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Inhaltsverzeichnis 
 

I. Einleitung
 
 

II. Schweine als Haustiere

 
1. Vorkommen und Art
2. Bezeichnungen und Namen
3. Schweinehaltung
4. Schweinezucht
5. Ernährung der Schweine
 
 

III. Geschlachtete Schweine

 
1. Verzehr-Tabus
2. Zubereitung
3. Verwertung des geschlachteten Schweins

a) Verzehrbare Anteile
b) Sonstige Anteile
 

 
IV. Schweinetauschsystem

 
1. Aufnahme in den Tauschkreislauf
2. Familiäre Tauschverpflichtungen
3. Tauschaktionen außerhalb der Familie

a) Schweinegeschenke
b) Sonderstellung der big men
c) Krieg
 
 

V. Das Schwein als Bestandteil von Riten
 

1. Geweihte Schweine

a) Kategorien
b) Weihung
 

2. Schweineteile mit besonderer ritueller Bedeutung

a) Schweinefett
b) Schweineblut
c) Fleisch aus der Backe
 

3. Schweine für den Initiationsritus
 
 

VI. Das Schwein in Mythen
 

1. Schöpfungsmythen

a) Ursprung der Schweine
b) Entstehung des Menschen aus dem Urschwein
c) Entstehung anderer Dinge
 

2. Naturphänomene
 

3. Totems
 

4. Geister
 
a) Nimi Dyen Bisam
b) Limuskor ner
c) Manarkor ner
d) Guter Geist: Um Bo
e) Ahnengeister
 

 
VII. Märchen
 

 
VIII. Diskussion und Zusammenfassung
 
 

IX. Kartenmaterial
 

 
X. Literatur

 

 

 

 

 

 
I. Einleitung
 

Neuguinea, die zweitgrößte Insel der Welt, ist unterteilt in das im Osten liegende Papua Neuguinea und Irian Jaya, dem zu Indonesien gehörenden Teil der Insel (s. Abb.1, S. 22). Irian Jaya ist von einem Gebirge mit Höhen über 3000 m ü.d.M. durchzogen. Im Hochland herrscht ein feucht-kühles Klima mit fast täglichen Niederschlägen, die Bäche zu reißenden Strömen anschwellen lassen und Wege unpassierbar machen. Die Temperaturen schwanken zwischen etwa 20°C am Tage und bis zu einer Kälte von 5°C in der Nacht. Mit dem Sinken der Sonne sinken auch die Temperaturen jeden Tag rapide schon am Nachmittag, da der Sonnenuntergang bereits gegen 18.00 Uhr stattfindet. Trotzdem wird das Klima von dem im zentralen Bergland Irian Jayas lebenden Einheimischen als gut empfunden (Michel, T., Wirtschaft und Umwelt in der Eipo-Kultur von Moknerkon 13f.). Diese Menschen zählen zu den "Bergpapua". Sie sind mit einer Körpergröße von maximal 150 cm kleinwüchsig, haben dunkles gekräuseltes Haar und eine hell- bis dunkelbraune Haut. Ihre Existenz wurde erst 1945 durch die Luftaufnahmen der USAF bekannt. Auch danach hatten sie praktisch bis in die 70er Jahre keinen Kontakt zur durch die westliche Zivilisation geprägten Außenwelt. Ab diesem Zeitpunkt allerdings wurde das bis dahin großteils isolierte Gebiet langsam sowohl durch Forscher, als auch durch die indonesische Regierung erschlossen. Außerdem wurden Missionen eingerichtet, die einen nicht unbedeutenden Einfluß auf die Menschen und ihre Lebensweise nahmen.

  Diese Arbeit basiert auf Berichten aus verschiedenen Gebieten im zentralen Bergland von Irian Jaya. Die Autoren der einbezogenen Quellen haben ihre Informationen durch Feldforschung aus erster Hand erhalten. Die verwendete Literatur befaßt sich mit den Mek (s. Abb. 2, S. 22), vorrangig vertreten durch Berichte über die Eipo, die Yalenang und die Ketengban. Besonders die Schriftenreihe "Mensch, Kultur und Umwelt im zentralen Bergland von West-Neuguinea" bietet eine sehr umfangreiche Sammlung über die Eipo. Da mir diverse Ausgaben dieser Schriftenreihe als Grundlage für diese Arbeit dienten, beziehen sich die meisten der angeführten Beispiele auf das Eipo-Gebiet. Zusätzlich wurden noch Jalî und Jalémó im Dani-Gebiet, das westlich des Mek-Gebiets liegt, in die Arbeit mit einbezogen. Ziel der Arbeit ist es, die Bedeutung des Schweins für die Einheimischen sowohl in praktischer, als auch in mythischer Hinsicht zu analysieren.

 
 

II. Schweine als Haustiere
 

1. Vorkommen und Art

Schweine gibt es überall im Hochland von Irian Jaya (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 42). Es wird dabei zwischen Haus- und Wildschweinen unterschieden. In den Gebieten des Hochlandes gibt es außerdem halbdomestizierte Wildschweine, die allerdings im oberen Eipomek-Tal nicht mehr existieren (Michel, T., Wirtschaft und Umwelt in der Eipo-Kultur von Moknerkon 79). Diese Schweine sind keinesfalls mit den uns bekannten Hausschweinen gleichzusetzen. Es handelt sich um eher kleine behaarte Tiere, die dunkel gefärbt sind und manchmal helle Flecken an Kopf oder Hals haben. Sie bewegen sich auch im schwierigen Gebiet des Berglandes gewandt (Koch, G., Malingdam 81), obwohl sie über sehr steile oder unwegsame Strecken meist getragen werden.

 

2. Bezeichnungen und Namen

Die Schweine tragen je nach Region verschiedene Bezeichnungen, wie beispielsweise "wam" in Angguruk oder "basam" in Eipomek (Michel, T., Wirtschaft und Umwelt in der Eipo-Kultur von Moknerkon 81). Daneben gibt es auch Namen für einzelne Schweine, die keine besondere Bedeutung haben und Namen, die entsprechend dem Geschlecht und Alter des bezeichneten Tieres angewandt werden. Als letzte Kategorie existieren noch tabuisierte Namen, die teilweise nicht ausgesprochen oder nur geflüstert werden dürfen oder von Frauen und nicht iniziierten Jungen nicht gehört werden dürfen (Michel, T., Wirtschaft und Umwelt in der Eipo-Kultur von Moknerkon 80f).

 

3. Schweinehaltung

Generell wird Schweinen große Achtung entgegengebracht, was auf die zahlreichen Mythen zurückzuführen ist, in denen Schweine oft als Urwesen die Hauptrolle spielen. Die Aufzucht der Schweine erfolgt mit großer Sorgfalt (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 42). Sie obliegt in erster Linie den Frauen, die sich mit viel Liebe um die Ferkel kümmern und die erwachsenen Schweine hüten. Früh morgens werden die Tiere nach draussen gebracht und mit ihrem Schweinestrick angepflockt. Später läßt man sie in brachhliegende Gärten. Nachts schlafen die Schweine entweder direkt in den Familienhütten oder unter der Wohnplattform in speziell angelegten Schweinepferchen. Sehr selten werden auch eigene Hütten für sie gebaut (Michel, T., Wirtschaft und Umwelt in der Eipo-Kultur von Moknerkon 76). Die Tiere hängen sehr an ihren Betreuerinnen, von denen sie Streicheleinheiten und Liebkosungen bekommen. Kleine Ferkel werden wie Kleinkinder in Netzen umhergetragen, größere Schweine folgen den Frauen auf den Pfaden oder gehen artig voraus (Koch, G., Malingdam 83). Trotz aller Fürsorge und Achtung wird aber darauf geachtet, daß sie nicht in die angelegten Gärten gelangen können und dort Schaden anrichten. Daher wird oft ein Zaun gebaut, der zwar auch den Besitz des Gartens anzeigt, eigentlich aber als Schutz gegen unerwünschtes Eindringen von Schweinen dient (Michel, T., Wirtschaft und Umwelt in der Eipo-Kultur von Moknerkon 49). Allerdings liegt das Wohl der Schweine nicht allein an der Pflege durch den Menschen. Ein möglichst gutes Gedeihen der Schweine kann bei den Ketengban beispielsweise nur unter Mithilfe des Geistes Manarkor ner (s.Kap.) erfolgen. Die Eipo dagegen haben eine Zeremonie, in der die Schweine über einen speziell präparierten Tümpel gehalten werden, um das Wachstum zu garantieren (Heeschen, V., "Das Kelabi- (Sabalhe-) Kultbild im Mek-Gebiet" 11).

 

4. Schweinezucht

Die Schweinezucht kann nur in Zusammenarbeit mit dem ganzen Dorf stattfinden, da niemand einen Eber über längere Zeit behalten will. Die Haltung der männlichen Schweine ist im Gegensatz zur Haltung eines Mastschweins sehr kompliziert. Man kann das Tier nicht einfach auf den Futterplatz lassen, da sein Besitzer im Falle eines unbeabsichtigten Trächtigwerdens und für durch den Eber verursachte Verletzungen der anderen Schweine verantwortlich ist. Aus diesem Grund sperrt man die Eber entweder in den Hütten ein, wo sie dann auch gfüttert werden oder man führt sie ständig an einer Leine. Ein weiterer Nachteil für den Besitzer ist, daß er nichts dafür bekommt, wenn sein Eber das Schwein eines anderen deckt. Aus diesem Grund wird ein Mann nur dann ein männliches Ferkel behalten, wenn er oder seine mit ihm zusammen wohnenden Verwandten zur selben Zeit eine größere Anzahl weiblicher Schweine aufziehen (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 45). Die männlichen Schweine werden, nachdem man sie einmal als sehr junges Tier die Säue decken läßt, kastriert (Michel, T., Wirtschaft und Umwelt in der Eipo-Kultur von Moknerkon 81).

 

5. Ernährung der Schweine

Schweine werden je nach Alter unterschiedlich ernährt. Die sehr jungen Tiere unter 2 Kilo bekommen vorher weichgekaute Süßkartoffeln, die entweder aus der Hand gefüttert werden, oder direkt aus dem Mund an das Ferkel weitergegeben werden. Die Essenszeiten der Menschen werden dabei auch auf die Schweine angewandt (Michel, T., Wirtschaft und Umwelt in der Eipo-Kultur von Moknerkon 81). Manchmal wird den Ferkeln sogar die Brust gegeben, wenn die Versorgerin gerade ein eigenes Kind stillt (Koch, G., Malingdam 83). Etwas ältere, aber noch nicht ausgewachsene Tiere werden von der Dorfgemeinschaft versorgt, vor allem durch Mitglieder, die nicht eng mit dem Besitzer verwandt sind. Auch in diesem Alter bekommen die Schweine Süsskartoffeln, die allerdings nicht mehr zerkaut, sondern meist vor dem Füttern gegart werden. Dazu bekommen sie zerkautes Zuckerrohr und in geringem Umfang auch Blattgemüse. Später gibt man ihnen die Süßkartoffeln roh. Die täglich durch ein Schwein verzehrte Durchschnittsmenge Süßkartoffeln wird auf etwa 1 Kilo geschätzt (Michel, T., Wirtschaft und Umwelt in der Eipo-Kultur von Moknerkon 81).

 

 
III. Geschlachtete Schweine
 

Die Eipo gehen davon aus, daß ein Schwein geschlachtet werden will. Versäumt man dies, rächt sich das Schwein, in dem es seinen Besitzer verläßt. Daraus läßt sich schließen, daß ein großzügiges Schlachten und der Verzehr von Fleisch bei Festen den Reichtum an Schweinen vergrößert. Der praktische Hintergrund dieses Gedankens liegt darin, daß durch Feste und gemeinsame Essen gute Handelsbeziehungen aufrechterhalten und angeregt werden können (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 204).

Für die tägliche Ernährung spielt Schweinefleisch keine entscheidende Rolle, da der Bedarf in erster Linie aus pflanzlichen Quellen, vor allem durch die Süßkartoffel, gedeckt wird (Koch, G., Malingdam 84). Allerdings gilt Schweinefleisch auch als gesund, z. B. wenn es um die Vermeidung einer Diarrhoe geht (Zöllner, S., Lebensbaum und Schweinekult 428). Hausschweine werden nur zu besonderen Anlässen geschlachtet (Eibl-Eibesfeldt, Kommunikation bei den Eipo 167), wie beispielsweise für Gäste. Bei Initiationen und anderen Riten werden geweihte, speziell für diese Anlässe ausgewählte Schweine getötet (s.Kap. V.1.).

 

1. Verzehr-Tabus

Schweinefleisch unterlag vor allem früher sehr strengen Verzehrtabus. Diese werden allerdings im Falle der Eipo inzwischen nicht mehr so streng gesehen. So durfte Schwein nur in bestimmten Männerhäusern verzehrt werden, während dies in anderen verboten war (Michel, T., Wirtschaft und Umwelt in der Eipo-Kultur von Moknerkon 85). Noch praktizierte Einschränkungen beziehen sich je nach Region und Klan auf Geschlecht, Alter und Klanzugehörigkeit (Michel, T., Wirtschaft und Umwelt in der Eipo-Kultur von Moknerkon 95). Außerdem kann ein vererbbares Verzehrverbot für Schweinefleisch auch für ganze Klans gelten, wenn die Angehörigen ihren Ursprung auf das Schwein zurückführen und somit direkt von ihm abstammen. Dieses Tabu wird peinlich genau eingehalten und betrifft nicht nur das Schweinefleisch selbst, sondern auch andere Nahrungsmittel, die mit Schweinefleisch in Berührung gekommen sind (Koch, G., Malingdam 80).

 

2. Zubereitung
 
Um ein geschlachtetes Schwein zum Verzehr vorzubereiten, gehen die Eipo folgendermaßen vor: die Fleischstücke werden in einen Erdofen auf heiße Steine gelegt. Das Fleisch wird dann mit Gras und Blättern und Farnkraut bedeckt. Danach wird der Ofen mit weiteren heißen Steinen und einer zusätzlichen Abdeckung aus Blättern und Gras verschlossen. Nach etwa 3 Stunden ist das Fleisch gar und eßbereit (Koch, G., Malingdam 83).
 

 
3. Verwertung des geschlachteten Schweins
 

a) Verzehrbare Anteile

Praktisch das gesamte Schwein wird gegessen, einschließlich einiger kaubarer Knochen. Dies geschieht meist im Rahmen eines gemeinsamen Festschmauses. In anderen Fällen wird das bereits fertig zubereitete Schweinefleisch auch in kleine Portionen zerschnitten und verteilt, wie z. B. anläßlich eines Hausbaus der 1974 beobachtet wurde, nach dessen Fertigstellung jeder Helfer einen Teil des Fleisches ausgehändigt bekam. Außerdem werden Teile manchmal auch zu einer Art Wurst verarbeitet. Die Gedärme werden dann zuerst ausgewaschen und anschließend mit Fleisch gefüllt (Koch, G., Malingdam 83f.).

 
b) Sonstige Anteile

Die Schneidezähne der geschlachteten Schweine findet man oft in Form von Halsketten wieder. Teilweise werden auch die Hauer eines Ebers als Nasenschmuck verwendet. Manchmal hängen die Eipo ganze Schweineunterkiefer an die Außenwand ihrer Familienhütten. Die Frage, ob dies als Schmuck gewertet werden muß oder rituelle Bedeutung hat, konnte allerdings nicht weiter beantwortet werden (Koch, G., Malingdam 83f.). Die Verwendung bestimmter Teile des Schweins zu rituellen Zwecken sind in Kapitel V.2. ausführlich erläutert.

 
 

IV. Schweinetauschsystem

 
Die Menschen im Hochland von Irian Jaya haben ein kompliziertes und bis ins kleinste Detail ausgeklügeltes Schweinetauschsystem. Es spielt eine große Rolle im Leben eines jeden Mannes und beginnt im familiären Kreis mit oder bereits vor der Initiation (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 61).

 

1. Aufnahme in den Tauschkreislauf

Das erste Verschenken eines Schweines und damit die Aufnahme in den Tauschkreislauf findet in der Regel statt, wenn das Kind 5 oder 6 Jahre alt ist. Der Vater oder ein älterer Bruder gibt dem Kind ein an einer Leine festgebundenes Schwein mit der Anweisung, es dem Bruder oder der Schwester seiner Mutter zu schenken. Diese erste Tauschhandlung ist besonders wichtig, weil der Bruder der Mutter das Kind mit einem Fluch belegen oder einen rituellen Trick anwenden und damit der Lebenskraft des Kindes schaden könnte, wenn er das Schwein nicht bekommt. Bald darauf gibt der Beschenkte ein Schwein an das Kind zurück (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 60).

 

2. Familiäre Tauschverpflichtungen

Später im Leben wird der Austausch von Schweinen und anderen Gütern wie Anbauprodukten oder Handelsgut mit den direkten Angehörigen der Mutter zum regelmäßigen Akt (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 61).

Durch die eigene Heirat oder die Heirat der Schwester erweitert sich der familiäre Schweinetauschkreis eines Mannes (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 61). Heiratet ein Mann eine zweite Frau (Polygamie ist nicht ungewöhnlich), so ist es üblich, daß die Braut von der ersten Ehefrau ein Schwein als Willkommensgeschenk erhält (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 99 f.).

Stirbt ein Angehöriger, so wird dem Trauernden ein Kondolenzschwein geschenkt. Das Teilen des gekochten Fleisches mit anderen Mittrauernden wird erwartet (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 110 f.) Außerdem muß in einem Todesfall der Angehörige, der für das Verbrennen des Leichnams zuständig ist, ein Schwein, das sogenannte "corpse" Schwein an denjenigen Verwandten des Verstorbenen bezahlen, der den Leichnam zum Bestattungsort transportiert hat. Auch von diesem erhält er im Gegenzug ein Schwein zurück (Koch, K.-F., war and peace in Jalemo 44). Der Tod der Mutter verlangt außerdem den Austausch von Schweinen mit deren Angehörigen (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 61).

 

3. Tauschaktionen außerhalb der Familie

Außer den Verpflichtungen zum Schweinetausch innerhalb des eigenen Klans gibt es auch noch Tauschbeziehungen, die erst später im Leben etwa durch Handel oder einfach durch Freundschaften aufgebaut werden. Schweineaustausch auf nichtfamiliärer Ebene geht meist mit einem eigenen Schweinetanzfest mit Tanzdarbietungen der Gäste, das bei Besuchen im Dorf des Empfängers abgehalten wird. Zu diesen Anlässen gilt für alle Anwesenden, auch im Falle einer bestehenden Feindschaft, Waffenstillstand. Mit einem Schweinegeschenk können Feindschaften beendet (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 211) oder Verbrechen gesühnt werden. Allerdings wird bei Mord von den Angehörigen des Opfers nur äußerst selten ein Schwein akzeptiert (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 89).

 
a) Schweinegeschenke

Schweine werden als Geschenke zu den verschiedensten Anlässen vergeben. Allerdings wird ein solches Geschenk immer durch eine Gegengabe in Form eines anderen Schweines später vergolten. Ferkel werden von Einzelpersonen aneinander verschenkt. Diese Form des Schweinetauschs ist eine sehr gute Möglichkeit, neue Bindungen einzugehen und bestehende zu festigen (Heeschen, V., Kommunikation bei den Eipo 167).

 
b) Sonderstellung der big men

Eine besondere Stellung nehmen dabei die big men ein. Sie ragen in mehrfacher Hinsicht auch im Bezug auf Schweine aus den übrigen Männern des Dorfes heraus. Zunächst muß ein Mann, der als big man anerkannt werden will, die bisherigen Schweinetäusche seiner ganzen Lineage auswendig kennen (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 64). Die big men haben in der Regel mehr Schweine als andere Männer in ihrem Besitz. Sie können daher von vornherein eine größere Anzahl Schweine zu Tauschanlässen freigeben und sind somit sowohl in sozialer, als auch in politischer Hinsicht überlegen. Sie verstehen es, Schuldverhältnisse aufzubauen, in dem sie anderen Männern Schweine geben, wenn diese gerade eines brauchen. Dabei kann es sich um einen Brautpreis handeln oder um andere Schuldigkeiten, die sofort beglichen werden müssen (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 63).

 
c) Krieg

Ein besonderes Kapitel ist der Krieg. Ein Krieg verlangt eine Vielzahl von Schweinetauschhandlungen, sei es um Alliierte zu gewinnen oder um Verwundete zu "entschädigen". Vor allem Schweineübergaben an die Alliierten werden auch mit Tanzdarbietungen, diesmal allerdings im Dorf der Schenkenden, abgehalten. Die zu diesem Anlaß verschenkten Schweine oder Teile davon gehen nicht an einen einzelnen Mann, sondern an das Männerhaus des alliierten Dorfes und somit an die ganze Gruppe. Solche Geschenke müssen durch das kriegführende Dorf zu verschiedenen Anlässen wiederholt werden, nachdem der Krieg angefangen hat. Dazu zählt beispielsweise das Aufteilen von Schweinen, die auf heimlichen Raubzügen aus dem feindlichen Dorf erbeutet wurden und die Bezahlung der Alliierten für ihren Beistand. Jedoch ist auch diese Bezahlung nicht einseitig, sondern wird später durch das Zurückschenken eines anderen Schweins ausgeglichen. Jeder Krieg verlangt durch den Aufbau von Schuldverhältnissen nicht nur zu den Alliierten diverse Schweinetauschaktionen. Jeder Mann, der im Krieg ernsthaft verletzt wird und dessen Heilungszeremonie die Schlachtung eines Schweines erfordert, hat Anrecht auf ein ganzes Tier, das wiederum später mit einem weiteren Schwein vergolten werden muß. Oft kann ein Schweinetausch dieser Art innerhalb bereits existierender Tauschbeziehungen stattfinden (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 84).

 
Diese Aufzählung von Tauschanlässen innerhalb und auch außerhalb der Familie kann nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben, da die einzelnen Regeln der Schweinevergabe sehr kompliziert und breit gefächert sind. Praktisch jeder soziale Kontakt zu anderen Menschen kann ein Anlaß zum Schweinetausch sein. Die hier angeführten Beispiele stehen aber repräsentativ für eine Vielzahl weiterer Tausch- und Schenkverpflichtungen in diesem System.
 

 

V. Das Schwein als Bestandteil von Riten
 

Schweine sind im Hochland von Irian Jaya extrem wichtig. Schweine werden als äußerst wertvoll angesehen. Ihr Wert ist im Vergleich zu Geräten, Schmuck und Werkzeugen sehr hoch (Michel, T., Wirtschaft und Umwelt in der Eipo-Kultur von Moknerkon 79). Sie dienen einerseits als Handelsobjekt, andererseits aber auch zur Aufrechterhaltung oder Neuschaffung von sozialen Kontakten. Jedes größere Ereignis im Leben eines Menschen verlangt ebenso einen nach festen Regeln vonstatten gehenden Schweinetausch, wie etwa auch die Beilegung eines Streits, oder ein Friedensabkommen (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 42).

Alle sozialen Beziehungen, die nicht durch die Geburt bereits fest bestehen, müssen regelmässig durch den Austausch von Schweinen gefestigt und gefeiert werden.

In der Regel hat ein erwachsener Mann zeitlebens eine Vielzahl von Verpflichtungen zum Schweineaustausch. Daher ist es Brauch, die tatsächliche Anzahl der im Besitz befindlichen Schweine mit allen Mitteln geheimzuhalten. Es ist beispielsweise nicht außergewöhnlich, die eigenen Schweine im Haus eines Nachbarn zu verstecken, wenn Verwandte aus anderen Dörfern zu Besuch kommen, denen man noch ein Schwein schuldet (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 24). Großer Reichtum an Schweinen entsteht nach Ansicht der Einheimischen nicht durch die eigene Zucht, sondern durch rege Handelsbeziehungen (Zöllner, S., Lebensbaum und Schweinekult 429).

 

1. Geweihte Schweine
 

a) Kategorien

In jedem Dorf der Eipo gibt es eine gewisse Anzahl geweihter Schweine, die man zunächst in drei Kategorien unterscheiden muß. Die erste Gruppe umfaßt Schweine, die dorfumfassend zur Sicherung des Schweinebestandes geweiht werden. Sie werden bei allen Schweineriten an erster Stelle geschlachtet. Die zweite Gruppe besteht aus Schweinen, die den Ertrag der Gärten erhalten sollen. Als dritte Gruppe gibt es schließlich die Schweine, die zum Schutz vor Feinden einem bestimmten Krieg geweiht werden, der viele Opfer forderte (Koch, K.-F, War and Peace in Jálémo 195f).

 
b) Weihung

Die Weihung eines Jungtieres geschieht grundsätzlich unmittelbar vor und mit der Schlachtung des alten geweihten Schweines. Man legt es dazu auf das zu schlachtende Tier. Das geweihte Schwein bekommt von einer Süßkartoffel zu fressen, deren Rest anschließend an das junge Tier verfüttert wird. Daraufhin wird das geweihte Schwein mit Pfeil und Bogen getötet (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 196).

 

2. Schweineteile mit besonderer ritueller Bedeutung

 
a) Schweinefett

Schweinefett wird zu allen erdenklichen Anlässen benutzt: bei Geisterbeschwörungen, zum Schutz und auch für Heilungsriten. Besonders der Bauchspeck wird als kraftspendend angesehen. Viele Männer tragen in ihren Netzen ein kleines Stück, das in Blättern und Rindenstücken eingewickelt ist, mit sich herum. Im Bedarfsfall, wenn ihre Kraft gebraucht wird, fetten sie sich damit ihre Körper und das Gesicht ein (Koch, G., Malingdam 131). Frauen dagegen bleibt dieses Privileg vorenthalten. Die Männer behaupten, daß die Frauen nichts von der Anwendung von Schweinefett in den verschiedenen Riten wissen und auch die ölige Substanz auf den Körpern der Männer nicht als Schweinefett identifizieren können (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 42). Die Frauen gehen auf diese Behauptung der Männer ein und geben ihrerseits vor, tatsächlich nichts davon zu wissen (Heeschen, V., 1998). Manchmal bindet man diese Fettbündel auch an Geräte, um diesen für eine harte Arbeit genügend Kraft zu geben. Außerdem werden sie bei den Eipo für einen Zauber zur Abwehr von Regen benutzt (Koch, G., Malingdam 132). Zudem wird Schweinefett als Opfer an die Ahnen und zur Ablenkung von Geistern verwendet.

 
b) Schweineblut

Bei Schlachtungen im Eipo-Gebiet taucht die Frau, die das getötete Schwein versorgt hat, eine Penishülle oder einen Blattbüschel in das Blut und reibt anschließend damit ihre Beine ein. Ein weiterer Anteil des Schweineblutes wird in den Boden gegossen (Koch, G., Malingdam 83). Zur Bedeutung der Einreibung und des Vergießens konnte ich bei meinen Recherchen keine Angaben finden.

 
c) Fleisch aus der Backe

Das Fleisch aus der Backe eines Schweines hat für die Vertreibung von bösen Geistern wichtige Bedeutung, weil Um Bo (s. Kap. VI.4.d) seine Schweine angeblich an dieser Stelle mit roter Farbe markiert hat, als Zeichen seines Besitzes. Wird nun dieser Teil des Tieres geopfert, so ehrt das Um Bo, holt ihn in das betreffende Haus und bringt ihn dazu, mit seiner Kraft und Autorität den bösen Geist zu verjagen, da dieser auf jeden Fall ein Untergebener Um Bo's ist.

Zum Einsatz kommt das Wangenfleisch beispielsweise, wenn ein Baby unaufhörlich weint. Man versucht dann, dem Geist Schweinefleisch anzubieten, um ihn davon abzulenken, das Baby zu stören. In der Praxis wird dazu die Backenpartie eines frisch geschlachteten Schweines über der Feuerstelle im Haus angebracht, so daß der Geist das Fleisch von der Eingangstür aus sehen kann. Gelingt der Versuch, dann ißt er es und läßt das Baby in Ruhe (Sims, A., "Ketengban pregnancy and childbirth" 102).

 

3. Schweine für den Initiationritus

Die Initiation spielt für das gesamte Leben eine besonders wichtige Rolle. Durch sie werden die Jugendlichen in die Männerhausgemeinschaft aufgenommen und somit vollwertige Mitglieder der Gesellschaft. Die Initiationsriten ziehen sich unter Umständen über mehrere Monate und verlangen unter vielem Anderen auch die Schlachtung einer größeren Anzahl von Schweinen. Eine Initiation findet statt, wenn mehrere Jungen das richtige Alter erreicht haben (in der Regel ab etwa 10 Jahren) und eine angemessene Anzahl Schweine aufgezogen wurden und im Dorf leben. Unter diesen Schweinen wird zu Beginn der Zeremonien eines ausgewählt, das als geweihtes Schwein über längere Zeit auf dem gleichen Weg, den Um Bo vor seinem Tod zurückgelegt hatte (s. Kap. VI.4.d) herumgereicht und dabei von verschiedenen Männern in Besitz genommen wird. Dieses Schwein repräsentiert Um Bo. Als geweihtes Schwein wird es bei den Initiationsriten als erstes geschlachtet und steht damit auch vertretend für alle anderen Schweine, die im weiteren Verlauf der Initiation getötet werden. Zur Abschlußphase der Riten gehört auch wieder die Schlachtung und Zubereitung mehrerer Schweine. Von jedem dieser Schweine wird immer auch ein Teil als Opfer an Ahnen und Geister beiseitegelegt, um diese freundlich zu stimmen (Sims, A. "Of red men and rituals" 74ff.).

 

 
VI. Das Schwein in Mythen

 
Wie im praktischen Leben, so hat das Schwein auch in der Welt der Mythen einen festen Platz.
Auffällig ist jedoch, daß gerade in diesem Bereich seine Bedeutung von Westen nach Osten hin offensichtlich abnimmt. Während im Mek-Gebiet bei Ketengban und Eipo in beinahe jeder Mythe das Schwein, vor allem das Urschwein, vertreten ist, kommt es in der Dani-Mythologie nur noch vereinzelt vor.

 

1. Schöpfungsmythen

Die Mythen, insbesondere die Schöpfungsmythen, unterscheiden sich von Klan zu Klan. Daher kann hier auch nur versucht werden, einen Überblick über die Vielzahl der von Schweinen handelnden Mythen zu geben. Über das Alter der Mythen können lediglich Vermutungen angestellt werden, da durch ein Fehlen von Schrift auf mündliche Überlieferungen zurückgegriffen werden muß. Allerdings existierten sie wahrscheinlich schon vor der Einführung der Süßkartoffel vor etwa 300 Jahren, da diese in keiner der Mythen angesprochen wird (Heeschen, V., "Das Kelabi- (Sabalhe-) Kultbild im Mek-Gebiet" 153).

 
a) Ursprung der Schweine

Die Eipo glauben, daß die Schweine aus bestimmten sakralen Teichen entstanden sind, die Schweineursprungsorte genannt werden (Heeschen, V., Ninye bún 81). Das Grundwasser wird als Existenzgrundlage der Schweine gesehen und ist somit ihr Ursprung. Yulye ist der Ahn einer Sippe, die im Westen des Eipomek lebt. Er bewacht die Teiche, denen Schweine entspringen und die für ein gutes Gedeihen der Schweine gebraucht werden (Heeschen, V., Ninye bún 20). Diese sakralen Teiche sind grundsätzlich für Schweine, Frauen und Nicht-Initiierte tabu. Das Tabu für Frauen wird auch auf eine Gleichsetzung von Frau und Urschwein zurückgeführt (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 204). Sie entstand wohl daraus, daß in der Mythologie das Schwein den Menschen gebärt und damit die Frauenrolle annimmt.

Der dazugehörige Ritus wird als Niederlegen des Schweineursprungs bezeichnet. Er soll das Wohlbefinden der Schweine sichern, für ihr Wachstum sorgen und außerdem durch das Vergraben eines Fettstückes ein Austrocknen des Teiches verhindern (Koch, K.-F War and Peace in Jálémo 203). Die Durchführung des Ritus an sich dauert mehrere Tage und beginnt mit der Schlachtung eines geweihten Schweines und dem damit verbundenen Weihen eines jungen Tieres (Koch, K.-F., War and Peace in Jálémo 182f). Der Vorgang dieser Weihung wird in Kapitel IV.1.b) beschrieben. Anschließend werden die unsichtbaren Schweine herbeigerufen, zu deren Identität allerdings keine genaueren Angaben gemacht werden (Koch, K.-F War and Peace in Jálémo 184). Das eigentliche Niederlegen des Schweineursprungs findet erst Tage später mit dem rituellen Bad der Schweine in einem eigens dafür gegrabenen Tümpel und dem Vergraben des Fettes am Ursprungsort statt. Dieses Bad soll alles Kranke und Unreine von den Tieren abwaschen und so den Fortbestand und das Gedeihen sichern (Koch, K.-F War and Peace in Jálémo 191f.).

Bestimmte andere Schweine entstanden auch aus Flüssen. Sie waren Steingeister und wurden somit auch in Form von Steinen den Fluß hinuntergespült. Als sie irgendwann an das Ufer rollten, entstanden aus ihnen Menschen, Hunde und Schweine (Michel, T., Wirtschaft und Umwelt in der Eipo-Kultur von Moknerkon 41).

Eine Mythe erzählt von der anfänglichen Konkurrenz zwischen Regenwurm und Schwein. Danach lebten die Regenwürmer über der Erde und fraßen die Dinge, die jetzt die Schweine bekommen. Sie verdrängten die Regenwürmer unter die Erde. Da Reichtum an Schweinen nur garantiert werden kann, wenn die Regenwürmer unter der Erde bleiben, werden verschiedene Dinge als Gaben an sie vergraben (Zöllner, S., Lebensbaum und Schweinekult 428).

 
b) Entstehung des Menschen aus dem Urschwein

In allen Schöpfungsmythen sind an der Entstehung des ersten Menschen einer Sippe immer der Ahn und ein Totem beteiligt. Nachdem der Ahn mit dem Totem Geschlechtsverkehr hat, bringt dieser (oft neben anderen Tieren oder Dingen) den Menschen zur Welt (Heeschen, V., Ninye bún 20).

In einer Eipo-Mythe wird überliefert, daß es am Anfang Schweine, Hunde und Menschen gab, die alle gleich aussahen und auch die selbe Sprache hatten. Später gab es auch eine eigene Schweinesprache. Nachdem eine Frau (nachdem sie Geschlechtsverkehr mit dem Ahn hatte) Kinder in Gestalt von Menschen, Schweinen und Hunden zur Welt brachte, gab es diese Einheit der drei Lebewesen nicht mehr. Das Urschwein aber wurde in einer Felsenhöhle bestattet, in deren Umgebung keine Schweine sein dürfen (Michel, T., Wirtschaft und Umwelt in der Eipo-Kultur von Moknerkon 85).

Eine andere Mythe handelt von einer Mutter, die ihrem Sohn befahl, sie zu töten. Nachdem dieser es getan hatte, verwandelte sich der Leichnam der Frau in ein Schwein. Wie die Mutter ihm vorher angeschafft hatte, bereitete er das tote Tier zu und legte es in einzelnen Fleischhäufchen aus, ohne davon zu essen. Als er am nächsten Tag aufwachte, waren aus dem Fleisch Menschen geworden, die anschließend in verschiedene Dörfer gingen und von dem Sohn die Namen für ihre Sippen bekamen. In leichter Abwandlung wird die gleiche Mythe mehrmals erwähnt, einmal ißt der Sohn das Fleisch und läßt nur die Knochen zurück, ein anderes Mal wird die Frau nicht vom Sohn, sondern von einem unbekannten Mann getötet, der das zerteilte Fleisch ungekocht zurückläßt. In einer weiteren Version vergräbt der Sohn das Fett, wie auch heute in Riten noch üblich, und daraus entstehen die Menschen (Zöllner, S., Lebensbaum und Schweinekult 470ff.).

Nach einer weiteren ähnlichen Form dieser Mythe verwandelte sich ein erlegtes Baumkänguruh in das Urschwein, aus dem schließlich die Menschen wurden. In diesem Fall entstanden allerdings auch Himmel und Erde aus den Teilen des gekochten Schweines (Zöllner, S., Lebensbaum und Schweinekult 473).

Ein weiteres Urschwein ging aus der Sagopalme hervor. Es wurde von Leuten (die nicht genauer beschrieben werden) mitgenommen und gab auf dem Weg allen Dingen ihre Namen. Diese Leute formten aus dem Schwein die Menschen (Zöllner, S., Lebensbaum und Schweinekult 474).

Das Urschwein Jeli, dessen Herkunft nicht angegeben wird, wurde angeschossen, konnte aber nicht getötet werden. An dieser Stelle taucht zum einzigen Mal eine andere Urgestalt im selben Mythos auf: das Baumkänguruh. Es durchbiß Jelis Adern, riß sein Herz heraus und tötete es so. Auch hier gibt es mehrere etwas unterschiedliche Formen dieser Mythe. Nach der ersten Version zerschnitt das Baumkänguruh Jeli und ließ durch Rufe die Einzelteile zu Schweinen, Baumkänguruhs oder Menschen werden. Nach der zweiten Version entstanden aus Jelis Blut Flüsse und Teiche. Das Bumkänguruh zerteilte zwar das getötete Urschwein, machte allerdings nicht Tiere, sondern nur Menschen, allerdings je nach Körperteil von verschiedenen Sippen, aus den Einzelteilen (Zöllner, S., Lebensbaum und Schweinekult 474f.). Die letzte Version erzählt davon, daß das Baumkänguruh auch noch andere Dinge wie Pflanzen, Steine und Erde aus dem Schwein entstehen ließ (Zöllner, S., Lebensbaum und Schweinekult 478f.).

Für die Kisamlu aus Eipomek hatte der Ahn, aus dem die Sippe hervorging, Geschlechtsverkehr mit einem Schwein (Heeschen, V., Ninye bún 78). Dieses gebar unter Wehen zuerst zwei Bananenarten und ein Gemüse. Es pflanzte alles ein und gebar zuletzt den ersten Kisamlu-Mann. Anschließend ließ es sich töten, um den Menschen zu ermöglichen, ein bewohnbares Land aus aus dem unwegsamen Gebiet zu machen (Heeschen, V., Ninye bún 81). Der Ahn benutzte das Fett als Fundament für die Erde, da diese noch zu sumpfig für den Anbau von Nutzpflanzen war. Danach wurde die Erde hart und es gediehen Bananen, Taro und Gemüse (Heeschen, V., Ninye bún 83). Aus dem Fett des Schöpfungsschweins formte der Ahn auch die erste Vagina, nachdem er an verschiedenen harten Dingen versucht hatte, zu koitieren (Heeschen, V., Ninye bún 82).
 

c) Entstehung anderer Dinge

Das Schwein hat aber nicht nur durch Gebären Menschen und Dinge entstehen lassen, manchmal hat sich das Schwein auch direkt in etwas anderes verwandelt. Das Steinbeil der Eipo beispielsweise entstand, als der Ahn das Schwein erschlagen hatte und das Fett auf die Erde warf, welches sich daraufhin in ein Steinbeil verwandelte (Heeschen, V., Ninye bún 106)

 

2. Naturphänomene

Naturphänomene werden grundsätzlich nicht abstrakt gesehen, sondern stehen immer in unmittelbarem Zusammenhang mit Ahnen und Geistern (Michel, T., Wirtschaft und Umwelt in der Eipo-Kultur von Moknerkon 40). So werden beispielsweise Erdbeben durch folgende Mythe mit einem Schwein in Verbindung gebracht: der Ahn benutzte das Fett eines Schweines, um "die Erde festzumachen". Dieses Schwein ruht in der Mitte der Welt. Wenn es sich bewegt, entstehen Erdbeben (Heeschen, V., Ninye bún 166).

Auch das Entstehen der Blitze hat indirekt mit Schweinen zu tun. Die Eipo erzählen, daß die Hüterin der Wildschweine die Blitze zum Himmel hinaufbringt. Wenn sie den Himmel mit ihnen bestreicht, so gleicht das dem Schlagen mit einem Schweinestrick (Heeschen, V., Ninye bún 109).
 
 

3. Totems

In der Mythologie der Ketengban hat jeder clan einen oder mehrere ihm zugeordnete Totems und eine dazugehörige Entstehungsmythe. Diese Totems können neben anderen Tieren und Dingen, wie beispielsweise Pflanzen oder Grabstöcke, manchmal auch Schweine sein (Sims, A. "Of red men and rituals" 47).

Diese Totems haben auch immer einen ihnen zugeordneten Geist, der ebenfalls Schweinegestalt haben kann. Jedes Mitglied des Clans hat eine spezielle Beziehung zu diesem Geist und kann von ihm Unterstützung im Krieg, bei Krankheit oder einfach Hilfe für gutes Gedeihen seines Gartens erwarten. Die Vermittlung dieser Hilfe wird in der Regel durch Spezialisten vorgenommen, obwohl jeder Angehörige des Clans den Geist auch selbst bitten kann (Sims, A. "Of red men and rituals" 48).

 

4. Geister

Alle Geister haben geheime Namen, die ihre Charakteristiken und typische Aktionen wiederspiegeln (Sims, A. "Of red men and rituals" 65). Bei den Ketengban gibt es verschiedene böse Geister in Tierform, die alle weiblich sind:

 
a) Nimi Dyen Bisam

Einer der am meisten gefürchteten unter ihnen ist Nimi Dyen Bisam, ein menschenfressender Geist, den sich die Ketengban als riesiges, unersättliches Schwein vorstellen (Sims, A. "Of red men and rituals" 63). Sie ist eine Tochter von Kwerers Schwester Kwerepkor ner, die auch die Mutter von allen anderen bösen weiblichen Geistern ist (Sims, A. "Of red men and rituals" 56). Nimi Dyen Bisam taucht auf, wenn eine Leiche auf die übliche Art in einem Baum bestattet wird. Der Geist kommt aus einem Loch in der Nähe des Baums oder in einem speziellen Pfahl, der dort aufgestellt wurde. Hat Nimi Dyen Bisam den toten Körper erst einmal gerochen, ißt sie den Geist und oder den Körper der Person oder vernichtet die Wurzeln des Baumes und bringt den Körper damit zu Fall.

 
b) Limusukor ner

Andere böse Geister wiederum fressen Schweine, wie beispielsweise Limusukkor Ner, die nicht nur den Geist Kranker, sondern auch kleine Tiere, wie Schweine auffrißt, wenn sie unzufrieden ist. Außerdem paßt sie auf, daß keine Schweine geschlachtet und gegessen werden, ohne ein Opfer für Um Bo davon abzugeben (Sims, A. "Of red men and rituals" 60).

 
c) Manarkor ner

Daneben gibt es aber auch einen Geist, der unter Anderem für das gute Gedeihen der Schweine verantwortlich ist. Ihr Name ist Manarkor ner und sie muß in jedem Fall informiert werden, wenn ein Schwein geschlachtet werden soll. Es dürfen nicht zu viele Schweine getötet werden, da das eine Beleidigung für sie wäre (Sims, A. "Of red men and rituals" 61).

 
d) Guter Geist: Um Bo

Die Ketengban haben außerdem einen männlichen Hauptgeist in Schweineform, Um Bo, der durch seinen eigenen Tod das Fortbestehen des Volks sicherte: Doyap, der Schöpfer, lebte mit seinen Geschwistern auf einer Bergspitze. Diese hatten zwar mit Schöpfung an sich nichts zu tun, ihnen waren aber bestimmte wichtige Aufgaben zugeordnet. Doyaps Bruder Kwerer hatte mitunter die Aufgabe, Totemtiere und Begleitgeister den einzelnen Klans zuzuordnen. Als er bemerkte, daß durch seine Schuld Schaden entstanden war, weil die Menschen versuchten, eine Initiation nach seinen fehlerhaften Anweisungen durchzuführen, mußte er eingreifen. Zuerst änderte er seinen Namen auf Um Bo. Danach wies er die Menschen an, die Initianden nicht mehr in die Bäume zu setzen, weil das deren Haut austrocknete und zerstörte. Er sagte, daß diese Anweisung falsch war und daß er sein eigenes Leben geben würde, um den entstandenen Schaden zu reparieren. Die Wisal-Frau sollte ihn töten und seinen Körper in Stücke schneiden. Die Leute sollten das Fett nehmen und die Initianden damit einreiben. Dies sollte bei allen Männern in Zukunft immer wiederholt werden. Die Wisal-Frau erschoß daraufhin Um Bo mit Pfeil und Bogen. Als er von dem Pfeil getroffen wurde, verwandelte er sich in ein riesiges Schwein. Dieses riß sich in seinem Schmerz los und rannte durch das gesamte Gebiet der Ketengban. Um Bo blieb an verschiedenen Stellen kurz stehen. Diese Orte wurden später zu den Zentren der Klans, zu Initiationshäusern oder anderen wichtigen Ritualhäusern. An jedem dieser Plätze tat er etwas, das für ein sterbendes Schwein typisch ist, wie etwa bluten, sich in einer Lacke rollen oder quieken. Die heutigen Namen der jeweiligen Orte geben diese Aktionen wieder. Als Um Bo schließlich starb, schnitt ihn die Wisal-Frau in Stücke, garte diese und legte sie vor allen Anwesenden aus. Diese Vorgehensweise ist bis heute bei den Ketengban so üblich (Sims, A. "Of red men and rituals" 55ff.).
 

e) Ahnengeister

Aber nicht nur diese Hauptgeister beinflussen das tägliche Leben der Ketengban. Auch die Geister der Verstorbenen können hier entscheidend eingreifen. Sie können für Krankheiten oder sogar den Tod von Schweinen verantwortlich sein, wenn sie nicht genügend geehrt oder wenn sie von einem Angehörigen um Hilfe bei einer Racheaktion gebeten werden (Sims, A. "Of red men and rituals" 68).
 

 

VII. Märchen

 
Die von Volker Heeschen in Ninye bún gesammelten Märchen stammen alle von den Yalenang. Sie dienen dazu, die trockene Wahrheit in eine interessante Geschichte zu verpacken. Abends erzählt man sie in den Familienhütten, wobei schon die Kleinsten selbst Märchen erfinden (Heeschen, V., Ninye bún 334).

Im Bergland von Irian Jaya werden zwar viele Märchen erzählt, trotzdem nimmt das Schwein darin keine besonders wichtige Rolle ein. Es wird nicht als selbständig handelnde Person, wie in den Mythen, geführt. In den untersuchten Märchen sind immer Menschen, manchmal auch Geisterfrauen die Akteure.

Allerdings ist das Erscheinen eines Wildschweines in den Märchen immer ein sicheres Zeichen dafür, daß etwas Unerwartetes geschehen wird. Außerdem hat das Auftauchen eines Schweines in allen Märchen zur Konsequenz, daß der Hauptakteur oder die Hauptakteure auf die Jagd nach ihm gehen (Heeschen, V., Ninye bún 335).

 

 
VIII. Diskussion und Zusammenfassung

 
Für Europäer sind viele der Denk- und Handlungsweisen der Einheimischen undurchsichtig und schwer zu verstehen. Sie kommen uns unlogisch und teilweise zusammenhanglos vor, da wir gewöhnt sind, zu versuchen, alles zu analysieren und dann nüchtern naturwissenschaftlich zu erklären, während in ihrer Kultur noch vieles durch die alten Überlieferungen von Geister, Urgeschöpfe und Ahnen erklärt wird. Die meisten Dörfer wurden zwar inzwischen missioniert und viele sind zum christlichen Glauben übergewechselt, trotzdem ist der alte überlieferte Glaube mit Mythen und den dazugehörigen Riten nebenbei auch noch intakt. Allerdings wurden durch die Missionierung viele Tabus ganz aufgehoben oder werden nicht mehr so streng gesehen. Unverändert ist dagegen die Handhabung der Schweine im täglichen Leben geblieben. Sie dienen nach wie vor in vielerlei Hinsicht: sowohl als Haustier, Zahlungsmittel, Tauschobjekt zum Aufrechterhalten oder Neuschaffen sozialer Kontake und in gewissem Umfang auch als Nahrung.

Zusammenfassend kann man sagen, daß Schweine für die Einheimischen im Bergland Irian Jayas, einer bis in unsere Zeit geld- und schriftlosen Kultur, auch heute noch eine wichtige Lebensgrundlage bilden.
 
 
 

IX. Kartenmaterial

 

 Neuguinea, aus: Schriftenreihe Mensch, Kultur und Umwelt im zentralen Bergland von West-Neuguinea, Berlin

 

 

 

Zentrales Bergland von Irian Jaya, aus: Beitrag 16 der Schriftenreihe: Mensch, Kultur und Umwelt im zentralen Bergland von West-Neuguinea, Berlin 1989

 

 

 

 

 

 

 X. Literatur

Heeschen, Volker, Ninye bún. Mythen, Erzählungen, Lieder und Märchen der Eipo, Beitrag 20 der Schriftenreihe: Mensch, Kultur und Umwelt im zentralen Bergland von West-Neuguinea, Berlin, 1990
 

Heeschen, Volker, Das Kelabi- (Sabalhe-) Kultbild im Mek-Gebiet, Irian Jaya, Indonesien, in: Baessler-Archiv, Neue Folge, Band XLII, Berlin, 1994, S. 131 - 156
 

Eibl-Eibesfeldt, Irenäus, Wulf Schiefenhövel und Volker Heeschen, Kommunikation bei den Eipo. Eine humanethnologische Bestandsaufnahme, Beitrag 19 der Schriftenreihe: Mensch, Kultur und Umwelt im zentralen Bergland von West-Neuguinea, Berlin, 1989
 

Helmcke, Dietrich, Die Trimetrogon-Luftbilder der USAF von 1945 - die ältesten Dokumente über das Eipomek-Tal und seine Umgebung (West-Neuguinea), Indonesien, Beitrag 14 der Schriftenreihe: Mensch, Kultur und Umwelt im zentralen Bergland von West-Neuguinea, Berlin, 1983
 

Koch, Gerd, Malingdam. Ethnographische Notizen über einen Siedlungsbereich im oberen Eipomek-Tal, zentrales Bergland von Irian Jaya (West-Neuguinea), Indonesien, Beitrag 15 der Schriftenreihe: Mensch, Kultur und Umwelt im zentralen Bergland von West-Neuguinea, Berlin, 1984

 
Koch, Klaus-Friedrich, War and Peace in Jalémo. The Management of Conflict in Highland New Guinea, Cambridge, Mass., 1974

 
Michel, Thomas, Interdependenz von Wirtschaft und Umwelt in der Eipo-Kultur von Moknerkon. Bedingungen für Produktion und Reproduktion bei einer Dorfschaft im zentralen Bergland von Irian Jaya (West-Neuguinea), Indonesien, Beitrag 11 der Schriftenreihe: Mensch, Kultur und Umwelt im zentralen Bergland von West-Neuguinea, Berlin, 1983

 
Schiefenhövel, Wulf, Geburtsverhalten und reproduktive Strategien bei den Eipo. Ergebnisse humanethnologischer und ethnomedizinischer Untersuchungen im zentralen Bergland von Irian Jaya (West-Neuguinea), Indonesien, Beitrag 16 der Schriftenreihe: Mensch, Kultur und Umwelt im zentralen Bergland von West-Neuguinea, Berlin, 1989

 
Sims, Andrew, Of red men and rituals: The Ketengban of eastern Irian Jaya, in: Irian, Bulletin of Irian Jaya, Volume XIX, Jayapura, 1991

 
Sims, Andrew, Ketengban pregnancy and childbirth, in: Irian, Bulletin of Irian Jaya, Volume XIX, Jayapura, 1991

 
Zöllner, S., Lebensbaum und Schweinekult. Die Religion der Jalî im Bergland von Irian-Jaya, Wuppertal, 1977