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§;1 Theorie und Begriffe der Mobilitätsforschung
1.1 Die Definition der sozialen Mobilität
1.2 Persönlicher Übergang und Übergang in der Generationenfolge
1.3 Auf- und Abstieg horizontale und vertikale Mobilität
1.4 Die Weite der Bewegung Kurz- und Langstreckenmobilität
1.5 Individuelle und kollektive Mobilität
1.6 Umschichtung der Gesellschaft erzwingt Statuswechsel
1.7 Soziale Durchlässigkeit Offen- und Geschlossenheit
1.8 Die Unvermeidbarkeit von Ungleichheit
1.9 Allgemeine Determinaten sozialer Mobilität
1.10 Die Wirkungen von Mobilität auf Gesellschaft und deren Struktur
1.11 Untersuchungsverfahren der Mobilitätsforschung
2 Soziale Mobilität in der DDR: Umbruch und Erstarrung
2.1 Revolutionäre Umwälzung der Sozialstruktur
2.2 Abnehmende Mobilität zunehmende Blockierung des sozialen Aufstiegs
2.3 Generationenmobilität in der Berufsstruktur
2.4 Geschlechtsspezifische Unterschiede in den Mobilitätsmustern
3 Soziale Mobilität in den neuen Bundesländern: Strukturumbruch und Zirkulation im Zeitraffertempo
3.1 Mobilitätskonturen
3.2 Mobilitätsfolgen
4 Literaturverzeichnis
Soziale Mobilität ist ein vielseitiger und in mancher Hinsicht nicht unproblematischer Begriff. In diesem Kapitel sollen die Definitionen erläutert und auf die allgemeinen problematischen Seiten eingegangen werden.
Soziale Mobilität ist die Bewegung von Individuen zwischen den Positionen einer Struktur der Gesellschaft. Es geht also nicht, wie vielleicht zu vermuten wäre, grundsätzlich um die Mobilität ganzer Gruppen, sondern ganz allgemein um die Mobilität von Einzelpersonen.
Die am häufigsten untersuchte Mobilitätsart, ist die der beruflichen Mobilität, also der Wechsel zwischen den Berufen. Informationen über Berufe sind relativ leicht zu bekommen und dennoch recht aussagekräftig.
Voraussetzung für die Bestimmung der sozialen Mobilität ist eine irgendwie geschichtete Gesellschaft. Und schon hier stößt man unweigerlich auf erste Probleme, denn wie das Schichtungsfeld einer Gesellschaft beschaffen ist, ist keinesfalls ein objektives Faktum, sondern von einer mehr oder weniger willkürlichen Definition abhängig. Es ist nicht nur eine Frage der detaillierter Betrachtung, sondern bestimmend für den Befund selbst. Geißler weißt darauf hin, daß "...die Zahl der registrierten Schichtübergänge steigt, wenn man mit einem 10-Schichten-Modell statt mit einem 5-Schichten-Modell oder gar mit einem 2-Schichten-Modell arbeitet, obwohl die Realität der Mobilität die selbe geblieben ist." (Geißler 1996, 231). Geiger geht hier sogar noch weiter, indem er ausführt, daß die Mobilität nicht eine gegebene Größe sei, die es zu messen gelte, sondern vielmehr eine Funktion des Schichtungsfeldes, das man zum Zwecke der Mobiliätsmessung konstruiere (vlg. Geiger 1962, 121).
Die Ergebnisse der Mobilitätsforschung deswegen allerdings als willkürlich und aussagelos zu betrachten, ist hier jedoch so nicht angebracht. Vielmehr erfordert es eine genaue Betrachtung der Voraussetzungen und der gewonnen Daten um das zu erfassen, was sich innerhalb einer strukturierten Gesellschaft abspielt.
Weniger wird die Einkommens- oder Vermögensmobilität, also der Wechsel zwischen unterschiedlichen Einkommens- oder Vermögensgruppen, oder die Bildungsmobilität, Wechsel zwischen verschiedenen Bildungsniveaus, Gegenstand der Untersuchungen über soziale Mobilität.
Die Ergebnisse von Mobilitätsstudien werden auch entscheidend davon beeinflußt, welche Mobilitätsart untersucht wird. Man unterscheidet zwischen intergenerationaler Mobilität (Mobilität zwischen den Generationen) und intragenerationaler Mobilität (Karriere-mobilität). Intergenerational mobil sind Personen, deren Zugehörigkeit zu einer Schicht sich von der ihrer Eltern oder Vorfahren unterscheidet. Arbeiter aus Akademikerfamilien, Angestellte aus Bauernfamilien sind intergenerational mobil.
Ist die Schichtzugehörigkeit zwischen den Generationen gleich, spricht man von Berufsvererbung oder Selbstrekrutierung.
Unter intragenerationaler Mobilität versteht man die Veränderung der Schichtzugehörigkeit einer Person im Laufe ihres Lebens. Ein Facharbeiter, der sich zum Techniker fortbildet, ein Bauer, der sein Land verkaufte und Bauarbeiter wurde, eine Verkäuferin, die einen Abteilungsleiter heiratete, sind intragenerational mobil. (vgl. Kaelble 1978, 156)
Man könnte jedoch anfügen, diese Unterscheidung sei inhaltlich unsauber, denn auch der Übergang in der Generationenfolge ist "persönlich". Hier werden die Begriffe des Startes und der Laufbahn interessant: "Als kritischer Punkt wird der Eintritt in das aktive gesellschaftliche Dasein gewählt. Als Übergang in der Generationenfolge erscheint dann der Fall, in dem der Nachkomme seine Laufbahn als aktives Glied der Gesellschaft auf einer anderen Ebene startet als seine Eltern sich befinden. Persönlicher Übergang liegt vor, wenn eine Person im Verlauf ihrer Lebensbahn als aktives Glied der Gesellschaft auf eine andere soziale Ebene hinüberwechselt." (Geiger 1962, 118)
Als Maß und Indikator für die Offen- oder Geschlossenheit einer Gesellschaft gelten in diesem Zusammenhang die Zustrom- und Abstromquoten. Abstromquoten stellen fest, was aus den Angehörigen einer Schicht oder ihren Kindern wird. Interessiert man sich dafür, wieviele Arbeiter Gewerkschafts- und Parteifunktionäre werden oder wieviele Unternehmersöhne wiederum Unternehmer werden, fragt man nach den Abstromquoten.
Zustromquoten dagegen lassen erkennen, woher die Angehörigen einer bestimmten Schicht stammen. Untersucht man, wieviele Arbeiter abgestiegene Handwerker oder Unternehmer waren, oder wie häufig sich Millionäre aus Arbeiterfamilien rekrutieren befaßt man sich mit Zustromquoten. (vgl. Kaelble 1978, 157)
Pitrim A. Sorokin (1889-1968) prägte die Unterscheidung zwischen horizontaler und vertikaler Mobilität. In einem Schichtungsgefüge werden die Bewegungen in alle Richtungen vollzogen, das heißt, sowohl in der Richtung, in der die Bewegungen allgemein als Auf- oder Abstieg bewertet werden, als auch innerhalb von einer Lage, die in sich etwa den selben Status besitzt.
Der Wechsel vollzieht sich hier durch Kanäle oder Siebe. Hierunter fallen alle am Sozialisationsprozeß beteiligten Gebilde und Institutionen, wie zum Beispiel Familie, Schule, Beruf, aber auch materieller Besitz und Heirat, die eine Positionsveränderung in einer Gesellschaft ermöglichen.
Wieder stellt sich die Frage, welcher Maßstab hier zugrunde liegt. Auf- und Abstiege sind wertungsbeladen und erfordern eine Struktur, in der Schichten als höher oder tiefer angesehen werden. Geiger greift dieses Problem auf: "Die immer tiefer greifende funktionelle Gliederung der Gesellschaft und das Verschwinden der letzen Reste ständischer Vorstellungen haben mit sich gebracht, daß ein und derselbe soziale Platz im Verhältnis zu anderen Plätzen von verschiedenen Gesellschaftsschichten ungleich eingeschätzt wird" (Geiger 1962, 126). Er fordert deswegen sogar von den (wertenden) Kategorien des Auf- und Abstiegs abzusehen. Ob man Geiger so weit folgen kann ist fraglich, jedoch ist zumindest wichtig bei der Benutzung der Kategorien Auf- und Abstieg zu wissen, auf welche Basis man baut.
Wie weit die Bewegung im sozialen Stratifikationsgefüge geht, bezeichnet man mit Kurz- bzw. Langstreckenmobilität. Kurzstreckenmobilität ist somit ein Wechsel zwischen benachbarten Schichten, Langstreckenmobilität bezeichnet die Fluktuation zwischen Positionen, die sich in ihrem Rang auf der Schichtungsskala erheblich voneinander unterscheiden. Hierbei müssen auch die sogenannten Durchgangsschichten angesprochen werden. Diese bezeichnen die "Wegaufenthalte" in der Bewegung in eine entferntere Schicht. So kann zum Beispiel die Generationenabfolge Arbeiter Angestellter Akademiker, im Gegensatz zum direkten Wechsel (Langstreckenmobilität), als eine Fluktuation durch eine Durchgangsschicht angesehen werden.
Bei der unechten Mobilität findet dagegen überhaupt keine Bewegung statt. Ohne signifikante und konkrete Verbesserungen weder des sozialen Ranges noch von Belohnungen, dient die unechte Mobilität dazu, die Moral und Motivation der Mitglieder einer Gesellschaft zu erhalten und Unzufriedenheit so auf einem recht einfachen Weg abzubauen. Beispielhafte Strategien sind die Ermöglichung des Erwerbs billiger Imitationen von Statussymbolen der oberen Schichten auch für niedriger eingestufte Mitglieder des Systems oder auch die Beschönigung von Berufsbezeichnungen.
Hierdurch wird also die Erscheinung der Statussituation verändert ohne wirkliche Auswirkungen im Gefüge.
Die Bewegung eines Einzelnen, der in einem Schichtgefüge seinen Position verändert, wird als individuelle Mobilität gefaßt. Ebenso ist aber jedoch auch möglich, daß eine ganze Kategorie von Personen als solche einen Statuswechsel vollzieht. Im Anschluß an Theodor Geiger (1891-1952) wird letzteres mit kollektiver Mobilität bezeichnet. Ein oft zitiertes Beispiel hierfür ist die Einführung eines Hochschulstudiums für Volksschullehrer, die die Gesamtheit der Lehrer von einem dem mittleren Beamtentum verwandten Status in dem der Akademiker übergleiten ließ.
Nicht zu verwechseln mit der kollektiven Mobilität, also der Art von Neubewertung einer ganzen Gruppe, ist die Strukturmobilität. Strukturmobilität ist ein Indikator der eine erzwungene Mobilität anzeigen soll, erzwungen durch strukturelle Veränderungen.
Schrumpft beispielsweise die Berufsgruppe der Landwirte, so entstehen dadurch Mobilitätsvorgänge, da entweder die Landwirte selbst oder aber deren Söhne in andere Berufsgruppen überwechseln (müssen). Je einschneidender die beruflichen und sozialen Strukturwandlungen sind, desto stärker ist ihre Auswirkung auf die soziale Mobilität.
Sog- und Abstoßeffekte sind hier also die Verursacher der Strukturmobilität, die aber dennoch eine Schichtveränderung Einzelner darstellt, die zwar in größerem Maße verläuft, jedoch subjektiv motiviert ist.
Das Gegenteil der Strukturmobilität ist die Zirkulationsmobilität (auch: Austauschmobilität oder überflüssige Mobilität), die durch individuelle Leistungen, Fähigkeiten und Entscheidungen bestimmt wird.
Struktur- und Zirkulationsmobilität können natürlich nur soweit unterschieden oder erfaßt werden, wie das jeweilige Schichtungsmodell der Untersuchung es erlaubt und dazu sind die Indikatoren auf sehr einfachen Annahmen über Wandlungen der Schichtstruktur aufgebaut: Es wird angenommen, daß mobile Personen aus zurückgehenden Berufsgruppen direkt in wachsende Berufsgruppen überwechseln, während in der Realität sehr viel kompliziertere Mobilitätsvorgänge möglich sind. So geht vielleicht die Landwirtschaft zurück und die Angestelltenberufe nehmen zu, dann bedeutet dies nicht unbedingt, daß Landwirte Angestellte werden. Ebenso ist es möglich, daß Landwirte zu Arbeiter werden, während Arbeiter zu Angestellten überwechseln. (vgl. Kaelble 1978, 164ff)
Zwischen den beiden Extremen der vollständig mobilen Gesellschaft, in der jeder die absolut gleiche Chance hat eine Position zu erreichen und der vollständig geschlossenen Gesellschaft mit einer Selbstrekrutierungsquote von 100 Prozent ohne jede Veränderungen der Schichten steht irgendwo die wirkliche Gesellschaft.
Die wesentlichen Faktoren, die den Grad der sozialen Durchlässigkeit in vielen sozialistischen und kapitalistischen Industriegesellschaften bestimmen, haben 1990 Erikson und Goldthorpe in vier Faktoren festmachen können:
Es wird angenommen, daß keine Gesellschaft ohne irgendeine Form von institutionalisierter Ungleichheit überleben kann und hierfür einige Feststellungen getroffen:
Bei Untersuchungen über soziale Mobilität, darf die Gesellschaft nicht vergessen werden, in der sie sich abspielt. Die politischen Fragen und Probleme einer Gesellschaft im Hinblick auf die soziale Mobilität zählt Tumin auf:
"Da ist einmal das Problem, wie wünschenswert, wertvoll oder demokratisch eine Gesellschaft ist gemessen an der Chance der Bevölkerung, sich zu verbessern. Zweitens ist damit die Frage verbunden, wieviele Chancen eine effektive Begabungsrekrutierung für Wachstum, Entwicklung und Produktivitätsanstieg in einer Gesellschaft liefert. Ein drittes Problem betrifft die Fähigkeit einer Gesellschaft, inmitten allgemeinen Wandels Ordnung und Kontinuität bei möglichst geringer Unzufriedenheit aufrechtzuerhalten. Einen vierten Aspekt bildet die Ungleichheit zwischen Nationen und die damit verbundene politische Problematik." (Tumin 1970, 123)
Soziale Mobilität wird durch die Struktur einer Gesellschaft bestimmt. Ebenso muß jedoch auch gesehen werden, daß soziale Mobilität und Fluktuation im Gegenzug die Sozialstruktur und die Gesellschaft selbst beeinflußt. Dies wird einerseits daran klar, daß man die Bewegung im Stratifikationsgefüge als Ventil für den sozialen Auftrieb benachteiligter Schichten versteht. Eine Verhinderung sozialer Positionsveränderung, sei es durch Bemühen einzelner Personen oder Gruppen, die um ihre eigene Position fürchten, oder aber die verschiedenen Ausmaße der Wünsche nach sozialer Veränderung und der Begrenztheit an eben dieser Erfüllbarkeit, führt zwangsläufig zu Unzufriedenheit und der Erzeugung revolutionärer Kräfte, die auf die Umformung dieses Gefüges drängen.
Eine weitere Wirkung von Fluktuationen auf die Schichtstruktur findet sich bei Geiger. Als Beispiel legt er hier die Bauernschicht dar, die in der Schrumpfung begriffen, Personen aus ihrem Kreis abstößt (Strukturmobilität). Bei der Frage, welche Personen nun den Beruf ihrer Eltern ergreifen und welche in andere Schichten streben kommt Geiger zu dem Schluß, daß wohl die Beweglichsten, Wagemutigsten und Umstellungsfähigsten abwandern und aufgrund des Sektoreneffekt und der Strukturmobilität kein Zustrom aus anderen Schichten in die Bauernschicht erfolgt. Dies führe so zu einer erbbiologischen Absiebung und infolge herabgesetzter Durchschnittstüchtigkeit, zu einem wirtschaftlichen und sozialen Rückgang.
"Der Deflux hat dann den Status der Ausgangsschicht geändert. Das Gleichgewicht im Schichtungsgefüge der Gesellschaft ist durch die Fluktuation verlagert." (Geiger 1962, 145)
Als andere Veranschaulichung kann beispielsweise die Überakademisierung gesehen werden, bei der ein Überangebot an Akademikern zu einem Funktionsrangverlust dieser ganzen Gruppe führte.
Die Beeinflussung der Mobilität durch die Struktur und umgekehrt ist ein ständiges Wechselspiel. Beide Prozesse begleiten regelmäßig einander. Diese Ansicht der doppelten Dynamik führt dazu, daß nicht nur die Mobilität als Bewegung gesehen werden muß, sondern auch die Struktur einer Gesellschaft. Es gibt hier also keine Statik.
Die Bedeutung von Mobilität für eine Gesellschaft wird manchmal auch darin gesehen, daß damit die adäquate Besetzung von beruflichen Positionen gewährleistet wird und damit der größtmögliche Vorteil für das Bestehen einer Gesellschaft erreicht wird. "Der beste Mann am richtigen Platz". Eine recht zweifelhafte Ansicht, da man in der Realität wohl nicht von der vollständig mobilen Gesellschaft ausgehen kann. Besonders die hohen Selbstrekrutierungsquoten ließen sich hier als Gegenargument anführen, wobei allerdings von den Befürwortern hierbei der Begriff der Vererbung eingeführt wird. Eine somit genetische Determination des Status.
Die Einschätzung hoher Mobilitätsraten ist sehr ambivalent. Empirisch abgesicherte Aussagen über die Folgen hoher oder niedriger Mobilität sind bisher noch nicht möglich. Einerseits wird darauf verwiesen, daß eine Gesellschaft mit einer relativ durchlässigen Sozialstruktur sich eher inneren und äußeren Wandlungs- und Innovationsprozessen anpassen kann und aufgrund der bestehenden Mobilitätschancen die Entfaltung persönlicher Fähigkeiten erlaubt. Andererseits könne mit hohen Mobilitätsraten auch gehäuft Anpassungsprobleme, Statusängst usw. verbunden sein, die zu sozialen Konflikten führen, welche der oben angesprochenen Wirkung von Mobilität als soziales Ventil gegenüberstehen.
Hier soll nur kurz auf zwei Hauptuntersuchungstypen der Mobilitätsforschung eingegangen werden. Dies wäre der Vergleich von Erhebungen zu verschiedenen Zeitpunkten und die Kohortenanalyse.
Erhebungen, die in einer Gesellschaft zu verschiedenen Zeitpunkten durchgeführt werden, lassen recht genaue Aussagen über den Strukturwandel und die Mobilitätsprozesse zu. Der historische Vergleich hat aber aus technischen Gründen Grenzen. Auf nationaler Ebene ist er fast immer erst für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg möglich, da erst ab dann entsprechende Untersuchungen durchgeführt wurden.
Die Kohortenanalyse stützt sich ausschließlich auf Daten gegenwärtiger Mobilitätserhebungen. Hierbei werden die Befragten in verschieden Jahrgangsgruppen (Kohorten) eingeteilt und es wird angenommen, daß die Veränderungen der Mobilitätsraten zwischen den älteren und jüngeren Jahrgängen den historischen Wandlungen der sozialen Mobilität entsprechen. Es gibt hierbei einige Probleme der Ungenauigkeit und mögliche Fehlerquellen, doch immerhin ist die Kohortenanalyse die einzige Möglichkeit mit der sich auch über einen weit zurücklegenden Wandlungsprozeß Aussagen gemacht werden können.
Hauptsächlich findet in der Literatur die Mobilität der männlichen Linie Beachtung. Dies ist ein grundsätzliches Manko, daß man der Mobilitätsforschung anlasten könnte, doch in dieser Richtung hat inzwischen auch ein Umdenken eingesetzt.
Nach diesen theoretischen Darstellungen soll im Folgenden nun die konkrete Entwicklung der sozialen Mobilität in Ostdeutschland im nächsten Kapitel behandelt werden.
Zu Beginn meiner Ausarbeitung möchte ich zwei Begriffe klären, die im folgenden Text eine Rolle spielen.
Der erste Begriff ist der, der sozialistischen Intelligenz. (Geißler 1996, 156)
Neben den unteren, mittleren Angestellten und der sozialistischen Dienstklasse ist die sozialistische Intelligenz eine der 3 Hauptklassen der offiziellen Grundgliederung der sozialistischen Gesellschaft. Ihre traditionelle Definition ist, daß die sozialistische Intelligenz aus Menschen besteht, welche vorwiegend geistige, eine hohe Qualifikation erfordernde Arbeit leisten. (Aßmann u.a. 1977, 307) Dies sind z.B. Personen mit Hoch- oder Fachschulabschluß. Die sozialistische Intelligenz unterteilt sich in viele Gruppen mit unterschiedlichen Funktionen, Qualifikationen, Arbeitsinhalten, Mentalitäten und Lebensweisen. Somit ist sie die sozial heterogenste Gruppierung.
Wie bereits erwähnt, gibt es vertikale und horizontale Unterteilungen. Die sozialistische Intelligenz läßt sich sehr gut vertikal untergliedern und besteht somit aus einem unteren und einem oberen Bereich. Der obere Bereich ist der innovative Kern und besteht aus hochqualifizierten Wissenschaftlern und Ingenieuren. Ihre Aufgabe ist es, zukunftsbestimmte, schöpferische Leistungen zu vollbringen. Der untere Bereich besteht aus Berufstätigen mit Fachschulabschlüssen mittleren Niveaus. Ihre Aufgaben sind Teile der "produktionsnahen wissenschaftlichen, technischen Intelligenz". Leider war es so, daß die Qualifikationsanforderungen am Arbeitsplatz häufig unter ihrem Niveau lagen. Eine Besonderheit waren die folgenden Entwicklungstendenzen von Soziallage und Mentalität:
1. Nivellierung (Geißler 1996, 62)
Es gab in der DDR zwei Prinzipien, zwischen denen sich ein Spannungsfeld entwickelte: Erstens Verstand sie sich als "sozialistische Leistungsgesellschaft" in der, "gleicher Lohn für gleiche Leistung" gezahlt werden sollte und zweitens war die Einkommenspolitik dem grundlegendem, sozialistischem, egalitärem Prinzip der "Annäherung aller Klassen und Schichten" verpflichtet. Sollte also die materielle Lage der verschiedenen Bevölkerungsschichten immer mehr angleichen.
Das Spannungsfeld zwischen diesen beiden Prinzipien führte dazu, daß die Einkommensunterschiede zwischen den verschiedenen Einkommensbeziehern (Arbeiter, Angestellte usw.) nivellierte.
Das quanitativeWachstum der sozialistischen Intelligenz führte zu Einbußen an der Exklusivität (Privilegien und Besonderheiten des Sozialprofils). Außerdem wurde durch die egalitäre Politik der "Annäherung aller Klassen und Schichten" dieser Nivellierungsprozeß in der DDR weiter vorangetrieben als in der BRD. Wegen der Wohlstandsdefizite, sozialer Nivellierung und der günstigen Soziallage von Arbeitern und Bauern wurde die DDR als eine nach unten nicht zur Mitte nivellierte Arbeiter- und Bauerngesellschaft charakterisiert. Dieser Nivellierungseffekt wurde noch dadurch verstärkt, daß Geld relativ wertlos war, wegen der Mängel im Waren- und Dienstleistungsangebot.
Gegenläufige Tendenzen waren im Bildungswesen vorhanden, weil der sozialistischen Intelligenz zwar materielle Privilegien genommen wurden, aber Bildungsprivilegien für ihre Kinder waren gesichert.
2.SED-Loyalität
Die sozialistische Intelligenz war der Forderung nach SED-Loyalität ausgesetzt. Ein Beispiel dafür ist, daß viele Intelligenzler der SED beitraten, ob nun aus politischer Überzeugung oder weil die Mitgliedschaft die berufliche Karriere erst ermöglichte oder ungemein erleichterte. Zwischen 50-64% der Männer und 18-46% der Frauen aus mittleren und höheren Führungsschichten standen offen zu ihrer Systemloyalität durch ihre Mitgliedschaft in der SED. (Solga 1994, 220)
1979 kamen 49% der Studierenden aus SED-Familien. Mindestens 80% der Hochschullehrer waren SED-Mitglieder. (Jessen 1994, 243)
Dieser Anpassungsdruck hatte zur Folge, daß sich kleine am Rande stehende Minderheiten mit systemkritischen Einstellungen erhielten. (z.B. künstlerische, literarische Intelligenz) Diese entwickelten sich auch zur ostdeutschen Bürgerrechtsbewegung.
Insgesamt war die sozialistische Intelligenz durch starke politisch ideologische Einbindung in die zentralistisch gesteuerte Herrschaftsstruktur daran gehindert, eine wesentliche Aufgabe wahrzunehmen, die im Sinn einer "liberal-demokratische" Gesellschaft zukommt.(Geiger 1949, 52ff)
3. Mangel an Effizienz
Ursachen für den Mangel an Effizienz waren die Tendenzen falscher Nivellierung in der Intelligenzentwicklung und ihre politisch-ideologische Gängeregelung. Die materielle Belohnung und Anerkennung für besondere Leistungen waren unzureichend und es fehlte ein geistiges Klima. Die strukturelle Nivellierung hatte auch noch zur Folge, daß es zu Nivellierungen in der Persönlichkeitsentwicklung kam. Weitere Ursachen waren, die Belastung mit intelligenzunspezifischen Verwaltungs-und Routinearbeiten, Unterforderung durch unterqualifizierten Einsatz, Einbindung in Arbeitskollektive (Bequeme wurden in Ruhe gelassen und Motivierte gebremst), fehlende internationale Kontakte und die Belastung durch Versorgungsmängel im Alltag. Das alles führte dazu, daß die Kreativität, Phantasie, Risikobereitschaft und Intelligenz den Menschen ausgetrieben wurde, dafür wurde Untertanengeist, geistiger Provinzialismus, Duckmäusertum und intellektuelle Mittelmäßigkeit gezüchtet. (Mitter & Wolle 1993, 480)
Der zweite Begriff, den ich noch erklären möchte ist das Proporz-Dogma. Die neue sozialistische Intelligenz sollte sich ständig aus allen Gruppen der Gesellschaft heraus erneuern. Dies wird das Prinzip der "proportionalen Rekrutierung der Intelligenz" genannt oder einfach nur "Proporz Dogma".
Nun möchte ich zum eigentlichen Teil meiner Ausarbeitung kommen. Ich beginne mit der:
Durch den Aufbau der neuen sozialistischen Ordnung in der Nachkriegszeit entstand in der DDR eine Phase hoher Mobilität. Das Ziel der Gesellschaftspolitik war, die gehobenen, "bürgerlichen" Schichten durch eine systemloyale "neue sozialistische Intelligenz" zu ersetzen und diese sollte größten Teils proletarischer Herkunft sein. Wegen der konsequenten Entnazifizierungspolitik mußten mehr als eine halbe Million ehemaliger NSDAP-Mitglieder ihre gehobenen oder höheren Positionen verlassen. In diese frei gewordenen Stellen rückten zuverlässige und meistens auch in Schnellkursen ausgebildete Menschen nach z.B. Volksrichter und Staatsanwälte usw., und sie kamen größten Teils auch aus der Arbeiterschaft oder den unteren und mittleren Schichten. Allein zwischen 1945-1955 stiegen 150.000 ehemalige Produktionsmitarbeiter in leitenden Funktionen in Staat und Wirtschaft auf, dadurch veränderte sich das Sozialprofil des Wirtschaftsmanagements sehr stark.
1945 waren bei den Leitern der volkseigenen Betriebe nur noch 6% ehemals leitende Angestellte übrig geblieben. 24% waren ehemalige Arbeiter und 31% ehemalige Angestellte.
1948 stammten bereits 50% der Leiter volkseigener Betriebe aus der Arbeiterschaft.
Schon zwei Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes war der Generationenwechsel in der Spitze und der oberen Mitte fast vollzogen. Als Beispiel dafür möchte ich nennen, daß 1964 80% der Angehörigen der Intelligenz der "neuen sozialistischen Generation" angehörten. Grund dafür ist, daß sie ihre Ausbildung nach 1951, also schon im neuen Erziehungssystem gemacht haben. In der Abbildung 11.4. aus Geißler, 1996 (Anhang) wird bewiesen, daß die Intelligenz zum größten Teil aus sozialen Aufsteigern (Arbeiter-, Bauern-Angestelltenschichten) bestand. Besonders stark ist dies bei den Offizieren und den Staatsanwälten angezeigt.
Zu der abnehmenden Mobilität in der DDR gibt es hier nur sehr wenige Daten, deshalb läßt sich diese Entwicklung nur unvollkommen nachvollziehen.
Es gab damals drei Tendenzen des Strukturwandels, welche ich im folgenden etwas erläutern möchte:
Bildungsexpansion bedeutet den Ausbau der sekundären (Kl.5-13 berufliche Schulen) und der tertiären Bereiche (hoch- oder Fachschulen). Das bedeutet auch, daß immer mehr Menschen im Bildungssystem verweilen. Aus sozialstruktureller Sicht hieße dies, daß es zu Verbesserung der Qualififikationsstruktur und zur Höherqualifizierung der Bevölkerung führt. Auch in der Realität ist das Qualifikationsniveau der erwerbstätigen Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten angestiegen. (Geißler 1996, 250ff)
In den 50er Jahren bestand die Mehrheit der Berufstätigen aus Un- und Angelernten, später waren sie nur noch eine Minderheit.(siehe Abb.12.1 aus Geißler, 1996 im Anhang)
Schichtungssoziologisch bedeutete diese Höherqualifizierung der Bevölkerung eine Umschichtung nach oben. Im Grunde genommen war diese Bewegung in der BRD und der DDR gleich, mit dem Unterschied, daß diese Schübe in der DDR eher, schneller und umfangreicher verliefen als in der BRD.
Ein erheblicher Teil der Ungelernten in der DDR waren Ausländer. Die Qualifikationsanforderungen in der DDR stiegen ständig an, und das hatte zur Folge, daß immer mehr Berufstätige unterqualifiziert waren. In der DDR wurde die gesellschaftliche und ökonomische Bedeutung der Bildung eher erkannt als in der BRD.
Durch die Bemühungen um möglichst gute Bildungschancen und die Ankurbelung der "wissenschaftlich-technischen Revolution" dehnten sich sekundäre und tertiäre Bildungssektoren früher aus.
Die Diskussion um die ökonomisch unerwünschte "Überproduktion" von Akademikern führte in den 70er Jahren zu einer Drosselung des Zugangs zur Abiturstufe und das hatte einen vorübergehenden Rückgang der Abiturienten- und Studentenquoten zur Folge. Die Bildungsexpansion wurde also politisch blockiert. Mitte der 80er Jahre wurde die DDR von der BRD überholt, weil die westdeutschen Bildungspolitiker an der Öffnung der höheren Bildungseinrichtungen für steigende Nachfrage festhielten. Mitte der 80er Jahre wurde dann der Rückstand der DDR zu BRD immer größer.
Ursachen für die Bildungsexpansion war die Entfaltung der wissenschaftlich-technischen Zivilisation, die Verwissenschaftlichung und Technisierung verbunden mit wachsender Komplexität der Gesellschaft. Das Wissen wird zunehmend zur Triebkraft für die ökonomische und soziale Entwicklung. Daniel Bell nannte dies auch die "nachindustrielle Wissensgesellschaft". Eine weitere Ursache war die durch die Statuskonkurrenz entstandene Eigendynamik. (Geißler 1996, 255)
Die Auswirkungen der Bildungsexpansion sind leider nur zu vermuten oder nur zum Teil empirisch zu belegen. Der Demokratisierungsdruck auf Macht- und Herrschaftsstrukturen in allen gesellschaftlichen Bereichen ist zum Beispiel eine Folge. Die Individualisierung führte zu einer Erosion der traditionellen Normen und Werte, daraus entstand ein Pluralismus im Wertebereich, den Lebensformen- und Stilen. Teilweise empirisch nachgewiesen ist die Verringerung der sozialen Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Eine weitere Auswirkung ist die Differenzierung der Formen des privaten Zusammenlebens.
Da der Ausbau des tertiären Sektors die altersspezifische Differenzierung der Sozialstruktur beeinflußte, entstand zwischen der Statusgruppe der Jugendliche und der Erwachsenen eine weitere Folge im Lebensverlauf: Postadoleszenz oder die Entstandardisierung des Lebenslaufes. (Geißler 1996, 256ff.)
In der DDR entstand ein Tertiärisierungsrückstand. Die sozioökonomische Struktur in der DDR von 1990 glich der der BRD von 1965. Die Weiterentwicklung zu Dienstleistungsgesellschaft ist ausgeblieben, weil es Defizite in Kredit- und Versicherungsgewerbe und im Rechtswesen usw. gab. Außerdem gab es Personalüberhänge, das heißt, wo es Dienstleistende gab, waren zu viele und deshalb arbeiteten sie ineffizient. (Geißler1996, 136)
Ursachen hierfür war z.B. die niedrige Produktivität, die Vernachlässigung des Dienstleistungssektors durch die sozialistische Wirtschaftsplanung. Die planwirtschaftliche Ideologie hemmte den Ausbau der Dienstleistungen. In den 80er Jahren verzehrte der tertiäre Sektor den Bereich der Volkseinkommen. (Geißler 1996, 141)
Das Privateigentum an Produktionsmitteln wurde zu Volkseigentum (Sozialisierung) oder Gruppeneigentum (Kollektivierung). Zum Beispiel wurde die Industrie sozialisiert, die Landwirtschaft kollektiviert und der Handel teilweise kollektiviert und sozialisiert.
Die Privatbetriebe wurden volkseigene Industriebetriebe (VEB) und Verkaufsstellen und Gaststätten zu staatlichen Handelsorganen (HO) oder volkseigene Güter (VEG).
Durch die Kollektivierung wurden selbständige Handwerker und Bauern gezwungen sich zu Produktionsgenossenschaften (PGH) oder in der Landwirtschaft (LPG) zusammen zuschließen. 1945/46 wurden industrielle Großunternehmer, Banken, Großgrundbesitzer und Großbauern mit mehr als 100 Hektar Landbesitz entschädigungslos enteignet. In den folgenden zwei Jahrzehnten wurden die meisten mittleren und kleinen Selbständigen zur Aufgabe ihrer privaten wirtschaftlichen Existenz veranlaßt oder gezwungen. Zum Beispiel gab es 1950 noch ca. 23.400 private Industriebetriebe und diese wurden schrittweise zu volkseigenen Betrieben über die halbstaatliche Zwischenform der "Betriebe mit staatlicher Beteiligung". Der Großhandel wurde in den 50er Jahren verstaatlicht.
1948 wurden noch 86% aller Verkaufsstellen im Kleinhandel privat betrieben und 1975 gab es nur noch 18% private Gaststätten und 14% private Einzelhändler. 1989 waren es nur noch 16% private Gaststätten und 11% private Einzelhändler.
Die Selbständigkeit der Restlichen war stark eingeschränkt. Sie erhielten die Waren nach der staatlichen Planung zugeteilt und mußten diese zu festen Preisen und Provision im eigenen Laden (für den der Staat Miete zahlte) verkaufen. Der stärkste Teil der Selbständigen blieben die Handwerker.
In der zweiten Hälfte der 70er Jahre ging dieser Prozeß wieder zurück und stoppte Mitte der 80er Jahre, nachdem eine Kurskorrektur in der sozialistischen Politik gegenüber den restlichen Selbständigen erfolgte. 1979 sollten verschiedene Maßnahmen den Untergang des privaten Gewerbes stoppen, weil erkannt wurde, daß Selbständige wichtige wirtschaftliche und soziale Funktionen in der Planwirtschaft haben (z.B. Versorgung mit Reparaturen und anderen Diensten). (Geißler 1996, 116)
Die vertikale Mobilität der revolutionären Umbruchphase war in den folgenden Jahrzehnten rückläufig. Individuelle Mobilitätsprozesse gingen in den 80er Jahren nicht mehr mit der Vehemenz und dem Ausmaß vor sich, wie es am Anfang typisch war. Der Grund dafür ist die Stabilisierung der neuen Klassenbeziehungen.
Seit den 60er Jahren verstärkte sich die soziale Schließung der Universitäten immer mehr. Arbeiterkinder wurden aus den Universitäten herausgedrängt und ihre Studienchancen waren schlechter als in der BRD. Das hatte zur Folge, daß die Aufstiegschancen für Kinder aus den unteren Schichten über das Bildungssystem stoppten. Dadurch erstarrte die Sozialstruktur der DDR, weil sich die "neue sozialistische Intelligenz" festsetzte. Sie sicherten ihre Kinder über Bildungsprivilegien gegen den sozialen Abstieg und schützten sie dadurch gegen den Zugang von unten. Da die Schließung der Bildungskanäle gegen das Proporz-Dogma verstieß, verschleierten die DDR-Soziologen diesen Vorgang, obwohl sie es besser wußten. (Geißler 1996, 242ff.)
Zu diesem Thema liegen leider auch nur wenige Daten vor.
Die Arbeiterschaft setzte sich in der frühen Phase zu großen Teilen aus der bäuerlichen Bevölkerung zusammen und später nur noch aus sich selbst. Als Beispiel dafür möchte ich nennen, daß 1977 75% der Arbeiter auch einen Vater hatten, der Arbeiter war.
Die Mobilitätsströme verliefen so, daß die Kinder von Un- und Angelernten zwar zum Facharbeiter aufstiegen aber es war eher selten, das Facharbeiterkinder in die unteren Schichten abstiegen. Die Kehrseite aber war, daß es in der dieser Unterschicht eine Selbstrekrutierungsquote von 86% gab.
Die Besitzschicht der Bauern wurde durch die Bodenreform der Nachkriegsjahre mit ehemaligen Arbeitern aus Landwirtschaft und Industrie durchmischt. 1960 waren 71% der Mitglieder von LPGs ehemalige Klein-, Mittel- und Großbauern.
Durch die Umformung der selbständigen Bauern zu landwirtschaftlichen Arbeitnehmern im Zuge der Kollektivierung wurde diese Schicht für Angehörige anderer Gruppen geöffnet. So stammte zum Beispiel 1977 nur noch jeder zweite Genossenschaftsbauer aus einer Bauernfamilie. In den 80er Jahren stammte der Nachwuchs überwiegend aus der nichtbäuerlichen Bevölkerung und die Hälfte aus der Stadt. Der Grund dieser Entwicklung ist die zunehmende Landflucht der jüngeren Generationen aus den LPGs.
Diese hohe Mobilität war ein Problem für die Agrarpolitiker, weil Jugendliche aus der Stadt eine sehr illusionäre Vorstellung über ein Leben in der Natur und unter Tieren haben. Um so größer ist dann die Enttäuschung in der Praxis und es kommt zu einer Verwässerung "der guten bäuerlichen Traditionen".
Ein besonderes Anliegen der sozialistischen Bildungs- und Gesellschaftspolitik war die soziale Umformung der Führungsschichten und deren hohe Zirkulation, besonders hier lag ihnen das Proporz-Dogma am Herzen.
Trotz weniger empirischer Daten wurde festgestellt, daß die Führungsgruppen für den Zugang aus unteren Schichten offen waren, obwohl das Proporz-Dogma nie erreicht wurde.
Bereits in den 70er Jahren wurden die rückläufigen Aufstiegschancen und der Rückgang der Generationenmobilität deutlich.
Zum Beispiel von den 35-74jährigen Angehörigen der sozialistischen Intelligenz stammten 1977 73% aus Arbeiter- und Bauernfamilien. Bei den unter 35jährigen waren es nur 54%.
Die hervorragenden Aufstiegschancen der Aufbaugeneration verschlechterten sich rapide in den 60er und 70er Jahren und in den 80er Jahren gab es dann schon massive Karriereblockaden. (Geißler 1996, 243f)
Die Benachteiligungen in der beruflichen Generationenmobilität konnte auch durch den Heiratsmarkt nicht ausgeglichen werden.
Die gezielte Frauenförderung im Bildungssystem und in der Arbeitswelt hatte jedoch zur Folge, daß Frauen immer mehr auf Grund eigener beruflicher Leistung ins obere Viertel der Gesellschaft gelangen bzw. sich dort halten konnten.
Zusammenfassend zu der sozialen Mobilität in der DDR läßt sich sagen, daß sich in der Anfangsphase der DDR nach der revolutionären Öffnung der vertikalen Mobilitätskanäle sich schnell eine neue Führungsschicht etablierte, welche sich auch genauso schnell wieder gegen den Zugang von unten abschottete. Die Folge war, daß sich die Bildungskanäle auch wieder schlossen.(Geißler 1996, 244)
Nach der Wende beschleunigte sich der Wandel des Positionsgefüges in den neuen Ländern.
Dieser schnelle Strukturumbruch hatte die Menschen vorübergehend zu einer Intragenerationenmobilität gezwungen. Die Strukturmobilität ging von den Anpassungsprozeßen der Wirtschafts- und Berufsstruktur aus, das heißt, daß die Tertiärisierungslücke geschlossen wurde, es zu einer Agrar- und Industriekrise kam und die sozialistische Dienstklasse verschwand.
Zusätzlich zur Strukturmobilität kam eine Zirkulationsmobilität, weil politisch kompromittierte oder fachlich inkompetente Anhänger des alten Systems in höheren oder gehobenen Positionen ausgetauscht werden. (Geißler 1996, 245)
Die Arbeitsmarktmobilität nach der Währungsunion war stark erhöht.
Von Mitte 1990 bis Mitte 1991 wechselten zweieinhalb mal so viele Ostdeutsche die Stelle und drei mal so viele schieden aus dem Erwerbsleben aus wie Westdeutsche. 1993/94 mußten 60-66% den Arbeitsplatz von 1989 verlassen und von 1989-1994 waren nur 47% durchgehend erwerbstätig.
Es gab Turbulenzen an der Oberfläche und Kontinuitäten in einigen Kernstrukturen des Positionsgefüges. Zwei Drittel derjenigen, die sich im Erwerbsleben halten konnten, waren ohne Stellenwechsel ausgekommen. Ruhezonen in dieser Zeit waren der staatliche Dienstleistungsbereich und das Erziehungs- und Gesundheitswesen usw.
Die Mobilitätsströme verliefen eher horizontal, selten vertikal. (Allerdings nur, wenn man das zusammengeschrumpfte Beschäftigungssystem betrachtet und Arbeitslose und Vorruheständler usw. ausschließt.) Diese Erscheinung ist sehr kontinuierlich.
Bei einem Niveauwechsel überwiegen die sozialen Abstiege. Die Chancen auf Statuserhalt oder sozialen Aufstieg ist sehr ungleich verteilt. Durch die Entpolitisierung der Sozialstruktur verloren große Teile der alten Führungsschichten ihre Positionen, besonders wenn sie fachlich unqualifiziert waren. Die Qualifizierten der "oberen Mitte" konnten leichter aufsteigen oder ihren Status erhalten. (Geißler 1996, 245)
Diese waren zum Beispiel neue große Unsicherheiten als Folge davon, daß ihre Qualifikationen einfach entwertet wurden und die Menschen aus dem Gewohnten herausgerissen wurden. Es kam zu Identitätskrisen und das ursprüngliche Höchstmaß an sozialer Sicherheit wandelte sich in ein Übermaß an Unsicherheit um. (Geißler 1996, 246)