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1. Einleitung

1. Einleitung


Im Verlauf der Sitzung vom 22. Juni 1995 wurde deutsche Militärbesatzungspolitik anhand der Beispiele "Ukraine" und "Serbien" analysiert und verglichen. Im folgenden werden die bei der Behandlung der deutschen Besatzungspolitik in Serbien (zweiter Teil der Sitzung) angesprochenen Aspekte dargestellt. Im Zuge einer weitergehenden Information wird dabei zahlreichen Punkten, die während der Sitzung nur knapp angerissen werden konnten, etwas mehr Platz eingeräumt. Es ergibt sich also die Form eines "erweiterten Ergebnisprotokolls".
Während der Sitzung nahm die Interpretation der vorgelegten Quellen breiten Raum ein. Sie sind daher ins Protokoll eingebettet worden. Ihre Bedeutung für den Gesamtzusammenhang wird erläutert.
Wichtige Diskussionsbeiträge sind in den Text integriert worden, im Plenum entstandene Fragen werden - soweit möglich - ebenfalls ohne eigene Kennzeichnung im Text beantwortet.

2. Jugoslawien wird besiegt

2.1. Vor dem Überfall: Deutsche Beziehung zu Jugoslawien mit Schwerpunkt auf Serbien

Die deutschen Beziehungen zu Serbien waren bei Kriegsbeginn durch zwei entscheidende Faktoren geprägt: Zum einen hatte Serbien als Teil Jugoslawiens durch seine Rohstoffvorkommen und seine landwirtschaftlichen Erzeugnisse wirtschaftliche Bedeutung für das Deutsche Reich. Bei Kriegsbeginn betrug die Deutsche Abhängigkeit von Importen im Buntmetallsektor beispielsweise 70 % für Kupfer, 50 % für Blei und 98 % für Aluminium.[1] Die jugoslawischen Vorkommen gewannen dadurch große Bedeutung - als Beispiel sei hier das größte europäische Kupferbergwerk Bor genannt[2]. Bereits in der Vorkriegszeit waren die deutschen Importe aus Jugoslawien stetig angestiegen.[3]
Zum anderen jedoch war die Beziehung zu Serbien durch ideologisch und historisch bedingte Vorurteile und Mißtrauen geprägt. Der jugoslawische Staat war einerseits ohnehin schon als "Produkt des 'Versailler Systems'"[4] gebrandmarkt. Und den Serben insbesondere wurde nach wie vor die angebliche Schuld am Ersten Weltkrieg vorgehalten. Die Betrachtung der Serben als "Verschwörer" und verschlagene "Untermenschen" schlägt sich in etlichen Dokumenten nieder: "Gutmütigkeit und Wohlwollen legt der Serbe als Schwäche aus, die er sofort hinterhältig und tückisch zu seinen Gunsten, vor allem für seinen materiellen Vorteil, auszunutzen bereit ist."[5] Zu einer neutralen Beurteilung Serbiens dürfte der Umstand nicht gerade beigetragen haben, daß Hitler, selbst Österreicher, sich vornehmlich von "Balkankennern" aus dem österreichischen Raum beraten ließ.[6]
Diese Beurteilung Serbiens als wirtschaftlich wichtig, ideologisch aber feindlich war eine wichtige Grundlage für die Entscheidung zum Angriff auf Jugoslawien.

2.2. Der deutsche Angriff auf Jugoslawien

Unmittelbarer Auslöser des Angriffs war der Umsturz der damaligen Regierung unter Prinz Paul und Ministerpräsident Cvetcovic. Dieser hatte am 25. März 1941 das Beitrittsprotokoll zum "Dreimächtepakt" zwischen Deutschland, Italien und Japan unterzeichnet.[7] Als die Unterzeichnung bekannt wurde, regte sich starker Widerstand in Bevölkerung und jugoslawischem Militär. Schon in der Nacht vom 26. zum 27. März 1941 gelang es einer Gruppe von Luftwaffen- und Heeresoffizieren, die Regierung zu stürzen. Auf einmal sah sich Hitler einem Jugoslawien gegenüber, das, so Winston Churchill, "seine Seele gefunden hatte"[8] und seine Unterstützung des Putsches in - teils kommunistisch geplanten, teils spontanen Demonstrationen - auch dokumentierte.[9] "Der Umsturz in Belgrad kam für Hitler offenbar völlig überraschend"[10] und stellte auf einen Schlag die Durchführung der Unternehmen "Marita" (Überfall auf Griechenland) und darauf folgend "Barbarossa" (Überfall auf Rußland) in Frage. Schon am 27. März entschloß sich Hitler darum zum Angriff auf Jugoslawien. In seiner "Weisung Nr. 25" schrieb er fest: "Jugoslawien [müsse] auch dann, wenn es zunächst Loyalitätserklärungen abgibt, als Feind betrachtet und daher so rasch als möglich zerschlagen werden."[11]
Die geplante Vorgehensweise dabei und die ideologischen Ansichten Hitlers spiegeln sich im Protokoll der Besprechung Hitlers mit der Führungsspitze der Wehrmacht am 27. März 1941 wider[12]:
"[...] Führer schildert Lage Jugoslawiens nach Staatsstreich. Feststellung, daß Jugoslawien im Hinblick auf kommende Marita-Aktion und erst recht späteres Barbarossa-Unternehmen ein unsicherer Faktor war. Serben und Slowenen sind nie deutschfreundlich gewesen [...] Führer ist entschlossen, alle Vorbereitungen zu treffen, um Jugoslawien militärisch und als Staatsgebilde zu zerschlagen. [...] Politisch ist es besonders wichtig, daß der Schlag gegen Jugoslawien mit unerbittlicher Härte geführt wird und die militärische Zerschlagung in einem Blitzunternehmen durchgeführt wird."[13]
Hitlers Plan gelang: "Zwischen dem 6. und dem 10. April 1941 fielen deutsche Truppen von Österreich, Ungarn, Rumänien und Bulgarien aus ohne Kriegserklärung in Jugoslawien ein. Ihnen folgten italienische, ungarische und bulgarische Verbände. Bereits am 17. April mußte die in jeder Beziehung mangelhaft auf den Krieg vorbereitete jugoslawische Armee kapitulieren."[14]

2.3. "Neuordnung" Jugoslawiens

Fast zeitgleich mit dem Überfall auf Jugoslawien wurde auch schon mit der "Neuordnung" begonnen.[15] Schon am 10. April 1941 wurde der "Unabhängige Staat Kroatien" gebildet. Er wurde mit fast 40% der Gesamtfläche Jugoslawiens ausgestattet, darunter auch Bosnien und Herzegowina. Aufgeteilt wurde Kroatien in je eine von deutschen und von italienischen Truppen besetzte Zone unter kroatischer Verwaltung. Die Staatsmacht wurde durch die faschistische Ustasa-Partei repräsentiert.[16]
Makedonien und ein Teil Ostserbiens ging an Bulgarien, Ungarn erhielt einige Gebiete im Norden Jugoslawiens. Südslowenien wurde durch Italien annektiert, Montenegro italienisch besetzt.
Serbien wurde ausschließlich zur deutschen Einflußzone erklärt. Es teilte sich auf in "Altserbien" (ungefähr in den Grenzen vor 1912), den größeren Teil, und das landwirtschaftlich wichtige Westbanat mit einem recht großen deutschen Bevölkerungsanteil[17].

3. Aufbau und Struktur der deutschen Militärverwaltung

Die Organisation der deutschen Militärverwaltung in Serbien klar und eindeutig zu beschreiben, ist ein nahezu unmögliches Unterfangen. Ständige kleinere und größere Veränderungen und Kompetenzüberschneidungen zwingen zu starker Generalisierung. Jene Kompetenzüberschneidungen übrigens sind durchaus als Ausdruck des "Führerprinzips" zu sehen; die Reibereien in dieser "Polykratie" von Ressorts und Machthabern sollten letztlich das Emporkommen eines zu starken, möglichen Hitler-Rivalen verhindern.[18]
Prinzipiell gliederte sich die Militärverwaltung in Serbien, wie sie 1941 aufgebaut wurde, unter der Leitung des "Militärbefehlshabers Serbien" in zwei Stäbe auf. Zum einen war dies der militärische "Kommandostab", zum anderen der "Verwaltungsstab" unter dem früheren SS-Gruppenführer Harald Turner[19]. Die Wehrmachtstruppen in Serbien standen unter dem "höheren Kommando LXV". Erst ab September 1941 wurde die Führung dieser Truppenteile mit dem Posten des Militärbefehlshabers unter dem "Bevollmächtigten Kommandierenden General und Befehlshaber in Serbien", zunächst General Böhme, ab Dezember 1941 General Bader, vereint. Daneben und unabhängig davon agierte der "Generalbevollmächtigte für die Wirtschaft Serbien", Franz Neuhausen, der direkt dem "Beauftragten für den Vierjahresplan", Hermann Göring, unterstellt war[20]. Zudem gab es noch einen "Bevollmächtigten des Auswärtigen Amtes", der jedoch als eher diplomatischer "Botschafter" keine Exekutivgewalt hatte.
Am Juni 1941 wurde dem "Militärbefehlshaber Serbien" (MbS) noch der "Wehrmachtsbefehlshaber im Südosten" (später "Oberbefehlshaber Südost") übergeordnet, zunächst war dies der Feldmarschall List.
Die Einsetzung eines "Höheren SS- und Polizeiführers" (HSSPF), Meyszner, machte die Lage nicht übersichtlicher. Ständige Reibereien zwischen Meyszner und Turner waren die Folge.
Nach den militärischen Rückschlägen in Rußland kam es 1943 dann zu einer tiefgreifenden Neuordnung der Militärverwaltung Serbiens. Der Stab des "Kommandierenden Generals und Befehlshabers" wurde aufgelöst und dessen Einheiten unmittelbar dem neuen "Militärbefehlshaber Südost" unterstellt. Dasselbe galt für den "HSSPF" und den "Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft".
Wichtiger als ein detailliertes Durchschauen des Besatzungsapparates ist jedoch die Erkenntnis des zugrundeliegenden Phänomens: Eine Selbstverwaltung Serbiens wurde zu keinem Zeitpunkt erreicht. Die am 29. August 1941 gebildete Regierung unter dem früheren Kriegsminister General Milan Nedic blieb weitgehend ohne Machtbefugnisse und wird deshalb in weiten Teilen der Literatur auch als "Marionettenregierung" bezeichnet und der Kollaboration zugeordnet.[21] Die eigentliche "Regierung" blieb also die deutsche Militärverwaltung, es kam zu einer ständigen Besatzung. Da weiterhin, insbesondere 1941, kaum deutsche SS- oder Polizeieinheiten in Serbien zur Verfügung standen, fielen der Wehrmacht zu weiten Teilen "Ordnungsmaßnahmen" wie etwa Erschießungen zu. Von einer klaren Trennung zwischen Wehrmacht und Polizei- und SS-Organen jedenfalls kann in Serbien nicht gesprochen werden.[22]

4. Terror der Besatzer und serbischer Widerstand

Die bereits oben angeführten ideologischen Gründe führten dazu, daß bei der serbischen Besatzung von Anfang an mit menschenverachtender Härte vorgegangen wurde. Auf die Angehörigen der jugoslawischen Truppen blieb der Besatzungsterror nicht beschränkt. "Die ersten Massenmorde geschahen am 6. und 7. April 1941, als bei den als Einschüchterungs- und 'Bestrafungsaktionen' angelegten deutschen Luftangriffen auf das ungeschützte Belgrad mehrere tausend Menschen starben."[23] Mit Blick auf den kommenden Rußlandfeldzug konnten keine größeren Truppenkontingente bereitgestellt werden, um mögliche Aufstände zu unterdrücken. Statt dessen wurde von Anfang an auf Abschreckung durch größte Grausamkeit gesetzt.
Als etwa am 21. April 1941 ein deutscher Offizier erschossen wurde, wurde das gesamte Dorf Dobric, in dem der Vorfall geschehen war, niedergebrannt.[24] Obwohl ein sechzehnjähriger Jude, der ein Wehrmachtsfahrzeug angegriffen hatte, sich am 29. 7. 1941 stellte, wurden dennoch als Vergeltungsmaßnahme 100 Juden und 22 "Kommunisten" hingerichtet[25] - wobei sicherlich Zweifel erlaubt sind, ob diese "Kommunisten" überhaupt tatsächlich welche waren.
Durch wahllose Greueltaten wie diese erzeugte die deutsche Militärbesatzungsmacht nicht den gewünschten Effekt. Ganz im Gegenteil kann als sicher gelten, daß der Haß weiter Bevölkerungsteile Serbiens gegen die deutschen Besatzer dadurch nur noch verstärkt wurde und die Widerstandsbewegung im Untergrund Unterstützung hielt.
Dieser Widerstand, der ab dem Sommer 1941 in organisierter Form einsetzte, bestand aus zwei grundsätzlich unterschiedlichen Gruppen:
Zum einen waren dies die nationalistischen, königstreuen "Tschetniks"[26], deren bekanntester Führer Draza Mihailovic war. Zum anderen war dies der kommunistische Widerstand, dessen Ziele ganz im Gegensatz zu denen der Tschetniks nicht in der Wiederherstellung des Vorkriegszustands lagen. Dieser Gegensatz zwischen den beiden Gruppen führte dazu, daß sie nur höchst selten zusammenarbeiteten. Die Deutschen nutzten diesen Umstand dadurch, daß sie ab 1943 Tschetnik-Verbände für ihren Zweck einsetzten.[27]
Der Widerstand machte den schwachen deutschen Verbänden große Schwierigkeiten. Die Ausbeutung der Rohstoffe etwa wurde wegen laufender Überfälle auf den Transportwegen zeitweise schier unmöglich. Mit den kleinen polizeilichen Kräften allein konnte der Aufstand nicht bekämpft werden. "[...] Angesichts der Ausweitung der feindlichen Aktionen und der Tatsache, daß weitere Polizeikräfte nicht zugeführt werden konnten, ging am 11.8.1941 die Bekämpfung der Banden an das HK LXV und damit an die Besatzungstruppe über."[28] Am 16. September 1941 schließlich wurde General Böhme zum "Bevollmächtigten Kommandierenden General in Serbien" ernannt und mit der Durchführung mit der in "Weisung 31a" von Hitler befohlenen Gegenoffensive beauftragt. Durch ein Panzerregiment und eine aus Frankreich abgezogene Infanteriedivision wurden die Truppen verstärkt. Daß es jedoch hier eben nicht um einen Krieg im Sinne einer Auseinandersetzung zwischen Truppen ging, unterstreicht auch der, ebenfalls am 16. September, ergangene "Sühnebefehl" des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW). Böhme spezifizierte diesen Befehl seinerseits am 10. Oktober 1941:
"1. In Serbien ist es auf Grund der "Balkanmentalität" und der großen Ausdehnung kommunistischer und national getarnter Aufstandsbewegungen notwendig, die Befehle des OKW in der schärfsten Form durchzuführen. Rasche und rücksichtslose Niederwerfung des serbischen Aufstandes ist ein nicht zu unterschätzender Beitrag zum deutschen Endsieg.
2. In allen Standorten in Serbien sind durch schlagartige Aktionen umgehend alle Kommunisten, als solche verdächtigen männlichen Einwohner, sämtliche Juden, eine bestimmte Anzahl nationalistischer und demokratisch gesinnter Einwohner als Geiseln festzunehmen. Diesen Geiseln und der Bevölkerung ist zu eröffnen, daß bei Angriffen auf deutsche Soldaten oder Volksdeutsche die Geiseln erschossen werden [...]
3. Treten Verluste an deutschen Soldaten oder Volksdeutschen ein, so haben die territorial zuständigen Kommandeure bis zum Rgts. Kdr. abwärts umgehend die Erschießung von Festgenommenen in folgenden Sätzen anzuordnen:
a) für jeden getöteten oder ermordeten deutschen Soldaten oder Volksdeutschen (Männer, Frauen oder Kinder) 100 Gefangene oder Geiseln,
b) für jeden verwundeten deuschen Soldaten oder Volksdeutschen (Männer, Frauen oder Kinder) 50 Gefangene oder Geiseln.
Die Erschießungen sind durch die Truppe vorzunehmen."[29]
Die Verwicklung der Wehrmacht in Kriegsverbrechen gegen die serbische Bevölkerung ist nicht zu leugnen. "Der erste Exzess im Sinne dieses Befehls fand [bereits kurz vor seiner Publikation] am 4. Oktober statt, als nach einem Überfall auf ein Nachrichtenregiment, bei dem 21 deutsche Soldaten getötet wurden, General Böhme die Erschießung von 2100 Lagerinsassen, hauptsächlich Juden und Zigeunern, anordnete."[30] Die Bluttat zeigt einen besonderen Aspekt in der "Widerstandsbekämpfung": Angesichts der auf der Hand liegenden Schwierigkeit, für die angeordneten Strafaktionen tatsächlicher Widerstandskämpfer habhaft zu werden, wurden zu "Sühnemaßnahmen" zunehmend Juden und Zigeuner als "Sündenböcke".herangezogen, wohl auch gemäß der Überlegung, daß in der serbischen Bevölkerung so weniger Unmut gegen die Besatzer erzeugt würde.[31]
In einem Privatschreiben Harald Turners, des Chefs des Verwaltungsstabes, wird dieses Verfahren in seinem ganzen menschenverachtenden Zynismus geschildert:
"... Daß hier der Teufel los ist, weißt Du ja wohl. Es sind erhebliche Truppenvermehrungen hergekommen, die sich nun an das Aufräumen heranmachen, was aber mit den nötigen Schwierigkeiten verknüpft ist [...] Vor 5 Wochen ungefähr hatte ich bereits die ersten von 600 an die Wand gestellt, seitdem haben wir bei einer Aufräumungsaktion etwa wieder 2000 umgelegt, bei einer weiteren wieder etwa 1000 und zwischendurch habe ich dann in den letzten Tagen 2000 Juden und 200 Zigeuner erschießen lassen nach der Quote 1:100 für bestialisch hingemordete deutsche Soldaten und weitere 2200, ebenfalls fast nur Juden, werden in den nächsten 8 Tagen erschossen. Eine schöne Arbeit ist das nicht. Aber immerhin muß es sein, um einmal den Leuten klarzumachen, was es heißt, einen deutschen Soldaten überhaupt nur anzugreifen, und zum andern löst sich die Judenfrage auf diese Weise am schnellsten. Es ist ja eigentlich falsch, wenn man es genau nimmt, daß für ermordete Deutsche, bei denen ja das Verhältnis 1:100 zu Lasten der Serben gehen müßte, nun 100 Juden erschossen werden, aber die haben wir nun mal im Lager gehabt, schließlich sind es auch serbische Staatsangehörige, und sie müssen ja auch verschwinden[...]"[32]
Schon im Oktober 1941 also wird hier ganz offen die "Endlösung" durch Erschießung als ganz selbstverständlich erachtet. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Inkonsequenz der deutschen Argumentation: Die angeblich intendierte Abschreckung durch die Erschießungsmaßnahmen nämlich ließ sich durch die wahllose Erschießung von gefangenen Juden und Zigeunern sicher nicht erzielen. Die Vermutung liegt also nahe, daß schon der Befehl des Oberkommandos der Wehrmacht bereits eine Judenvernichtung in Serbien mit intendierte.
Wie solche Erschießungen vorgingen, schildert der deutsche Oberleutnant Walther in einem Bericht vom 1. November 1941:
"Nach Vereinbarung mit der Dienststelle der SS holte ich die ausgesuchten Juden bzw. Zigeuner vom Gefangenenlager Belgrad ab. [...] Das Erschießen der Juden ist einfacher als das der Zigeuner. Man muß zugeben, daß die Juden sehr gefaßt in den Tod gehen - sie stehen sehr ruhig - während die Zigeuner heulen, schreien und sich dauernd bewegen, wenn sie auf dem Erschießungsplatz stehen. Einige sprangen sogar vor der Salve in die Grube und versuchten sich tot zu stellen. [...] Mein persönlicher Eindruck ist, daß man während der Erschießung keine seelischen Hemmungen bekommt. Diese stellen sich jedoch ein, wenn man nach Tagen abends in Ruhe darüber nachdenkt."[33]
Wenn also im Juni 1942 der SS-Standartenführer Schäfer an das RSHA (Reichssicherheitshauptamt) melden konnte: "Serbien judenfrei", dann ist der Anteil der Wehrmacht an diesem Massenmord erheblich.
Eher an militärischen Erfolgen als an der Abschreckung lag es, daß Ende 1941 der serbische Widerstand entscheidend geschwächt werden konnte. Geholfen hat den deutschen Truppen sicherlich auch eine gewisse psychologische Wirkung der anfänglichen Erfolge im Rußlandfeldzug und der einsetzende Winter.[34]
Die harten Grundsätze wurden jedoch beibehalten. So heißt es etwa in den Richtlinien des Generals der Pioniere Kunze vom 19. März 1942 für die Bekämpfung der Befreiungsbewegung in Jugoslawien:
"1. Dem deutschen Soldaten steht in Serbien und Kroatien in den Aufständischen ein brutaler, hinterhältiger und verschlagener Gegner gegenüber, der vor keinem Mittel zurückschreckt, meist einen Rückhalt an der feindlich gesinnten Bevölkerung findet und die Befriedung und wirtschaftliche Ausnutzung des Landes untergräbt. Der deutsche Soldat muß deshalb noch verschlagener und rücksichtsloser sein und alle Mittel anwenden, die zum Erfolg führen [...]
Schon bei den geringsten Anmaßungen, Widerwilligkeiten oder Vergehen gegen das Waffenverbot ist sofort mit abschreckendsten Mitteln zu bestrafen."[35]
Es entbehrt in diesem Zusammenhang nicht einer gewisen zynischen Ironie, daß am 27. Juli 1943 Hitler selbst befehlen mußte, gefangene Freiheitskämpfer "nicht mehr grundsätzlich zu erschießen, sondern zur Arbeit zu deportieren. Ein entsprechender Befehl des Oberbefehlshabers Südost erging am 10. August 1943."[36] Durch die massenhaften Morde waren nicht mehr genügend Arbeitskräfte zur Ausbeutung der serbischen Rohstoffe vorhanden. Dennoch wurde die Behandlung der serbischen Bevölkerung bis zum Ende der Besatzung nicht wesentlich humaner.

5. Fazit


Der Vergleich der deutschen Militärverwaltung der Ukraine mit der Serbiens macht einen fundamentalen Unterschied deutlich: Während auf der einen Seite, in der Ukraine, eine bewußt weniger harte Behandlung der Bevölkerung stand und (zum Teil sehr erfolgreich) auf eine Kollaboration der Bevölkerung mit den Besatzern gesetzt wurde, stand auf der anderen Seite, in Serbien, von Anfang an eine ideologisch geprägte Besatzungspolitik bedingungsloser Härte mit dem Ziel der Abschreckung des Widerstandes. Die Verwicklung der Wehrmacht in Massenerschießungen ist durch zahlreiche Quellen belegt.
Bemerkenswert ist, daß die deutsche "Abschreckungspolitik" den beabsichtigten Erfolg weitgehend verfehlte. Ihre Grausamkeit steigerte die Ablehnung der Besatzer durch die Zivilbevölkerung und trug zu einer Unterstützung des Aufstandes bei.
Auch in wirtschaftlicher Hinsicht ist die Besetzung Serbiens als Mißerfolg zu werten. So stellt auch Schlarp fest, daß die Bilanz "[... ] insgesamt kaum den Erwartungen" entsprach. "[...]Die Ergebnisse der Rohstofförderung und der Auftragsverlagerungen [stellten] eher eine Enttäuschung dar, denn sie blieben gerade bei den begehrten Rohstoffen deutlich hinter denjenigen der Vorkriegszeit zurück."[37]
Eine stärkere serbische Selbstverwaltung, wie sie während der Besatzungszeit auch von deutscher Seite immer wieder gefordert wurde, hätte gegenüber dem weitgehend improvisierten deutschen Militärverwaltungs-System mit seiner unklaren Aufgabenverteilung und dem Kompetenzwirrwarr zweifellos Vorteile für die deutsche Seite gebracht.

6. Literatur

6.1. Quellen:


Seckendorf, Martin (Hg.): Okkupationspolitik des deutschen Faschismus in Jugoslawien, Griechenland, Albanien, Italien und Ungarn (1941 - 1945), Berlin 1992 (Europa unterm Hakenkreuz, Bd. 6).

6.2. Fachliteratur


Erpenbeck, Dirk-Gerd: Serbien 1941. Deutsche Militärverwaltung und serbischer Widerstand, Osnabrück 1976 (Studien zur Militärgeschichte, Militärwissenschaft und Konfliktsforschung, Bd. 10).
Manoschek, Walter: "Serbien ist judenfrei". Militärische Besatzungspolitik und Judenvernichtung in Serbien, München 1993 (Beiträge zur Militärgeschichte, Bd. 38).
Schlarp, Karl-Heinz: Wirtschaft und Besatzung in Serbien 1941 - 1944. Ein Beitrag zur nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik in Südosteuropa, Stuttgart 1986 (Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa, Band 25)..
Singleton, Fred: Twentieth Century Yugoslawia, London 1976.
Madajczyk, Czeslav: Restserbien unter deutscher Militärverwaltung, in: The Third Reich and Yugoslavia 1933 - 1945, hg. v. Institute for Contemporary History, Belgrad 1977, S. 458 - 476.
Tomasevich, Jozo: The Chetniks, Stanford/California 1975 (War and Revolution in Yugoslavia 1941 - 1945, Bd. 1).


[1] Dirk-Gerd Erpenbeck, Serbien 1941. Deutsche Militärverwaltung und Serbischer Widerstand, Osnabrück 1976 (Studien zur Militärgeschichte, Militärwissenschaft und Konfliktforschung, Band 10), S. 16.
[2] Zu diesem Bergwerk und weiteren Erzvorkommen Jugoslawiens siehe Karl-Heinz Schlarp, Wirtschaft und Besatzung in Serbien 1941 - 1944. Ein Beitrag zur nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik in Südosteuropa, Stuttgart 1986 (Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa, Band 25), S. 53 - 73.
[3] Erpenbeck, S. 16.
[4] Martin Seckendorf, Zur Okkupation Jugoslawiens durch Deutschland, in Martin Seckendorf (Hg.), Okkupationspolitik des deutschen Faschismus in Jugoslawien, Griechenland, Albanien, Italien und Ungarn (1941 - 1945), Berlin 1992 (Europa unterm Hakenkreuz, Bd. 6), S. 44 (nachfolgend zitiert als "Seckendorf").
[5] Wehrmachtpropagandatrupp "S", 1941, zitiert nach Walter Manoschek, "Serbien ist judenfrei". Militärische Besatzungspolitik und Judenvernichtung in Serbien, München 1993 (Beiträge zur Militärgeschichte, Bd. 38), S. 33.
[6] Manoschek, S. 21.
[7] Dazu Tomasevich: "It was an act of surrender, but under the circumstances it must have seemed to Prince Paul and his ministers, as well as to most Yugoslav politicians and generals, a lesser evil than hopeless armed resistance." - Jozo Tomasevich, The Chetniks, Stanford, California 1975 (War and Revolution in Yugoslavia, 1941 - 1945, Bd. 1), S. 40.
[8] Zit. nach Tomasevich, S. 47.
[9] Zu der Revolte und ihren "unlösbaren Problemen" siehe ausführlich Tomasevich, S. 46 - 53.
[10] Schlarp, S. 77.
[11] In: Hubatsch, Hitlers Weisungen für die Kriegsführung", S. 106 - 108, zit. nach Schlarp, S. 79.
[12] Hierzu auch Schlarp, S. 81: "Bei der Schnelle und Härte der Entscheidung über das Schicksal Jugoslawiens spielte auch der Vergeltungsgedanke eine wichtige Rolle, hinter dem immer noch die Vorstellung von einer 'historischen Schuld' der Serben als 'besonders heimtückischer Agenten' im europäischen Ränkespiel gegen die Interessen des Deutschen Reiches stand."
[13] ZStA Potsdam, Nürnberger Nachfolgeprozesse, Fall XI, Nr. 258, Bl. 10ff., Dok. 1746 Ps., zit. nach Seckendorf, Dok 2, S. 92. Protokollant: Major Eckhard Christian, 1. Gen. Stabsoffz. beim WFSt (Wehrmachtführungsstab).
[14] Seckendorf, S. 32.
[15] Präzisere Informationen zu Aufteilung, politischen Auseinandersetzungen zwischen den Bündnispartnern und finanziellen Fragen bei Schlarp, S. 90 - 108.
[16] Seckendorf, S. 33.
[17] Tomasevich, S. 92: "[...] the Banat was administered by the local Volksdeutsche. Of the total population of 640.000 in the Banat, the Volksdeutsche accounted for about 120.000, or 18.7 percent."
[18] Hierzu Schlarp, S. 112 - 115.
[19] Dem Verwaltungsstab unterstanden 3 Landesschützenbataillone aus älteren deutschen Landwehrpflichtigen (eine Art Ersatzheer), Einheiten der Feldgendarmerie sowie ein deutsches Polizeibataillon. Turner wurde am 7. November 1942 abgelöst.
[20] Franz Neuhausen zählt ohne Zweifel zu den schillerndsten Gestalten in Zusammenhang mit der deutschen Besetzung Serbiens: "Beim Kommandostab des Militärbefehlshabers beurteilte man Neuhausen [...] als 'umstrittene Persönlichkeit', [...] 'er war wohl für die Serben der verhaßteste Mann unter den deutschen Dienststellen'" (Schlarp, S. 129). "Er sollte soviel wie möglich aus der serbischen Landwirtschaft herausholen und Rohstoffe liefern. Neuhausen handelte geschickt, kaufmännisch und mit Gewalt. Seine Freundschaft mit Göring erlaubte ihm, auf nichts Rücksicht zu nehmen." (Czeslaw Madajczyk, 'Restserbien' unter deutscher Militärverwaltung, in: Institute for Contemporary History (Hg.): The Third Reich and Yugoslawia 1933 - 1945, Belgrad 1977, S. 458). Diese Freundschaft war es dann wohl auch, die dazu führte, daß Neuhausen trotz wiederkehrender Klagen über undurchsichtige Führung von "Sonderkonten" und die Vermischung von privaten, wirtschaftlichen Interessen mit administrativen Funktionen bis zum Juli 1944 im Amt blieb. Dann " [...] wurde er auf Befehl Hitlers verhaftet und nach Deutschland gebracht." (Schlarp, S. 136). Bis dahin war Neuhausen, so Schlarp, "[...] unter den maßgeblichen Repräsentanten der deutschen Besatzungsmacht in Serbien zweifellos der einflußreichste und letztlich wohl sogar der erfolgreichste. [...] [E]s gelang ihm [...], die serbische Wirtschaft weitgehend einer planmäßigen Lenkung zu unterwerfen [...]." (Schlarp, S. 134 - 135).
[21] So half die Kollaborationsregierung den Deutschen unter anderem durch die Aufstelllung von serbischen Freiwilligenverbänden und einer Hilfspolizei (oft in der Literatur als "Quislingspolizei" bezeichnet). Zur Machtlosigkeit der Regierung schreibt Madajczyk (S. 468): "In der Militärverwaltung wurden die Beschlüsse der Nedic-Regierung im Einverständnis mit [dem Gesandten des Auswärtigen Amtes] Benzler untersucht, die meisten wurden abgelehnt. Anstatt der Anerkennung der Regierung als Vertreter der Bevölkerung wurde vorgeschlagen, die Militärkommandanten anzunehmen und begreiflich zu machen, 'daß sie Regierung eines besiegten und vom Feind besetzten Landes ist, die sich in ihren Maßnahmen in die Erfordernisse der Kriegsführung einzufügen hat.'" Zu einer vergleichsweise positiven Bewertung der Nedic-Regierung gelangt Schlarp (S.152): "So wurde aus der Nedic-Administration eine 'Marionettenregierung' mit tragischem Anstrich, die [...] letztlich nur wenig für die serbische Bevölkerung tun konnte. Dennoch ist die Frage angebracht, was ohne die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Besatzungsmacht aus Serbien geworden wäre. Die Annahme scheint nicht unbegründet, daß dem Land dadurch ein insgesamt weitaus härteres Los erspart blieb [...]". Wie dieses "weitaus härtere Los" gegenüber der ohnehin schon brutalen Vorgehensweise der Deutschen hätte aussehen sollen, erläutert Schlarp nicht.
[22] Hierzu wichtig und aufschlußreich auch die Ausführungen Manoscheks, S. 40ff.
[23] Seckendorf, S. 44.
[24] Manoschek, S. 31. In Kontrast dazu folgende Äußerung Erpenbecks: "Einen ersten [!] Bruch mit dem geltenden Kriegsrecht bedeutete die Erschießung von 80 völlig unbescholtenen Personen als direkte Repressalie für den Überfall auf eine deutsche Polizeistreife bei Uzice, bei der am 28. 7. 1941 ein Polizist getötet und einer verschleppt worden waren." (S. 121).
[25] Manoschek, S. 44.
[26] "Cet-nik" nach "ceta" = Schar, Kompanie.
[27] Eine gründliche Beschreibung und Bewertung der "Tschetnik"-Bewegung findet sich bei Tomasevich: "The Chetniks".
[28] Erpenbeck, S. 84.
[29] Aus dem Befehl vom General der Infanterie Franz Böhme vom 10. Oktober 1941 zur Niederwerfung des Aufstandes in Serbien, ZStA Potsdam, Film Nr. 10339, zit. nach Seckendorf, Dok. Nr. 48, S. 172.
[30] Schlarp, S. 159.
[31] Hierzu auch Manoschek, S. 54.
[32] ZStA Potsdam, Nürnberger Nachfolgeprozesse, Fall XI, Bd. 378, Bl. 39f., Dok. NO 5810, zit. nach Seckendorf, Dok. Nr. 50, S. 174.
[33] ZStA Potsdam, Film Nr. 44 302; Nürnberger Prozeßmaterial, Dok. NOKW - 905, zit. nach Seckendorf, Dok. Nr. 58, S. 178/179.
[34] Ausführlich zur deutschen Offensive und der Zerschlagung des serbischen Widerstandes: Erpenbeck, S. 107 - 118.
[35] ZStA Potsdam, Film Nr. 40.710; Nürnberger Prozeßmaterial, Dok. NOKW 1250. Zit. nach Seckendorf, Dok. Nr. 81, S. 195.
[36] Seckendorf, S. 43.
[37] Schlarp, S. 415.