und hart schildern CHARBONNEAU u.a. die Lebensbedingun-gen, wenn sie die Situation wie folgt charakterisieren:

Quand les Français entreprennent de défricher les rives de «la grande rivière», ils ne se heurtent à aucun habitat vraiment stable. L’espace est libre, c’est à dire que nulle population sédentaire ne l’occupe. [...] La saison froide est certes longue et rigoureuse, mais le territoire n’est pas hostile pour autant. L’abondance des précipitations , combinées aux fortes températures d’été, favorisent la flore et la faune et, par conséquent, les activités agraires.18)

Als positive Faktoren indes können die relativ gut ausgebauten Handelswege verbucht werden, die den Handel mit der indianischen Bevölkerung ermöglichten, vor allem die weithin schiffbaren Flüsse:

Ce que la Nouvelle-France a de mieux, c’est justement ce réseau de traite qui étend partout ses ramifications: en Acadie, les rivières Saint-Jean et Pentagouët; au Canada, le Saguenay, le Saint-Maurice (ou rivière des Trois-Rivières), le Richelieu (ou rivière des Iroquois), l’Outaouais, alors rivière des Algonquins.19)

Zur Förderung und organisatorischen Abwicklung der Einwanderung wurden Gesellschaften gegründet, die gezielt Siedler anwarben und diese nicht nur nach Übersee verschifften, sondern sich darüber hinaus auch noch dazu verpflichteten, diese über einen Dreijahreszeitraum in ihrer neuen Heimat zu verpflegen, bis diese in der Lage waren, sich selbst zu versorgen. Hierzu heißt es bei MARCEL TRUDEL:

En plus de transporter en Nouvelle-France en quinze ans le total de 4000 personnes, la Compagnie doit, les trois premières années de leur arrivée, «les y loger, nourrir et entretenir»; passé ces trois ans, la Compagnie s’en déchar-gera «en leur assignant la quantité de terres défrichées, suffisantes pour leur subvenir, avec le blé nécessaire pour les ensemencer la première fois, et pour vivre jusqu’à la recolte prochaine [...]20)

Allein diese Zeilen verdeutlichen, welch enorme Probleme auf potentielle Immigranten in Nouvelle-France warteten, Probleme, die allesamt auf eine quasi nicht existierende Infrastruktur zurückzuführen sind. Entsprechend at-traktiv mußten die Zusagen und Versprechungen der Gesellschaften ausfallen, damit sich Menschen bereiterklärten, das Wagnis der Auswanderung nach Amerika auf sich zu nehmen. Als ausschlaggebend ist in diesem Zusammen-hang der Umstand anzusehen, daß den Siedlern nach Ablauf der Dreijahresfrist Land zur Bestellung zugeteilt wurde:

Nous avons ici deux fondements de la colonisation de cette période: le début de la politique d’engagement pour trois ans et l’obligation pour les Cent-Associés de concéder des terres aux immigrants qui restent sur place.21)

Das formulierte Ziel, über einen Zeitraum von anderthalb Jahrzehnten 4000 Siedler anzuwerben, scheiterte, zumal 1628 mehrere Schiffe der Compagnie de la Nouvelle-France vor Québec von Kirke überfallen wurden und ihr Ziel nicht erreichten:

Von diesem Fehlschlag beim ersten hoffnungsfreudigen Unternehmen er-holte sich die Gesellschaft nie wieder richtig. Die 4000 Siedler, die innerhalb von 15 Jahren nach Amerika hätten gebracht werden sollen, wurden nicht angeworben. 1645 war man dem Bankrott nahe.22)

Da in der schwierigen Aufbauphase insbesondere Handwerker und Fachleute in Neufrankreich benötigt wurden, versuchte man, diese für einen temporären Aufenthalt in Übersee zu gewinnen, indem man ihnen Erleichterungen und Sonderkonditionen zubilligte, was die Ausübung ihres Berufes anbelangte:

[C]eux qui auront «exercé leurs arts et métiers en la dite Nouvelle-France du-rant six ans» seront, s’ils retournent en France, «réputés pour maîtres de chef d’oeuvre» et pourront, comme tout maître, «tenir boutique ouverte dans Paris et autres villes»; c’était, par cette méthode du stage, élever systématiquement les gens de métier au niveau de la bourgeoisie.23)

Ein weiteres Mittel, Franzosen zum Engagement in Nouvelle-France zu be-wegen, bestand darin, nicht nur Land zu verteilen, sondern gleichzeitig auch Titel, die mit dem Landbesitz einhergingen. Auserwählte Personen bürgerli-cher Herkunft wurden so z. T. — wenn auch nicht de jure, so doch faktisch — geadelt; Adelige erhielten noch einen zusätzlichen Titel. Dieses System war dazu geeignet, „ceux qui veulent s’élever dans une société où le prestige social et la possession de la terre sont d’une souveraine importance"24) für die Kolonisierung Neufrankreichs zu gewinnen. Es zielte also bewußt auf solche bürgerliche Personenkreise ab, die materiell bereits abgesichert waren und mit finanziellen Argumenten nicht über den Atlantik gelockt werden konnten, denen allerdings daran lag, einen prestigeträchtigen Titel zu erwerben und so dem Adel gleichgestellt zu werden oder sich zumindest seiner Position anzu-nähern.
Sehr aufwendig gestaltet sich der Nachweis, wie viele Einwanderer in welchen Jahren nun tatsächlich nach Nouvelle-France gekommen sind. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Zunächst einmal existierten vor 1663 keine Passagierlisten, so daß nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, ob alle angeworbenen Siedler die Überfahrt auch tatsächlich angetreten haben.25) Dazu kommt als weiterer Faktor, daß Schiffe ihr Ziel nicht erreicht haben, da sie entweder bei Unwettern oder nach Angriffen feindlicher Mächte gesunken sind.26) Auch sind auf Grund der unzureichenden hygienischen Zustände Menschen während der Überfahrt erkrankt und verstorben.  Zudem sind die Personenstandsregister in Kanada entweder unvollständig oder aber zum Großteil vernichtet.28)
Was die Unzuverlässigkeit eben dieser Zahlenangaben anbelangt, so ist bei TRUDEL dazu zu lesen:

Tout en dressant un catalogue de ces immigrants, nous avons voulu (c’est le seul moyen d’observer l’évolution du mouvement migratoire) attribuer à chaque immigrant l’année de son arrivée. C’est ici le terrain le plus instable. Nous ne connaissons d’une façon certaine l’année de l’arrivée que pour 1039 immigrants sur 3106, soit seulement un sur trois.29)

Trotz all dieser widrigen Umstände trifft TRUDEL für den Zeitraum von 1632 bis 1662 folgende statistische Aussage:

Ankommende Immigranten 1632 - 166230)
Anzahl der Schiffe:               134
Jahresdurchschnitt:              4,3
Identifizierte Einwanderer:    3 106

Legt man diese Zahlen zu Grunde, so hieße dies, daß pro Jahr nur 103,5 identifizierte Einwanderer nach Nouvelle-France gekommen sind; die tat-sächliche Zahl müßte (deutlich) höher liegen. Andere Autoren nennen für den Gesamtzeitraum andere Werte; so stellen BURNET/PALMER etwa fest:

During the 150 years of the French regime [1610-1760], immigration was low, averaging only sixty-six persons a year.31)

Im folgenden soll nun die Frage beantwortet werden, aus welchen Regionen Frankreichs die Auswanderer stammten. Die Datenbasis ist hier etwas zuverlässiger; von den 3 106 identifizierten Immigranten sind mit 2 033 zwei Drittel mit ihrer Herkunftsregion bekannt.
 

Herkunft der Einwanderer nach Provinzen32)
Normandie: 442
Champagne: 44
Gascogne: 7
Aunis: 315
Angoumois: 34
Languedoc: 7
Perche: 231
Picardie: 32
Flandres: 6
Paris: 160
Touraine: 24
Nivernais: 6
Poitou: 154
Guyenne: 23
Provence: 5
Saintogne: 103
Berry: 12
Comté de Foix: 2
Maine: 101
Lyonnais: 11
La Marche: 2
Anjou: 89
Lorraine: 10 33)
Avignon: 1
Ile-de-France: 69
Bourgogne: 9
Béarn: 1
Bretagne: 60
Limousin: 8
Franche-Comté: 1
Orléanais: 46
Auvergne: 7
Savoie: 1

Aus dieser Übersicht geht hervor, daß ein Großteil der nach Kanada eingewanderten Franzosen aus Westfrankreich stammt, mehr als 20% allein aus der Normandie. Die regionale Herkunft der Migranten spielt auch eine wichtige Rolle bei der Ausprägung des in den neuen Siedlungsgebieten gesprochenen Französisch. Zahlreiche Regionalismen und dialektale Besonderheiten verfestigten sich in Nouvelle-France, was durch die geographisch isolierte Lage vorangetrieben wurde. So weist das heutige Québec-Französisch neben archaischen Formen auch typische Bretonismen und Picardismen auf.34)
Es sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, daß zu den im Rahmen dieser Arbeit als „Franzosen" apostrophierten Personen auch solche Menschen gehörten, deren Muttersprache nicht Französisch war. Wie die nachfolgend zitierte Schilderung RICHARD JONES’ andeutet, war das Frankreich des 17. Jahrhunderts ein pluriethnisches und -linguales Gebilde:

Historically, the inhabitants of France have spoken many dialects of French or other languages. By the sixteenth century, the dialect spoken in the Île-de-France, around Paris, had supplanted numerous related dialects to become the basis for the literary French language. Many other inhabitants spoke [...] regional languages: Basques, dwelling in the Pyrenees; Alsacians and Lorrainers, people of Germanic origin in the east; Bretons, inhabiting Brittany; Catalans, living in the region bordering the Spanish province of Catalonia; Flemings, in French Flanders; and Corsicans, on the island of Corsica who speak an Italian dialect. Many people in southern France (the Midi) call themselves Occitans and still speak or used in writing one of the Occitan dialects, the most developed of which is Provençal.35)

Der hohe Anteil von Westfranzosen kann zum einen mit der strategisch günstigen Lage am Atlantik erklärt werden, zumal die Schiffe nach Kanada von den französischen Atlantikhäfen ablegten, wie nachfolgende Aufschlüsselung zeigt:

Auswanderung nach Häfen36)
Region                 Hafen                Auswanderer aus                Anteil an den 2033            Anteil in %
                                                                                                 Auswanderern
Atlantik-Nord        Rouen               Picardie,
                                                      Normandie,
                                                      Bretagne,
                                                      Perche                               765                                    37,6%
Atlantik-Mitte        La Rochelle       Poitou, Aunis,
                                                      Saintonge, La Marche,
                                                      Angoumois, Limousin        616                                    30,3%
Atlantik-Süd          Bordeaux          Guyenne, Gascogne,
                                                      Bearn                                31                                      1,5%
Pays de la Loire   Saint-Nazaire     Auvergne, Nivernais,
                                                      Berry, Orléanais,
                                                      Touraine, Anjou,
                                                       Maine                                285                                    14%

MARCEL TRUDEL erklärt den hohen Anteil normannischer Auswanderer wie folgt:

Sa large façade sur la mer, ses traditions de voyage au long cours en font un pays à ressources migratoires. D’autres explications à court terme: l’activité des Legardeur et des Leneuf vers 1636, les suites des «fureurs paysannes» qui éclatent en Normandie en 1639, la part essentielle que prennent les mar-chands de Rouen au commerce du Canada, de 1652 à 1662.37)

JONES, der sich mit der Migration im 19. und 20. Jahrhundert beschäftigt, begründet die Dominanz der Normannen und Bretonen mit klimatischen Gegebenheiten:

Certainly, Canadian and Quebec officials who sought colonists for the plains of western Canada and for the newly opened regions of Quebec directed their appeal to the inhabitants of Normandy and Brittany who, they thought, would be capable of adjusting to the rigours of Canadian winters.38)

Auch wenn der Verfasser diese Aussage nicht explizit für die Einwanderung nach Nouvelle-France im 17. Jahrhundert getroffen hat, so dürfte sie dennoch auch für diese Epoche ihre Gültigkeit besitzen und als ein Grund für die hohe Anzahl eben dieser Bevölkerungsteile angesehen werden.
 
 

4.   Der Wendepunkt: Das Jahr 1760
Die Ereignisse der Jahre 1759/60 und deren Auswirkungen auf die französischen Siedler in Kanada, soviel darf an dieser Stelle festgestellt werden, sind in der kollektiven Erinnerung der Franko-Kanadier bis heute unauslöschbar verankert und allzeit gegenwärtig.  Das französische Engagement in Nordamerika wurde quasi von Anfang an von Rivalität, Feindseligkeiten und Kriegen mit den Engländern begleitet, wobei die Auseinandersetzungen in Über-see häufig mit innereuropäischen Zusammenstößen in einem Interdependenzverhältnis40) standen:

[...] l’Angleterre, pour sa part, cherche à prospecter le même territoire que la France. Les deux pays vont se faire une lutte quasi continue jusqu’en 1763. [...] Les pays d’Europe entretiennent de grandes rivalités qu’ils tentent de résoudre par la guerre. L’Amérique du Nord devient un champs de bataille où la France et l’Angleterre peuvent intervenir, mesurer leur forces et trouver une monnaie d’échange.41)

Im Jahre 1759, als 70.000 französische Siedler einer um das zwanzigfache stärkeren englischen Kolonie gegenüberstehen, kommt es nach vereinzelten Anfangserfolgen der Franzosen, z. T. aus Unterstützung durch verbündete Indianerstämme resultierend, letztendlich zur völligen militärischen Niederla-ge der zahlenmäßig Unterlegenen. Wichtige Etappen hierbei waren die Schlacht um das Fort Québec auf den plaines d’Abraham (Ende 1759) und die Kapitulation Montréals ein Jahr später. Der 1763 geschlossene Friedens-vertrag von Paris besiegelte das Schicksal von Nouvelle-France; Frankreich mußte die „autorité de l’Angleterre sur presque toute son ancienne colonie"42) anerkennen.
Nach einigen Jahren der Transition profitierten die französischen Untertanen der britischen Monarchie im Jahre 1774 von einem Ereignis, das das britische Kolonialreich in Nordamerika umwälzen sollte: Mit den immer spürbarer werdenden Unabhängigkeitsbestrebungen der 13 Neuenglandstaaten, den späteren Gründungsstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika, sahen die Briten die Notwendigkeit, die Lage in der neugegründeten Kolonie Québec zu entschärfen, um zu verhindern, daß die Frankophonen sich zu einem weite-ren Unruhefaktor entwickelten, den man zu dieser Zeit in keiner Weise brauchen konnte:

[...] 1774, im Jahr der Boston Tea Party, erließ das britische Parlament die Quebec-Akte [...] Autorität statt Volksvertretung und Anerkennung der Besonderheit Quebecs waren ihre Quintessenz. Ein Gouverneur und ein ernannter Rat von durchschnittlich 20 Mitgliedern ohne Rücksicht auf die Abstammung regierten von 1775 an die Kolonie. Englisches Strafrecht und französisches Zivilrecht bestanden nun offiziell nebeneinander. Das seigneurale System wurde in gleicher Weise wie die Ausübung katholischen Gottesdienstes garantiert, und das Recht der römischen Kirche, einen Bischof zu ernennen, wurde ebenso bestätigt wie das Anrecht des Klerus auf die Kirchensteuer. [...] [F]ranzösischerseits konnte man mit den gewährten Privilegien zufrieden sein.43)

Die Zugeständnisse von Seiten der britischen Regierung an die frankophone Bevölkerung Québecs sollten also dafür sorgen, daß die neuen Untertanen sich im Konflikt zwischen Großbritannien und den Neuenglandstaaten loyal und ruhig verhielten und nicht etwa die amerikanischen Unabhängigkeitsbestrebungen unterstützten. Diese Politik hat sich letztlich als erfolgreich erwiesen, denn alle Appelle von Seiten der amerikanischen Separatisten, sich im Unabhängigkeitskrieg auf die Seite der „Vereinigten Staaten von Amerika" zu schlagen, wurden von den Québécois nicht erhört.
 
 

5.   Einwanderung nach Britisch-Kanada
Was die Einwanderung von Franzosen nach Britisch-Kanada im Zeitraum ab 1760 anbelangt, so muß davon ausgegangen werden, daß Briten und Franzosen einer solchen Migration zunächst eher skeptisch bis ablehnend gegenüberstanden:

In the decades following the British conquest of 1760, few French immi-grants came to Canada. Until Napoleon’s fall in 1815, Britain and France were frequently at war. France did not encourage emigration and Britain did not want French immigrants to settle in a colony whose largely French po-pulation is often viewed as a threat.44)

Die römisch-katholische Kirche indes versuchte in den folgenden Jahren, ihren Personalmangel in Kanada durch die gezielte Anwerbung französischer Priester abzubauen, was von der britischen Regierung allerdings verboten wurde. Erst mit dem Ausbruch der Französischen Revolution strömten wie-der einige Seelsorger aus Frankreich nach Kanada, diesmal sogar mit Erlaubnis der Regierung in London:

The French Revolution offered the Canadian church new possibilities as ne-arly 8000 French priests fled across the Channel to England. London, interested in reducing the number of emigrés on British soil, now agreed that some could come to Canada. Only about fifty did [...]45)

Nach 1840 kamen erneut französische Geistliche nach Übersee, zumal der Bischof von Montréal sich zu ihrer Rekrutierung 1841 persönlich nach Frank-reich begab; zwischen 1837 und 1876 wurden 225 Personen angeworben. Nach 1880 war eine weitere Welle zu verzeichnen, die mit der Entklerikalisie-rung Frankreichs nach Gründung der III. Republik im Zusammenhang steht. Zwischen Jahrhundertwende und Ausbruch des Ersten Weltkrieges sind schätzungsweise 2000 Geistliche nach Québec emigriert.
JONES faßt die Einwanderungsbewegung im 19. Jahrhundert mit folgenden Worten zusammen:

French immigration to Canada in the nineteenth century was a relatively small-scale phenomenon. Perhaps 50,000 French were admitted to Canada between 1820 and 1910. (In the same period, 470,000 emigrated to the United States.)46)

In der Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg gab es mehrere gezielte Vorstöße, Franzosen zur Einwanderung nach Kanada zu bewegen. So wurde 1887 die Sociéte d’immigration française gegründet und die kanadische Regierung entsandte 1903 mit Paul Wiallard einen neuen Einwanderungsbeauftragten nach Paris. Doch die Ergebnisse dieser Bemühungen waren weniger in die Höhe schnellende Einwanderungszahlen als vielmehr diplomatische Verstimmungen, da die französische Regierung das Anwerben von Immigranten als Verstoß gegen geltendes französisches Recht interpretierte und sogar beim britischen Botschafter in Paris gegen dieses Praxis Protest einlegte.
Zur Frage, warum selbst bis in die 50er Jahre unseres Jahrhunderts derart wenige Franzosen nach Kanada auswanderten, bezieht JONES wie folgt Stellung:

The traditional explanation has been that the French in general did not want to emigrate and that the French government impeded emigration. This explanation is partly true though it is incomplete. After the war, France suffered from an acute labour shortage as well as from a scarcity of dollars and imposed severe restrictions on the capital that emigrants could take with them. Before 1951 [...] the limit was a mere 300$.47)

Auch für die Zeit nach 1945 kann festgestellt werden, daß der Anteil der Franzosen am Gesamteinwandereraufkommen relativ gering ist; für die Peri-ode von 1946 bis 1972 liegt dieser Wert bei 2,9 %. Der Löwenanteil der französischen Einwanderer, zwischen zwei Dritteln und drei Vierteln, fließt in die frankophone Provinz Québec.48)
Detaillierte Zahlenangaben liefert die folgende Übersicht:
 

Französische Einwanderung 1900-1989 49)

1900-18   25 922
1919-44     9 181
1946-50     4 781
1951-57   33 938
1958-62   12 828
1963-67   31 330 50)  davon 1967: 10 122
1968-73   27 437 51)  davon 1968:   8 184
     1969:   5 549
     1970:   4 410
     1971:   2 966
     1972:   2 742
     1973:   3 586
1974-79   17 785
1980-89   20 187
1900-89 175 945

Interessant und in diesem Zusammenhang erwähnenswert ist die Tatsache, daß nach dem Zweiten Weltkrieg einige wenige Personen französischer ethnischer Herkunft als Flüchtlinge, Vertriebene und Staatenlose nach Kanada einwanderten; diese müssen jedoch nicht aus Frankreich gekommen oder französische Staatsbürger gewesen sein, da nicht das Herkunftsland oder die Nationalität, sondern die „ethnic origin" vermerkt wurde.52) Des weiteren gab es Immigranten, die als Flüchtlinge nach Kanada kamen und als ihr Geburtsland Frankreich angaben.53)
 
 

6.   Frankophone in der kanadischen Gesellschaft
Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß im 19. und 20. Jahrhundert die ver-schiedensten Berufe von französischen Einwanderern ausgeübt wurden und gegenwärtig auch immer noch werden, so daß diese Immigranten von der „host society"54) nur schwerlich zu unterscheiden sind. Als typisch französi-sches Phänomen darf jedoch konstatiert werden, daß die Integration insbe-sondere in die Arbeitswelt in der frankophonen Provinz Québec wesentlich unproblematischer als im anglophonen Rest-Kanada verläuft.55) Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in den Jahren 1906 bis 1910, waren 42% aller Einwanderer französischer Provenienz Bauern, 16% waren Facharbeiter und 11% an- oder ungelernte Arbeiter.
Für die Phase nach dem Zweiten Weltkrieg résumiert JONES:

After World War II, French immigrants to Canada had, on the whole, higher levels of education than persons born in Canada and than many other immigrant groups. This situation can be explained by the fact that the French group was composed especially of independent immigrants, a group usually more highly educated than sponsored immigrants.56)

Was die Abhängigkeit des beruflichen Aufstiegs von Kenntnissen der engli-schen Sprache anbelangt, so gilt generell, daß solche Frankophone, die auch gut Englisch sprechen, bessere Chancen im Beruf haben als solche, deren Englischkenntnisse unzureichend sind. JONES erklärt hierzu:

Studies in Quebec in the 1970s showed that French immigrants who knew English at the time of their arrival generally obtained higher salaries than those who were unilingual.57)

In der Literatur gibt es weiterreichende Untersuchungen, die das Verhältnis zwischen französischen Neueinwanderern und „frankophonen Alt-Kanadiern" zum Gegenstand haben. Dieser Teilaspekt kann im Rahmen der vorliegenden Hauptseminararbeit allerdings nicht behandelt werden.
 
 

7.   Ausblick: Die Zukunft Québecs
Am Ende dieser Erörterung erwartet der Leser eine Zusammenfassung, eine Synthese oder ein Résumé — kurzum ein abschließendes Kapitel, in dem die wichtigsten Ergebnisse und die bis hierhin gewonnenen Erkenntnisse noch einmal in prägnanter Form zusammengetragen werden. Ich erachte es indes für wenig erstrebenswert, bereits getroffene Aussagen noch einmal zu wiederholen, zumal die Vielschichtigkeit und die Komplexität des Themas dies auch nur schwerlich zuließen. Statt dessen möchte ich einen kleinen Ausblick geben und den Blick des Lesers nach vorn lenken.
Die vorliegende Analyse dürfte den Leser in die Lage versetzt haben, die Rolle der Franzosen bzw. Frankophonen in Kanada während der vergangenen Jahrhunderte etwas besser begreifen zu können. Dieses Verständnis ist auch notwendig, um den aktuellen Konflikt um die Zukunft Québecs — und damit auch um die Zukunft Kanadas — richtig einschätzen zu können. Mit der Niederlage auf den plaines d’Abraham im Jahre 1759 ging zwar die Epoche des französischen Kolonialbesitzes in Nordamerika zu Ende, doch es entwickelte sich in den folgenden Jahren der Dauerkonflikt zwischen zwei ethnischen Gruppen, zwischen Anglo- und Frankophonen. Dieser Konflikt ist bisweilen mit dafür verantwortlich, daß Kanada fälschlicherweise auch heute noch nicht als pluri-, sondern als bikulturelle Gesellschaft wahrgenommen wird, da er oftmals die anderen ethnischen Gruppen schlicht verdeckt.
1987 und 1992 scheiterten zwei Versuche, einen für alle Beteiligten tragbaren Verfassungskompromiß auszuarbeiten, am Veto zweier anglophoner Provinzen bzw. der Bevölkerungsmehrheit. Die Québécois reagierten darauf, indem sie solchen Parteien ihre Stimme gaben, die sich als politisches Ziel die Loslösung Québecs von Kanada auf ihre Fahnen geschrieben haben, in erster Linie der Parti Québécois (PQ) und der Bloc Québécois.
KEMPF nennt als Hauptgrund für das Streben nach Unabhängigkeit „die Wei-gerung der ‘Anglos’, [Québecs] Sonderstatus verfassungsrechtlich anzuer-kennen".58) Die Frankophonen in Québec fühlen sich bedroht und haben rigo-rose Sprachgesetze erlassen, um den Einfluß des Englischen zurückzudrängen und das Französische zu stärken.59) Hierbei muß berücksichtigt werden, daß in der — mitunter hitzig geführten — Debatte Sprache mit Kultur gleichgesetzt wird, die es zu bewahren gilt.
Hinzu kommt die Furcht vieler Frankophoner, selbst innerhalb der Provinz Québec an Gewicht und Einfluß einzubüßen. Seit 1980 liegt die Geburtenrate in dieser Provinz unter dem gesamtkanadischen Durchschnitt60), und auch dieser Durchschnittswert ist rückläufig, so daß Kanada der Zuwanderung bedarf, um keinen Bevölkerungsrückgang zu erleiden. Allerdings muß an dieser Stelle deutlich herausgestellt werden, daß in Relation zur Bevölkerung prozentual nur etwa halb so viele Einwanderer nach Québec kommen wie in den kanadischen Gesamtstaat; die These von der Überfremdung durch Zuwanderung kann somit entkräftet werden.61)
Was die zwei bislang durchgeführten Referenda, mit der die Unabhängigkeit Québecs eingeleitet werden sollte, anbelangt, so ist anzunehmen, daß ein dritter Volksentscheid wohl nicht lange auf sich warten lassen wird.62) Die Frage nach einem möglichen Ausscheiden Québecs aus dem kanadischen Bundesstaat wirft zahlreiche Fragen auf: Die ökonomischen Verflechtungen zwischen Québec und den übrigen kanadischen Provinzen sind so eng, daß eine Separierung erhebliche Schwierigkeiten mit sich brächte. Es wäre die Frage zu beantworten, ob ein unabhängiges Québec, das heute beträchtliche Transferzahlungen aus Ottawa erhält, wirtschaftlich überhaupt überlebensfä-hig wäre. Könnte ein unabhängiger Staat Québec der NAFTA beitreten und zollbegünstigten Handel mit dem übrigen Nordamerika treiben? Stünde nicht auch die Einheit Rest-Kanadas auf dem Spiel, wenn die Atlantikprovinzen Terre-Neuve, Nouveau-Brunswick, Nouvelle-Ecosse und Ile-du-Prince-Edouard vom übrigen Kanada durch einen corridor québécois abgeschnitten wären? Und wie würden sich die Nicht-Frankophonen in Québec (vor allem Anglophone und Inuit) im Falle einer Unabhängigkeitserklärung verhalten?
Die aufgezeigten Fragen lassen die Brisanz und den politischen Sprengstoff erahnen, die in der Québec-Frage verborgen sind und mit denen sich Kanada auch in der Zukunft auseinandersetzen müssen wird.
 
 

Anmerkungen
  1)Vgl. dazu UDO KEMPF, Zwischen Separatismus und Föderalismus, in: Das Parlament Nr. 1-2 vom 3./10.1.1997, p. 7 [=KEMPF]: „Die französische Geschichte Quebecs beginnt mit den Erkundungsreisen des französischen Seefahrers Jacues [sic!] Cartier zwischen 1534 und 1542."
  2)Cartier durchsegelte im Mai 1534 die schmale Straße zwischen Neufundland und Labra-dor und „entdeckte" später, weiter südlich, die Prinz-Eduard-Insel und die Küste Neu-braunschweigs; vgl. SAUTTER p. 23.
  3)Vgl. dazu JEAN R. BURNET/ HOWARD PALMER, "Coming Canadians": An introduction to a History of Canada’s Peoples, Toronto (Ontario) 1989 [=BURNET/PALMER], p. 13: „The French and British took possession of the northern parts of North America, and the French established the first permanent settlements."; FRANÇOISE TÉTU DE LABSADE, Le Québec: un pays, une culture, Québec 1990 [=TÉTU DE LABSADE], p. 43: „À l’instar des autres puissan-ces d’Europe, les visées expansionnistes de la France se précisent."
  4)Vgl. dazu BURNET/PALMER, p. 15: „The Conquest led on the one hand to the departure of some of the French population and the end of French immigration, and on the other hand to the beginning of British and other European immigration."
  5)Statistics Canada, 1991 Census of Canada, in: Canadian Social Trends, Autumn 1993, p. 19.
  6)Statistiques Canada, Origines ethniques sélectionnées, Canada, provinces et territoires, 1991, Quelle: Internet-Seite von Statistiques Canada (http://www.statcan.ca/francais/ Pgdb/People/Population/demo28b f.htm).
  7)Statistiques Canada, Origines ethniques sélectionnées, Canada, provinces et territoires, 1991, Quelle: Internet-Seite von Statistiques Canada (http://www.statcan.ca/francais/ Pgdb/People/Population/demo28b f.htm).
  8)Statistiques Canada, Population selon certains groupes d’âge et le sexe pour le Canada, les provinces et les territoires, recensement 1996 . Données intégrales, Quelle: Internet-Seite von Statistiques Canada (http://www.statcan.ca/francais/census96/canprov f.htm).
  9)Statistiques Canada, Origines ethniques sélectionnées, Canada, provinces et territoires, 1991, Quelle: Internet-Seite von Statistiques Canada (http://www.statcan.ca/francais/ Pgdb/People/Population/demo28b f.htm).
  10)Statistiques Canada 1986, in: TÉTU DE LABSADE, p. 72.
  11)Statistiques Canada, Population selon certains groupes d’âge et le sexe pour le Canada, les provinces et les territoires, recensement 1996 . Données intégrales, Quelle: Internet-Seite von Statistiques Canada (http://www.statcan.ca/francais/census96/canprov f.htm).
  12)Statistiques Canada, Population et composantes de la croissance démographique, Quel-le: Internet-Seite von Statistiques Canada (http://www.statcan.ca/francais/Pgdb/People/ Population/demo03 f.htm).
  13)Vgl. dazu  TÉTU DE LABSADE, p. 71/72.
  14)MARCEL TRUDEL, Histoire de la Nouvelle-France. Volume III: La seigneurie des Cent-Associés, 1627-1663. Tome II: La société, Montréal 1983, p.3. [=TRUDEL 1983]
  15)TRUDEL 1983, p.4.
  16)TÉTU DE LABSADE, p. 42.
  17)SAUTTER, p. 39.
  18)HUBERT CHARBONNEAU/ BERTRAND DESJARDINS/ JACQUES LÉGARÉ/ HUBERT DÉNIS, La population française de la vallée du Saint-Laurent avant 1760, in: Atlas historique du Québec: Population et territoire, sous la direction de SERGE COURVILLE, Sainte-Foy (Québec) 1996, pp. 31-62, hier: p. 31.
  19)TRUDEL 1983, p.4.
  20)TRUDEL 1983, p.5.
  21)TRUDEL 1983, p.6.
  22)SAUTTER, p. 38.
  23)Ibdm.
  24)TRUDEL 1983, p.7.
  25)TRUDEL 1983,  p.12.
  26)Vgl. dazu ibdm.: „D’autres pertes sont dues aux accidents habituels de la navigation: un navire se perd en 1643; la traversée de 1655 est une catastrophe: un premier navire se perd, un second est pris par les Espagnols, un troisième par les Anglais, et tros bateaux légers qui apportent des effets sont capturés par les Anglais et les Hollandais."
  27)Vgl. dazu ibdm.: „Les décès ont pu être nombreux en cours de traversée, compte tenu de sa lenteur et des conditions hygiéniques: les documents font allusion à des décès sans présenter de noms."
  28)Vgl. dazu TRUDEL 1983, p.14: „Ces pièces d’archives ne fournissent pas toujours une identification satisfaisante des immigrants [...] Et surtout, ces mêmes pièces d’archive ne sont pas des séries parfaites. Des registres d’état civil se sont perdus: les originaux de Not-re-Dame de Québec ont été incendiés en 1640 [...]; les registres de la côte de Beaupré sont incomplets; ceux des Trois-Rivières sont dans un grand désordre et la partie relative aux mariages d’avant 1654 fait défaut."
  29)Ibdm., p. 14.
  30)Nach TRUDEL 1983, p. 22.
  31)BURNET/PALMER, p. 13.
  32)Nach TRUDEL 1983, p. 25.
  33)Zu den nach Nouvelle-France eingewanderten „Franzosen" gehören auch Deutsche, die aus Elsaß-Lothringen stammen, das im fraglichen Zeitraum zu Frankreich gehörte; vgl. dazu auch BURNET/PALMER p. 13: „German settlers began to arrive in the late seventeenth century [...] The Germans came chiefly from Alsace-Lorraine, which was occupied by France [...]"
  34)Zu den sprachlichen Phänomenen des in Kanada gesprochenen Französisch: TÉTU DE LABSADE, p. 85 ff.
  35)RICHARD JONES, The French since 1760, in: Encyclopedia of Canada’s Peoples, i. E. 1998 [=JONES], p. 1/2.
  36)Nach TRUDEL 1983, p. 27.
  37)TRUDEL 1983, p. 25/26.
  38)JONES p. 3.
  39)Ein Blick auf ein in Québec zugelassenes Kraftfahrzeug reicht aus, um festzustellen, daß die Erinnerung daran bewußt wachgehalten wird. Die ursprünglich auf den Nummern-schildern aufgedruckte Devise „la belle province" wurde im Zuge der Révolution tranquille durch „Je me souviens" ersetzt.
  40)Vgl. hierzu auch KEMPF: „Die weitere Entwicklung der Kolonie wurde stark durch die europäischen Kriege zwischen Frankreich und England beeinflußt."
  41)TÉTU DE LABSADE, p. 44.
  42)Ibdm., p. 45.
  43)SAUTTER, p. 89.
  44)JONES, p. 4.
  45)JONES, p. 4.
  46)JONES, p. 6.
  47)JONES, p. 11.
  48)JONES, p. 18.
  49)Nach: Information Canada (éd.), Immigration and population statistics. Manpower and Immigration./ Main-d’œuvre et Immigration, Ottawa 1974 [=Information Canada], p. 32-43; JONES, p. 18; eigene Berechnungen.
  50)Zuzüglich 23 aus Guadeloupe und 28 aus Martinique.
  51)Zuzüglich 82 aus Guadeloupe und 94 aus Martinique.
  52)Folgende Zahlen seien hier genannt: 1947-58: 167; 1959: 1; 1960: 2; 1961: 1; 1962: 1; 1963: 2; 1964: 5; 1965: —; 1966: 5; 1967: 12; insgesamt (1947-67): 196; vgl. Information Canada, p. 44.
  53)1968: 20; 1969: 11; 1970: 4; 1971: 2; 1972 und 1973: —; insgesamt (1968-73): 37; vgl. Information Canada, p. 46.
  54)Diesen Terminus übernehme ich von JONES p. 24, ohne ihn zu übersetzen.
  55)Vgl. JONES, p. 24.
  56)JONES, p. 25.
  57)JONES, p. 26.
  58)KEMPF.
  59)Im Rahmen einer im September 1997 vom Lehrstuhl Geschichte Nordamerikas der Ruhr-Universität durchgeführten Exkursion nach Québec und Ontario hatte ich Gelegenheit, mir selbst ein Bild vor Ort zu machen. Bei einem Informationsbesuch beim Office de la langue française in Montréal etwa wurde Québec mit einer Insel verglichen, die in einem anglophonen Ozean liege. Ein weiterer Vergleich: So wie die Holländer Deiche bauten, um ihr Land vor Hochwasserkatastrophen zu schützen, so müsse Québec eine strenge Sprachgesetzgebung erlassen, um zu verhindern, daß das Land vom „englischen Hochwasser" heimgesucht werde.
  60)Die aktuellen Werte lauten (die erste Angabe bezieht sich auf Kanada, die zweite auf Québec): 1980-81: 14,9 zu 14,7; 1985-86: 14,3 zu 12,7; 1990-91: 14,3 zu 13,9; 1991-92: 14,1 zu 13,6; 1992-93: 13,5 zu 13,0; 1993-94: 13,2 zu 12,5; 1994-95: 13,0 zu 12,3; 1995-96: 12,7 zu 11,7; vgl. dazu Statistiques Canada, Naissances et taux de natalité, Canada, provinces et territoires,1975-1996, Quelle: Internet-Seite von Statistiques Canada (http://www.statcan.ca/francais/Pgdb/Population/demo04b f.htm)
  61)Am 1. Juli 1995 hatte Kanada 29 615 325 Einwohner, Québec 7 343 240. Die Einwan-derung lag bei 208 791 für Kanada und bei 27 402 für Québec. Prozentual bedeutet dies einen Anteil der Immigranten an der Gesamtbevölkerung von 0,71% für Kanada, aber lediglich 0,37% für Québec; vgl. dazu Statistiques Canada, Composantes de la croissance démographique, Canada, provinces et territoires, Quelle: Internet-Seite von Statistiques Canada (http://www.statcan.ca/francais/Pgdb/People/Population/demo33b f.htm).
  62)Vgl. dazu auch KEMPF.
 
 

Literaturverzeichnis

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