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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung und Fragestellung *

2 Frieden nach dem Zweiten Golfkrieg? *

3 Die Vorgeschichte des Zweiten Golfkrieges *

3.1 Die Hauptgründe Saddam Husseins für den Überfall auf Kuwait *

4 Das internationale Hochrüsten des Iraks *

4.1 Die Beteiligung deutscher Unternehmen an der Hochrüstung des Irak *

4.2 Das Kriegswaffenkontrollgesetz versus die Freiheit des Warenwirtschaftverkehrs *

5 Die ‘Zwei-plus-Vier’-Verhandlungen *

6 Die Position der deutschen Regierung während der Golfkrise *

6.1 Die Position der Bundesrepublik vor dem zweiten Golfkrieg *

7 Die Haltung der Parteien *

7.1 CDU/CSU *

7.2 FDP *

7.3 SPD *

7.4 Bündnis 90/ Die Grünen *

7.5 PDS *

7.6 Erklärung und Bewertung der deutschen Politik im Zweiten Golfkrieg *

8 Die Bundeswehr und der 2. Golfkrieg *

8.1 Einleitung *

8.2 Minensucher ins östliche Mittelmeer *

8.3 Alphajets in die Türkei *

8.3.1 Die Haltung der SPD zur Entsendung der Alphajets *

8.3.2 Militärische Untauglichkeit eines politischen Signals *

8.3.3 Verlegung von Flugabwehrsystemen in die Türkei *

8.4 Deutsche Minenabwehreinheiten in den Persischen Golf *

8.5 "Operation Kurdenhilfe" *

8.6 Transportaufgaben für eine UN-Kommission im Irak *

8.7 Der finanzielle und materielle Beitrag Deutschlands *

8.8 Versuch einer Schlußbetrachtung *

9 Die verfassungsrechtliche Debatte in der BRD während des zweiten Golfkrieges *

9.1 Einleitung *

9.2 Die Art des Einsatzes *

9.3 Die Regelungen des Grundgesetzes *

9.3.1 Der Artikel 87a GG *

9.3.2 Der Artikel 24 GG *

9.3.3 Die Organkompetenz zur Entsendung deutscher Soldaten zu UN-Operationen *

9.4 Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts *

10 Positionen der friedenspolitischen Öffentlichkeit *

10.1 "Kein Krieg in der Golfregion" *

10.2 Die Ablehnung einer deutschen Unterstützung *

10.3 Die "gestiegene Verantwortung Deutschlands"... *

10.4 ... und ihre Auswirkung auf die Golfkriegsopposition *

10.5 Die Diskussion über zukünftige Bundeswehreinsätze *

10.6 Die Funktion der Medien im (Zweiten) Golfkrieg *

10.7 Weitere Themen der Antikriegskoalition *

10.8 Schlußfolgerungen *

11 Schlußwort *

12 Anhänge *

12.1 UNO-Resolutionen zur Irak - Kuwait - Krise *

13 Literaturverzeichnis *

 

1 Einleitung und Fragestellung

In Kapitel 2 stellt sich die Frage, ob ein Friede nach dem Zweiten Golfkrieg eingekehrt ist. Daraufhin folgt eine kurzer geschichtlicher Überblick, der die historische Problematik der arabischen - insbesondere der Region am persischen Golf - widerspiegeln soll. Im Anschluß an diesen geschichtlichen Überblick sollen Saddam Husseins Hauptgründe zur Annektion Kuwaits verdeutlicht werden (Kapitel 3).

In Kapitel 4 soll versucht werden, die Verantwortung westlicher Staaten - hierbei vorrangig die Rolle der Bundesrepublik Deutschland - zu beleuchten, auch in Hinblick auf die Außenwirtschaftsgesetze. Ein Untersuchungsinteresse besteht folglich darin, die Bedeutung der Industrienationen hinsichtlich der militärischen Aufrüstung herauszustellen. Nach diesem Überblick widmet sich die vorliegende Ausarbeitung den politischen Rahmenbedingungen - wie beispielsweise den ‘Zwei-plus-Vier’-Verhandlungen - und auch den innenpolitischen Auseinandersetzungen, die 1990 und 1991 in Deutschland sich zugetragen haben (Kapitel 5). Hauptaugenmerk wird in diesem Fall auf die Positition, auf die Haltung der Regierung (Kapitel 6) und der Parteien (Kapitel 7) gelegt.

Kapitel 8 beschäftigt sich mit der Rolle der Bundeswehr im Zweiten Golfkrieg. Ebenso befaßt sich dieser Abschnitt mit der Frage und der Problematik des finanziellen, personellen und materiellen Beitrages der Bundesrepublik Deutschland zum militärischen Vorgehen der alliierten Streitkräfte gegen den Irak. Im Anschluß daran soll in Kapitel 9 die verfassungrechtliche Debatte hinsichtlich der ‘Out-of-Area’-Einsätze der Bundeswehr erläutert werden. Aufbauend darauf werden die Positionen der ‘friedenspolitischen Öffentlichkeit’ aufgezeigt (Kapitel 10). Die Ausarbeitung schließt mit einer zuammenfassenden Betrachtung (Kapitel 11).

Die Kapitel 1 bis 5 wurden von Carsten Haas bearbeitet, die Kapitel 6 und 7 von Jörg Moeser. Das 8. Kapitel erarbeitete Florian Matthies, mit dem Kapitel 9 setzte sich Michael Bajerski auseinander. Markus Oelschläger widmete sich dem Abschnitt 10. Kapitel 11 ist eine "Koproduktion" von Carsten Haas und Florian Matthies.

 

 

2 Frieden nach dem Zweiten Golfkrieg?

Nach der Beendigung des Ost-West-Konflikts, der Blockkonfrontation haben Vorstellungen eines Weltfriedens durch eine schrittweise Monopolisierung interventionistisch angewandter Staatsgewalt zur Wahrung des Völkerrechts wieder - vergleichbar mit der Zeit nach 1945 - enormen Auftrieb erhalten. Die Lähmung des UN-Sicherheitsrates durch den fehlenden Konsens zwischen Ost und West schien beendet.

Die Wahrscheinlichkeit eines Krieges zwischen den Industriestaaten ist im letzten Jahrzehnt des ausgehenden Jahrhunderts gering geworden. Jedoch, durch den Wegfall des Ost-West-Konflikts und den damit zusammenhängenden Blöcken wuchs die Problematik kleinerer Regionalkonflikte - Vielfach wurde der Zweite Golfkrieg auch als ein Krieg des ‘reichen Nordens’ gegen den ‘armen Süden’ gesehen.

Viele dieser Regionalkonflikte, die sich in den späten Achtziger Jahren in der Dritten Welt ereigneten wurden durch friedliche Mittel gelöst. So schien der Zweite Golfkrieg diesen "Wettlauf um Frieden" nur unterbrochen zu haben.

In diesem Zusammenhang ist auf den Gebrauch zweier ‘Friedens’-Begriffe zu verweisen: Einerseits gibt es den Begriff des "negativen" Friedens, zum anderen den des "positiven" Friedens. Während bei einem negativ bestimmten Friedensbegriff die Abwesenheit des Krieges an sich verstanden wird, ist unter einem positiven Friedensbegriff die Abwesenheit von struktureller und personeller Gewalt zu verstehen ist.

Im Bezug auf den negativen Frieden war der Golfkrieg in der Zielsetzung der alliiereten Streitkräfte - sie bestand in der Befreiung Kuwaits - ein Erfolg. In Bezug auf den positiven Frieden hat sich an der Grundkonstellation der Konflikte in der Region nichts geändert. Die Menschenrechte werden weiterhin von den jeweiligen Regierungen nicht geachtet, demokratische Grundvoraussetzungen - wie sie in Mitteleuropa nahezu selbstverständlich erscheinen - werden noch immer nicht gewährt. Denn: Das Schweigen der Waffen bringt noch keinen Frieden.

"Der Frieden als lokal und regional begrenzter Frieden bleibt stets prekärer Frieden. Der Frieden muß nicht nur gefährdet sein, er kann auch Vorbildwirkung auf andere Regionen haben."

Eine systematische Friedenserfahrungsforschung über langfristig gelungene Friedenschlüsse und erfolgreiche Kriegsverhütungen, über Streitschlichtungen und Konflikttransformationen ist - verglichen mit der Kriegsursachenforschung - noch weitestgehend unterentwickelt.

"Für die Region war der zweite Golfkrieg ein ‘Geburtshelfer’ insofern, als er eine regionale Eigendynamik in Gang setzte, die neue Impulse für die Nahost Friedensdiplomatie brachte. Der zweite Golfkrieg war für den Friedensprozeß in Nahost lediglich der eigentliche Wendepunkt, in einer Entwicklung, die lange schon heranreifte".

Die von Saddam Hussein eingebrachte israelisch-palästinesische Problematik zeigte, daß ohne eine Lösung des Konflikts zwischen Israel und seinen Nachbarn die Region Nahost nicht zum Frieden finden kann.

Die Unstimmigkeiten deutscher Politiker in der Zeit des Zweiten Golfkrieges brachten zum Ausdruck, daß eine Neudefinition deutscher Außen- und Sicherheitspolitik eingeleitet werden mußte.

Diese Krise traf die Bundesrepublik völlig unvorbereitet. Dies hängt zum Teil damit zusammen, daß viele außen- bzw. sicherheitspolitische Optionen der Bundesrepublik Deutschland vor 1989/90 durch die fehlende Souveränität nicht denkbar gewesen sind - ‘denkbar’ gewiß - doch zum einen in rechtlicher Hinsicht unmöglich, zum anderen nicht konsensfähig. Als ein weiterer Grund für die uneinheitliche Position in Deutschland sind auch die anstehenden Landtagswahlen in einigen Bundesländern zu nennen.

Das bundesdeutsche Sicherheitsinteresse nach 1945 bis zur Erlangung der nationalstaatlichen Souveränität 1989 - einschließlich der damit zusammenhängenden Rechte und Pflichten - wurde geprägt von der geostrategischen Lage an der Grenze zwischen NATO und Warschauer Pakt. Damit verbunden war die Annahme, daß ein militärischer Konflikt zu hoher Wahrscheinlichkeit auf dem Gebiet der Bundesrepublik sich ereignen würde - womit das NATO-Bündnis gemäß der Verträge inkrafttreten würde.

Um eine neue deutsche Außen- und Sicherheitspolitik zu bestimmen bedurfte es eines Prozesses des Wandels. Zwischen der von Hans-Dietrich Genscher betriebenen Außenpolitik der sogenannten Bonner Republik und der von einigen Wissenschaftlern geforderten Re-Nationalisierung der Außen- und Sicherheitspolitik der "neuen" Berliner Republik schien es keinen adäquaten Mittelweg zu geben.

Dieser Prozeß des Wandels sollte aber in einem ‘wohl dosiertem Maße’ geschehen, da die welt- und europapolitischen Voraussetzungen sich verändert hatten.

Der Prozeß dieser Neudefinition der Außen- und Sicherheitspolitik ist bis heute nicht abgeschlossen.

3 Die Vorgeschichte des Zweiten Golfkrieges

Die Vorgeschichte des Zweiten Golfkrieges reicht bis zum Staatenbildungsprozess in der Zeit des Ersten Weltkrieges zurück.

Frankreich und Großbritannien - beide vom Völkerbund mit dem Mandat über diese Region betraut - zogen eigenmächtig, ohne auf einzelne Stammeshistorien einzugehen, Ländergrenzen auf der arabischen Halbinsel.

Nachdem die Briten 1921 eine Monarchie im Irak errichtet haben, entließen sie den Irak neun Jahre später -1930 - in die Unabhängigkeit. Das heutige Kuwait blieb bis 1961 unter ihrer Kontrolle. Die Spannungen in der Golfregion verschärften sich im Gefolge der Revolution im Irak, denn schon kurze Zeit später - 1961 - forderte der damalige Irakische Herrscher General Abdel Kerim Kassem die Unterwerfung des Emirs von Kuwait: "Kuwait ist ab sofort Bestanteil des Irak. Ich ernenne durch republikanisches Dekret den Emir von Kuwait zum Kaimakam, zum Gebietsgouverneur. Der Gebietsgouverneur ist dem Gouverneur von Basra unterstellt [...]".

Diese versuchte Invasion konnte nur durch eine schnelle Landung britischer Marineinfanteristen verhindert werden.

Die Spannungen verschärften sich mit der Machtübernahme der Baath-Partei in Bagdad und weiteten sich ab den frühen Siebziger Jahren zu einer Dauerkrise aus. 1973 läßt der damalige irakische Präsident - General Al Bakr - die kuwaitische Insel Bubiyan besetzen. Jedoch konnte diese Annektion durch eine Vermittlung der arabischen Liga verhindert werden. Die Truppen wurden schon im gleichen Jahr wieder abgezogen. Eine abschließende Klärung der Differenzen über die gemeinsame Grenze erfolgte nicht. 1975 wurde zwischen dem Irak und Iran - im sogenannten Vertrag von Algier - vereinbart, daß die Grenze zwischen beiden Ländern fortan in der Mitte des Shat El Arab verläuft. 1979 rief Ayatollah Khomeni die Islamische Republik Iran aus. Für den Irak - er hatte Khomeni, der 15 Jahre im Exil in Bagdad war, nach Paris ausgewiesen - war es eine Frage der Zeit, wann es mit seinem traditonalistischen islamistischen Nachbarn auf der arabischen Halbinsel in Konflikt gerät. Diese Spannungen führten zum Ersten Golfkrieg, der erst nach acht Jahren beendet werden sollte.

 

3.1 Die Hauptgründe Saddam Husseins für den Überfall auf Kuwait

Ein zentraler Faktor der Entscheidung des irakischen Präsidenten Saddam Hussein schien die rein ökonomische Erwägung zu sein. Der Überfall auf das Ölreich Emirat Kuwait am 2. August 1990 sollte das Land um eine Provinz erweitern. Durch den langjährigen Krieg gegen Iran waren unermessliche Schulden entstanden, die es zu beseitigen galt. Durch die Übernahme der ertragreichen kuwaitischen Ölproduktion - vor allem des Ölfeldes von Rumalia - wollte Saddam Hussein dieses Ziel erreichen. Zudem bestand ein Interesse des Iraks in einem durch den Irak kontrollierten Zugangs zum Persischen Golf. Mit den gewinnträchtigen internationalen finanziellen Anlagen des Emirats wäre der Irak zu einer starken wirtschaftlichen und politisch relevanten Supermacht in der Golfregion geworden.

Ein weiteres Interesse, das der irakische Präsident verfolgte, war die israelisch-arabische Problematik, die durch ihn wieder auf die ‘Tagesordnung der Weltpolitik’ gesetzt werden sollte. Er versuchte damit, den eigenen Einfluß in der arabischen Welt zu vergrößern. Das fehlende Konzept für eine Friedensarmee und die Kurdenproblematik im Norden des Landes wurden vielfach als weitere Gründe für die Annektion Kuwaits gesehen. Die scheinbare Sicherheit durch einen Nichtangriffspakt mit Saudi-Arabien einerseits und der Ausspruch der US-Botschafterin April Glaspie andererseits sollen angeblich der entscheidende Ausschlag für Saddams Hussein Entscheidung gewesen sein.

Weitere Gründe waren die großen wirtschaftlichen Probleme im Zuge der Umstellung einer Staatswirtschaft auf eine Privatwirtschaft. Auch die Abschreckung der anderen arabischen Nachbarländer wir als Grund angeführt - sie sollten von ihren Rückzahlungsaufforderungen gegenüber dem Irak abgebracht werden.

Ohne das Eingreifen der Vereinten Nationen hätte Sadam Hussein zweifelsohne seine pan-arabischen Visionen mit größerer Wahrscheinlichkeit realisieren können, ohne den militärischen Einsatz der Alliierten wäre der Irak gewiß Hegemonialmacht am Golf geworden.

4 Das internationale Hochrüsten des Iraks

Saddam Hussein betrieb während des achtjährigen Krieges gegen den Iran eine systematische Aufrüstung - unter Verfolgung einer klaren strategischen Zielvorgabe. Der Irak erwarb militärische Güter im Gegenwert von über 20 Milliarden US-Dollar; 200 computergesteuerte südafrikanische 155-Millimeter-Haubitzen wurden im Austausch für Erdöl im Wert von mehr als einer Milliarde US-Dollar angeliefert. Lieferungen aus China sowie Brasilien und der Tschecheslowakei enthielten unter anderem 1500 Kampfpanzer, 500 Panzerspähwagen beziehungsweise 1000 Schützenpanzer.

Hauptlieferant an Kriegsausrüstung war die Sowjetunion mit einem Anteil von 80% Die Lieferungen enthielten Kampfpanzer und MIG-Jäger, Geschütze und Raketen im Wert von circa 14 Milliarden US-Dollar. Frankreich -der zweitgrößte Waffenlieferant - sicherte der irakischen Luftwaffe 94 Mirage-Jäger, 60 Roland- und 700 Exocet-Raketen, die gemeinsam mit deutschen Konzernen produziert wurden. Trotz offener Posten - sie betrugen circa vier Milliarden US-Dollar - bewilligte Frankreich dem Irak weitere Kredite, die aber nur für Rüstungskäufe ausgegeben werden durften.

Folglich verdienten britische und belgische, italienische und amerikanische Konzerne auch weiterhin an der Aufrüstung des Iraks. So wurden unter anderen hochtoxische Chemikalien, computergesteuerte Werkzeugmaschinen und andere Militär-Technologie - Steuer- und Navigationselektronik - für den irakischen Atomreaktor geliefert.

4.1 Die Beteiligung deutscher Unternehmen an der Hochrüstung des Irak

Allein zwischen 1981 und 1985 haben bundesdeutsche Firmen Rüstungsgüter im Wert von 700 Millionen US-Dollar an den Irak geliefert. Jedoch hatte die Bundesrepublik - im Gegensatz zu Frankreich - keine Verträge über Waffenlieferungen mit dem Irak abgeschlossen.

Der deutsche Rüstungs- und Raumfahrtkonzern Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) war über eine Tochtergesellschaft an der Produktion der Panzerabwehrraketen ‘Hot’ und ‘Milan’ beteiligt, die der Irak in Frankreich orderte. Auch Flugabwehrsysteme - beispielsweise das von MBB entwickelte Roland-System - hat der Irak mit behördlicher Genehmigung erhalten.

Die Erdkampfflugzeuge des Typs ‘Alpha Jet’ bestellte die irakische Luftwaffe in Frankreich - an deren Herstellung waren ebenfalls deutsche Produzenten, wie zum Beispiel MBB und Dornier, maßgeblich beteiligt.

Seit 1982 versuchten Argentinien, Ägypten und Irak gemeinsam eine Rakete unter dem Namen ‘Condor 2’ zu entwickeln - sie sollte auch einen Atomsprengkopf tragen können. Elektronische Steuerteile und Prüflabors im Wert von mehr als einer halben Milliarde DM bezog der Irak direkt von MBB. Als sich der Konzern 1985 nach Protesten von Briten und Amerikanern aus dem Geschäft zurückzog, trat die weltweit operierende Firmengruppe ‘Consens’ an seinen Platz - die wichtigsten Manager und Techniker dieser Gruppe waren ehemalige MBB-Mitarbeiter.

Während ‘Consens’ Ägypten und Irak beim Aufbau einer Raketenproduktion half, rüstete MBB die Labors im geheimen ‘SAAD-16’-Projekt mit Hochtechnologie aus der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten auf.

Desweiteren lieferten andere namhafte deutsche Unternehmen militärische Ausrüstung in den Irak. Darüberhinaus strebte der Irak nach dem Besitz chemischer und atomarer Massenvernichtungswaffen.

Auch andere bundesdeutsche Firmen unterstützten den Irak beim Aufbau einer eigenen Kriegsindustrie, die Saddam Hussein für noch wichtiger hielt, als Waffenlieferungen, hielt.

Um pro Jahr 1000 mittlere bis schwere Artilleriegeschütze herstellen zu können, bestellte der Irak bei der, zum MAN-Konzern gehörenden, Essener Firma Ferrostaal 1989 eine Universalproduktionsstätte im Wert von ungefähr DM130 Millionen. Besonders interessiert waren der Irak deshalb am Know-how der Düsseldorfer Rheinmetall. In dieser Universalfabrik konnte nahezu alles hergestellt werden, was den militärisch-technologischen Interessen des Irak entsprach. Was genau der Irak produzierte, war und ist jedoch für den Lieferanten nur schwer nachzuvollziehen.

Für eine erregte Öffentlichkeit in Deutschland sorgte die Verwicklung deutscher Unternehmen in die irakische Giftgasproduktion.

Bereits seit 1981 baute der Irak in der Nähe von Samarra an einer Fabrik, in der - nach Überzeugung von Experten - Giftgase wie Tabun, Sarin und Lost (Senfgas) hergestellt wurden. Die Laboreinrichtung für zwei Produktionsstätten stammten von ‘Pilot Plant’. Das Tochterunternehmen der Firma Karl Kolb erklärte, es sei lediglich eine Versuchsanlage zur Herstellung von Pflanzenschutzmittel bestellt worden.

Als Chemikalienlieferant betätigte sich die Hamburger Firma W.E.T. Sie exportierte tonnenweise Natriumfluroid, Isopropylanin und Phosphortichorid -sämtlich Stoffe, die für die Produktion von C-Waffen unverzichtbar sind.

Weiterhin versuchte Saddam Hussein, den Irak zu einer Atommacht zu machen. Dies wurde unter anderem daran deutlich, daß der Irak sich damals über die Firma Nukem Uran besorgen wollte. Eine andere Firma - die H + H Metallform - belieferte den Irak mit Maschinen, mit denen Gasultrazentrifugen herstellt werden können.

4.2 Das Kriegswaffenkontrollgesetz versus die Freiheit des Warenwirtschaftverkehrs

Die im vorigen Abschnitt beschriebenen Lieferungen unterliegen - eigentlich -dem Kriegswaffenkontrollgesetz. In Ausführungen von Artikel 26 des Grundgesetzes stellt das Kriegswaffenkontrollgesetz das Herstellen, Befördern und Inverkehrbringen von militärischen Gütern unter einen Genehmigungsvorbehalt. Darüber hinaus ist der Außenwirtschaftsverkehr mit Kriegswaffen, sonstigen Rüstungsgütern und Technologien, denen aufgrund der COCOM-Konsultationen eine strategische Bedeutung beigemessen wird, staatlichen Kontrollen unterworfen.

Um auf die Aktivitäten deutscher Unternehmer in Libyen und Irak reagieren zu können, wurde das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen mit einer Gesetzesvorlage 1989 im Bundeskabinett eingebracht.

Dieser Genehmigungsvorbehalt von Geschäften, die deutsche Staatsangehörige im Ausland tätigen, ging auf die Möglichkeit von einer Beteiligung deutscher Unternehmen an der Versorgung von Staaten mit militärischen Mitteln ein.

Die Problematik bei dieser verabschiedeten Kabinettsvorlagebestand darin, daß sie auf eine Lücke in diesem Gesetz hinweist - die fehlende Möglichkeit einer Bestrafung von Deutschen, die ihr Know-how verkaufen oder selbst an der Produktion, Herstellung und Entwicklung von militärischen und chemischen Produktionsanlagen mitarbeiten.

Die erwähnten Lieferungen stehen in Konflikt mit den Außenwirtschaftsgesetzen, die von dem Grundsatz der Freiheit des Außenwirtschaftsverkehrs in seiner Gesamtheit ausgehen.

Die Lieferungen - offiziell für zivile Zwecke bestimmt - können mit Leichtigkeit auch militärisch verwendet werden. Diese Gesetzestexte machen deutlich, daß die Beweislast für das Versagen einer Genehmigung beim Staat liegt und daß der Staat über einen erheblichen Ermessensspielraum verfügt.

5 Die ‘Zwei-plus-Vier’-Verhandlungen

Die Schlußphase der ‘Zwei-plus-Vier’-Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich einersekits sowie und den beiden deutschen Staaten andererseits hatte begonnen, als die Irakkrise am 2.August 1990 mit dem Einmarsch der irakischen Truppen in Kuwait ausbrach. Im Zuge der Vereinigung stand Deutschland kurz davor, seine uneingeschränkte völkerrechtliche Souveränität zu erlangen. Bis zu diesem Zeitpunkt bestand für die Bundesrepublik die Notwendigkeit, aufgrund der Teilung Deutschlands und Europas politische Zurückhaltung zu üben. Jedoch würde die Bundesrepublik Deutschland nach dem Abschluß des Vereinigungsprozesses in gleicher Weise, wie ihre europäischen Partner agieren können.

Die deutsche Reaktion auf den Irak-Konflikt wurde in hohem Maße vom Vermächtnis der Nachkriegszeit beeinflußt. Solange die Verträge nicht ratifiziert waren und der Abzug der sowjetischen Streitkräfte aus Deutschland nicht sichergestellt war, mußte - aus Rücksicht auf die innenpolitische Situation in der Sowjetunion - beständig die Anstrengung unternommen werden, falsche Signale zu vermeiden, die den Einfluß der Gegner der von Staatspräsident Michail Gorbatschow und Außenminister Eduard Schewardnadse betriebenen Westpolitik in Moskau stärken würde. Diese Notwendigkeit wurde nicht nur in Bonn wahrgenommen sondern ebenso stark bei den Bündnispartnern - insbesondere in Washington. Darüber hinaus wirkte sich auch in der Irakkrise der spezifische Charakter der demokratischen Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland auf die politische Orientierung der Bonner Regierung aus. Politik nach 1945 hatte sich hier unter dem Einfluß der Erfahrung von Nationalsozialismus und Krieg entwickelt. Die politische Klasse, die das öffentliche Leben auf kommunaler-, Länder- und Bundesebene wiederaufgebaut hatte, wies die deutsche Vergangenheit von sich - insbesondere die Exzesse der Macht und militärischen Gewalt. Der Staat, der 1949 mit dem Grundgesetz geschaffen wurde, war bar jeglicher militärischer Instrumente, bar jeglicher Entscheidungsbefugnisse in relevanten Bereichen der Außen- und Sicherheitspolitik. Politiker - rechts wie links - waren allem Militärischen gegenüber kritisch, im Sinne eines Vorbehaltes, eingestellt.

Das west-deutsche Sicherheitsdenken war in der gesamten Nachkriegszeit nahezu ausschließlich auf Zentraleuropa gerichtet. Es herrschte die Annahme vor, daß sich dort das entscheidende - wenn nicht gar das einzige - Schlachtfeld eines möglichen Krieges zwischen Ost und West befinden würde. Das nordatlantische Bündnis wurde vor allem als ein Instrument zur Organisation des militärischen Beistands der Alliierten für den Fall eines Angriffs auf die Bundesrepublik Deutschland begriffen. Die Möglichkeit, daß Deutschland einmal selbst aufgerufen sein könnte, anderen Mitgliedsländern der Allianz militärischen Beistand zu leisten, wurde kaum in Betracht gezogen und in der Öffentlichkeit nicht erwähnt, nicht debattiert.

Daher wurden auch im Grundgesetz - im Zuge der in mehreren Schritten neu eingeführten Wehrverfassung - keine expliziten Verfahrensregelungen für solche Fälle vorgesehen, in denen es nicht um die Abwehr eines unmittelbaren Angriffs auf das Territorium der Bundesrepublik geht. Dennoch wurden Bundeswehreinheiten für die Mitwirkung in den Mobilen Einsatzkräften (AMF) der NATO zum Schutz der Nord- und Südflanke vorgesehen. Die Bundeswehr nahm fernerhin seit mehreren Jahren regelmäßig an deren Übungen teil. Erst anläßlich der Entsendung deutscher Einheiten in die Türkei während des Irakkrieges entbrannte zum ersten Mal eine öffentliche Diskussion über das Fehlen einer klaren Verfassungsregelung in der Verfassung.

Der leitende Gedanke deutscher Entscheidungsträger in der Krise am Golf galt - nach dem irakischen Überfall - den möglichen Störeffekten der Ereignisse im Nahen Osten. Nichts sollte das sorgfältig ausgearbeitete Arrangement des Westens mit der sowjetischen Führung, daß die lange gehegten Hoffnungen der Deutschen auf Einheit erfüllen konnte, beeinflussen. Zudem sollte die Teilung Deutschlands und Berlins - einer der ‘Brennpunkte’ der Ost-West-Konfrontation in der Nachkriegszeit - endlich von der ‘Tagesordnung der Weltpolitik’ gestrichen werden.

6 Die Position der deutschen Regierung während der Golfkrise

Die Position der deutschen Regierung war während der Golfkrise im wesentlichen von folgenden Kriterien geleitet:

Die Bewahrung und Pflege des engen partnerschaftlichen Verhältnisses zu den Vereinigten Staaten besaß einen hohen Stellenwert, insbesondere in Hinsicht auf die deutsch-deutsche Vereinigung. Die Rolle Deutschlands als eine der wichtigsten Wirtschaftsmächte sowie das von den Deutschen mitgetragene amerikanisch-sowjetische Interesse an der Sicherung des erreichten Kooperationsverhältnisses sollte ein gewandeltes, wirksameres Herangehen an weltweite Probleme erlauben.

Es mußte zudem verhindert werden, daß die Golfkrise weder die zahlreichen Verabredungen in Hinblick auf die Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas noch die Aussicht auf ein gewandeltes Verhältnis der Zusammenarbeit mit der Sowjetunion gefährden würde.

Die durch die Geschichte begründete Verantwortung Deutschlands für eine gesicherte Existenz Israels erforderte eine besondere Aufmerksamkeit. Auch in Hinblick auf das deutsch-amerikanische Verhältnis wurde zur Vorsicht gerufen. Äußerst schwerwiegende Besorgnisse löste die Befürchtung aus, israelische Bürger sowie Soldaten, der in Deutschland stationierten Verbündeten könnten Opfer irakischer Angriffe mit chemischen Waffen werden, bei deren Herstellung deutsche Unternehmen sowie deutsche Wissenschaftler und Techniker mitgewirkt hatten.

Die vom Irak demonstrierte zunehmende Verknüpfung von Raketentechnologie mit der wachsenden Fähigkeit, chemische und nukleare Sprengköpfe zu bauen, führte zu neuartigen Herausforderungen an der Peripherie Europas. Daraus erwuchs auch insbesondere für das vereinigte Deutschland das Wissen über Stabilisierung dieser Region.

Um in Zukunft die Chancen einer Wiederherstellung des Friedens zu erhalten, mußte das Vorgehen gegen den Irak im Rahmen der Vereinten Nationen vom Erfolg ‘gekrönt‘ werden.

Auf lange Sicht war ein verstärkter politischer Einfluß der Deutschen auf das internationale Krisenmanagement - nach Ansicht der deutschen Führung - nur dann zu erreichen, wenn sich Deutschland zur Übernahme eines gesteigerten Anteils an den damit verbundenen Verpflichtungen und Lasten bereit zeigte.

Um seine Verläßlichkeit und Loyalität gegenüber den anderen westlichen Demokratien zu demonstrieren, mußte das Vertrauen in das vereinigte Deutschland gestärkt werden. Nicht geklärt war jedoch, wie man diese Absicht praktisch umsetzen konnte.

De facto stand die deutsche Außenpolitik nach der Vereinigung vor der Aufgabe, ihre grundlegende Orientierung, ihre Strategie und Ziele und die zu ihrer Durchsetzung verfügbaren Mittel neu zu definieren.

Der Zukunft der deutschen Außenpolitik mangelte es an klaren Ansätzen. Der Stellenwert des militärischen Instrumentariums bildete die einzige Ausnahme. Die Modalitäten des Einsatzes dieses Instrumentariums in Zusammenhang mit neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen wurden zum Gegenstand eines intensiven und breiten Klärungsprozesses der dementsprechend mühselig aus politischer Sicht war.

Dieser Klärungsprozeß bekam seinen Impuls von außen - Auslöser war die Kritik der bundesdeutschen Beteiligung an den internationalen Bemühungen, die irakische Eroberung und Annektion Kuwaits im Jahr 1990 rückgängig zu machen.

Im Rückblick betrachtet, war dieser Klärungsprozeß eine bestandene politische Bewährungsprobe für die ‘neue Bundesrepublik’ - gewiß nicht in allen Details, wohl aber insgesamt gesehen.

Die deutsche Außenpolitik blieb ihrer - in der erfolgreichen - als "Zivilmacht" treu, bewies jedoch zugleich auch die unerläßliche Fähigkeit zu konstruktiver Anpassung und Neubestimmung der Einzelheiten dieser außenpolitischen Orientierung.

Erst die Raketenangriffe des Iraks auf Israel führten zu einer Verhaltensänderung - 40 Jahre nach Ausschwitz wurde das jüdische Volk wieder von Giftgas bedroht. Die Einsicht, daß dies wieder unter deutscher Mithilfe geschehe, schien die deutschen Politiker wachzurütteln.

Der Wille der Bundesregierung zu eindeutigen Solidaritätsgesten war höher, als je zuvor.

Mit großer Verzögerung bekannte sich dann die Bundesrepublik Deutschland schließlich doch noch mit klaren Worten zur Golfallianz. Doch schien der entstandene Eindruck vom illoyalen, abstinenten "wirtschaftlichen Riesen und politischen Zwerg" bereits irreversibel.

Die Debatte um den provozierten Bündnisfall hatte bei seinen Partnern Zweifel an Deutschlands Bündnisfähigkeit geweckt. Zwar wurden solche Äußerungen nicht von führenden Politikern gemacht - jedoch war 1991 klar, daß sich die Bundesrepublik in Zukunft kein wiederholtes Mal so wie in der Golfkrise verhalten könne.

Gravierende Widersprüche zwischen wichtigen außenpolitischen Zielen Deutschlands und der geführten Politik während des zweiten Golfkrieges wurden durch ausländische Journalisten und Politiker aufgedeckt:

1. Bemängelt wurde aus britischer und amerikanischer Sicht, daß es mit Deutschlands Status als bedeutende Wirtschaftsmacht und abhängig vom im nahen Osten geförderten Erdöl, es nicht vereinbar war, keine klare militärische Aktivität zu zeigen.

2. Zudem sei die deutsche Politik widersprüchlich, auch in Bezug auf die Europäische Gemeinschaft: Deutschland, offensichtlich nicht zu einer gemeinsamen Verteidigungspolitik bereit, könne nicht ständig eine weitere Integration fordern.

6.1 Die Position der Bundesrepublik vor dem zweiten Golfkrieg

Die Frage nach Bundeswehr-Auslandseinsätzen stellte sich auch schon vor 1990 - bis Anfang der Achtziger Jahre wurde diese in Politik- und Expertenkreisen jedoch kaum für diskussionswürdig gehalten.

Auch als beide deutschen Staaten - damals noch getrennt - 1973 den Vereinten Nationen beitraten, fand dieses Thema in der Bundesrepublik kein Gehör.

Das internationale Umfeld von damals unterlag dem bipolaren Aspekt, in dessen ‘Strudel’ sich das geteilte Deutschland befand. Die ganze Konzentration lag auf dem Ost-West-Konflikt und somit aus territorialer Sicht in Zentraleuropa. Bei Kriegsausbruch hätte Deutschland mit höchster Wahrscheinlichkeit als Schlachtfeld gedient. Somit hatte die Bundesrepublik eine enorme Verantwortung übernommen, die bei Ausbruch des Krieges nicht durch weitere Lasten hätte beeinflußt sein dürfen.

Vor 1990 machten mehrere Aspekte einen Einsatz außerhalb der Bündnisgrenzen hinsichtlich des Risikopotentials schier unmöglich.

1. Die Ausweitung des Konfliktes auf Mitteleuropa

2. Die Bundesrepublik wäre erpressbar geworden durch die Anerkennung der DDR durch Drittstaaten.

3. Ein Aufeinandertreffen der beiden deutschen Armeen hätte einen noch höheren Eskalationsgrad im Ost-West-Konflikt bewirkt.

Durch die Vollendung der deutschen Einheit ist die Bundesrepublik zu einer europäischen ‘Großmacht’ - hinsichtlich der Landesgröße und der Bevölkerung - geworden.

Hinsichtlich dessen hat sich eine wichtige Veränderung gegenüber der Zeit vor 1990 ergeben. Die Bundesrepublik ist nun eher in der Lage, eine eigene Außenpolitik zu betreiben, als dies zuvor der Fall gewesen ist. Der seit dem Zweiten Weltkrieg entstandene Zustand der ‘Machtvergessenheit’ kann gebrochen werden.

Dies führte zum Konflikt zwischen außenpolitischer Macht und außenpolitischen Interessen.

Die außenpolitischen Richtlinien für Deutschland lagen bis zum Zweiten Golfkrieg in der Förderung von Demokratie und Menschenrechten sowie Kooperation und Integration.

Der Einsatz von Bundeswehrsoldaten - als Ausdruck des Verantwortungszuwachses - ließ Deutschland in einem anderen Licht erscheinen.

7 Die Haltung der Parteien

7.1 CDU/CSU

Über die Möglichkeit einer Teilnahme der Bundeswehr an allen völkerrechtlich zulässigen Peacekeeping- und Kampfmaßnahmen herrschte in der CDU/CSU ein Konsens, wobei eine Trennung zwischen Kampf- und Blauhelmeinsätzen wegen der Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen beiden Typen als praktisch nicht realisierbar erachtet wurde.

Die Gründe dafür waren:

- Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes habe sich das internationale Umfeld derart gewandelt, daß sicherheitspolitische Risiken existent würden, denen man notfalls auch mit militärischen Mitteln begegnen müsse.

- Deutschland trage seit seiner Vereinigung - in der neuen Konstellation des Internationalen Systems - eine gestiegene Verantwortung. Die deutsche Außenpolitik müsse auch in der Lage sein, alle Pflichten, die ihr aus der Mitgliedschaft in internationalen und supranationalen Organisationen erwachsen, wahrzunehmen, da die multilaterale Kooperation und supranationale Einbindung von überragendem deutschen Interesse sei. Die Forderung von den westlichen Partnern, denen man aufgrund ihrer Sicherheitsgarantien für Deutschland besondere Solidarität schulde, sei völlig gerechtfertigt.

Nach Meinung der CDU/CSU würde die völlige Abstinenz Deutschlands bei multilateralen militärischen Operationen im Ausland den Eindruck einer für Deutschlands Ansehen und seine außenpolitische Handlungsfähigkeit verhängnisvollen Mischung von moralischer Überheblichkeit und Drückebergerei erwecken. Dies dränge Deutschland in eine neue Sonderrolle die - in letzter Konsequenz - die internationale Isolation zur Folge hätte.

 

Eine Mitwirkung an multilateralen Militäreinsätzen ist erforderlich, um den deutschen Einfluß in der internationalen Politik zu stärken.

7.2 FDP

Anläßlich des Zweiten Golfkrieges setzte In der FDP, die noch 1989 eine Teilnahme der Bundeswehr an friedenserzwingenden Maßnahmen abgelehnt hatte, ein Umdenkungsprozeß ein, wonach sich Deutschland vor dem Hintergrund des geänderten internationalen Umfelds auch an Kampfeinsätzen beteiligten müßte.

Innerhalb der FDP war umstritten, ob dabei ein UN-Oberkommando erforderlich sei oder eine bloße Ermächtigung ausreiche. Zusätzlich sei eine Grundgesetzänderung - als Voraussetzung für eine deutsche Teilnahme an UN-Operationen - unverzichtbar.

Zudem sei es unverantwortlich, auf einer ungeklärten verfassungsrechtlichen Grundlage deutsche Soldaten zu UN-Operationen zu entsenden. Gerade gegenüber den Soldaten sei man verpflichtet, eine eindeutige rechtliche Situation herbeizuführen.

Schließlich forderte die FDP die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik. Insofern kam die FDP der Forderung der CDU/CSU nach ‘Europafähigkeit’ entgegen.

7.3 SPD

In der SPD wurde die Problematik der Bundeswehr-Auslandseinsätze dermaßen politisch kontrovers diskutiert, daß sie in gewisser Weise die gesamtgesellschaftliche Gespaltenheit in dieser Frage verkörperte.

 

Laut SPD war eine deutsche Teilnahme verfassungswidrig. Problematisch war aber die Definition der Grenze zwischen einer humanitären Hilfsaktion und einem Peacekeeping-Einsatz. Kriterien zur Abgrenzung waren für die SPD Bewaffnung, konkreter Auftrag sowie der Status innerhalb der jeweiligen UN-Operation.

Die SPD war nicht in der Lage, eine geschlossene Position einzunehmen, was die Frage der politischen Wünschbarkeit beziehungsweise Erforderlichkeit einer Teilnahme deutscher Soldaten an Auslandseinsätzen anbelangte.

Nur in der Beurteilung friedenserzwingender Maßnahmen ohne UN-Oberkommando herrschte ein Minimalkonsens. Diese Maßnahmen wurden jedoch von der SPD generell verurteilt, da sie die Vereinten Nationen als Instrument nationaler Interessen mißbrauchten.

7.4 Bündnis 90/ Die Grünen

Die innerparteiliche Auseinandersetzung gestaltete sich für keine andere Partei so schwierig, wie für Bündnis 90/ Die Grünen. Ihre interne Haltung, drohte sie sogar in bezug auf den Bosnienkonflikt im Jahre 1995 zeitweise zu spalten.

Die Position in der entbrannten Diskussion um Bundeswehr-Auslandseinsätze schien eindeutig und unumstößlich zu sein. Für die neuen Herausforderungen der internationalen Beziehungen schienen den Grünen nicht-militärische Mittel prädestiniert - militärische Mittel hingegen absolut ungeeignet.

Die Frage, was geschehen sollte, wenn Prävention und Abschreckungswirkung eines Systems kollektiver Sicherheit versagten, wurde zunächst nicht thematisiert. Das Konzept von Bündnis 90/Die Grünen ging stillschweigend davon aus, daß es grundsätzlich immer eine Möglichkeit zur nicht-militärischen Konfliktlösung gäbe.

7.5 PDS

Seit 1990 vertritt die PDS - im Vergleich zu den anderen, im Bundestag vertretenen Parteien - die restriktivste Auffassung hinsichtlich der deutschen Sicherheitspolitik. Sie plädierte nicht nur für die sofortige Auflösung von NATO und Weteuropäischer Union (WEU) sondern auch langfristig für die Abschaffung der Bundeswehr. Nach Meinung der PDS bestehe für derartige Bündnisse seit den weltpolitischen Umbrüchen von 1989/90 keine Rechtfertigung mehr.

Dies begründet sich durch folgende Punkte:

1. Es besteht keine militärische Bedrohung mehr für die Bundesrepublik Deutschland - weder gegenwärtig noch zukünftig.

2. Alle Konflikte lassen sich in der internationalen Politik durch präventive Diplomatie vermeiden bzw. durch nicht-militärische Maßnahmen lösen.

3. Weitergehende künftige Militäreinsätze stünden dann auch zur Debatte. Die PDS ist der Auffassung, eine deutsche Teilnahme an Peacekeeping-Operationen diene der Regierung dazu, Soldaten und Bevölkerung durch Blauhelmeinsätze auf einen weltweiten Interventionismus unter dem Kommando von NATO und WEU vorzubereiten.

Deutschland sei in Anbetracht der Folgen des deutschen Militarismus in diesem Jahrhundert zu absoluter militärischer Zurückhaltung verpflichtet.

7.6 Erklärung und Bewertung der deutschen Politik im Zweiten Golfkrieg

Diverse Punkte zeigen Deutschlands Verstöße gegen die Interessen seiner Außenpolitik:

1. Verfassungsinterpretation

Keine Bundeswehr-Auslandseinsätze außerhalb von Landes- und Bündnisverteidigung

2. Zusammentreffen der Golfkrise mit deutschem Einigungsprozeß

Deutschland im Zielkonflikt zwischen Rücksicht auf Gelingen des Einigungsprozesses und der Solidarität mit den westlichen Bündnispartnern; Deutsche Einheit als absolute Priorität; Im Zuge der Vollendung der Einheit war der Irak-Kuwait-Konflikt ein Störfaktor

Ein Problem, das sich ergibt: Deutschland hatte seine Rolle als "Zivilmacht" während des kalten Krieges so verinnerlicht, daß es verkannte, daß ein verändertes Internationales System möglicherweise neuer außenpolitischer Instrumente bedurfte. Die Bundesrepublik extrapolierte Erkenntnisse aus dem Ost-West-Konflikt auf die "Neue Weltordnung" und legte auf die Golfkrise ihre "alten" außenpolitischen Schablonen an. Vier Punkte könnten zur Erklärung hinzugefügt werden:

- Eskalationsangst

- Verhältnis zur Sowjetunion

- Angst vor deutschem Militarismus

- Falscheinschätzung der eigenen Situation

8 Die Bundeswehr und der 2. Golfkrieg

8.1 Einleitung

In diesem Teil der Ausarbeitung werde ich auf die Rolle der Bundeswehr im 2. Golfkrieg eingehen. Im Laufe der Krise am Golf gab es fünf Einsätze der Bundeswehr, die die Armee mehr oder weniger nah an das Krisengebiet heranführte. Der Golfkrieg von 1990-91 fachte in der Bundesrepublik eine Diskussion über die Beteiligung der Bundeswehr an internationalen Einsätzen an. Obwohl die Bundeswehr nicht unmittelbar an Kampfeinsätzen teilnahm, muß man das Ereignis des Golfkrieges als Wendepunkt in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik sehen.

Die Frage, ob die Bundeswehr nun am Golfkrieg als vollwertiger Allianzpartner hätte agieren sollen oder nicht, lasse ich weg, da ein Einsatz nicht möglich gewesen wäre, wie Hans-Dietrich Genscher ausführte:

Völlig unbeachtet blieb dabei, daß die Bundeswehr auf einen solchen Einsatz am Golf weder psychologisch noch im Hinblick auf Ausbildung, Ausrüstung und Logistik vorbereitet war.

Dies läßt sich auch an den zahlreichen (etwa 50) Kriegsdienstverweigerungen in der Truppe, von zum Teil Berufssoldaten, erkennen, die zu dem Einsatz in die Türkei befohlen wurden.

Am Ende werde ich noch auf die finanziellen und materiellen Beiträge der Bundesrepublik eingehen, die der deutschen Regierung im Zusammenhang mit dem Golfkrieg den Namen der "Scheckbuchdiplomatie" einbrachte. Es wird auf jeden Fall festzuhalten sein, daß der deutsche Beitrag sehr viel näher am Golfkrieg stattfand, als von der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Zwar nicht im "kriegerischen" Sinne, als vielmehr im Sinne eines Lieferanten und Spediteur der Alliierten.

 

8.2 Minensucher ins östliche Mittelmeer

Auf Ersuchen der amerikanischen Regierung entsendete die Bundesregierung am 10. August 1990 fünf Minensuchboote und zwei Versorgungsschiffe mit etwa 500 Marinesoldaten ins östliche Mittelmeer. Der Verband hatte vornehmlich den Befehl, Aufgaben der nun an den Golf rückenden NATO-Seestreitkräfte zu übernehmen. Im Rahmen von diversen Übungen und Manövern wurden die deutschen Marineeinheiten in bestehenden NATO-Strukturen und Aufgaben eingebunden.

Diese Entsendung entsprach den Maßnahmen für Krisenfälle außerhalb des NATO-Gebietes, die seit dem NATO-Gipfel 1982 in Bonn verabredet wurden.

Weil damals weder seitens der Regierungskoalition noch der Opposition ein Interesse bestand, die Frage internationaler Einsätze der Bundeswehr zum Thema der am 2. Dezember 1990 anstehenden gesamtdeutschen Bundestagswahl zu machen, hielten sich alle Politiker mit öffentlichen Stellungnahmen zurück. Außerdem vereinbarten die Parteien der Regierung und der Opposition, in der folgenden Legislaturperiode eine definitive Lösung der Frage anzustreben. Insgesamt herrschte wohl auf allen Seiten eine gewisse psychologische Ratlosigkeit, die darin lag, nicht sicher zu wissen, welche Entscheidungen im Ausland als Renaissance der militaristischen ugly Germans oder als Ausdruck verantwortungsscheuer Scheckbuchdiplomatie als Beginn eines neuen Sonderwegs gewertet würden.

Diese Zurückhaltung sollte sich aber mit Beginn des Jahres 1991 ändern.

 

 

8.3 Alphajets in die Türkei

Am 02. Januar 1991 beschloß der NATO-Rat, auf Ersuchen der Türkei, die Luftkomponenten der Mobilen Einsatzkräfte (AMF) von ACE, der auch deutsche Alphajets angehören, in die Südost-Türkei zu verlegen.

In Bonn verlautete, als deutscher Beitrag würden 18 Alphajets eines Jagdbombergeschwaders in Oldenburg mit 270 Mann auf den Stützpunkt Erhac, rund 400 km nördlich der irakischen Grenze, verlegt. Die Flugzeuge seien für die Unterstützung des Erdkampfes gebaut und hätten nur eine begrenzte Reichweite. Ihr Einsatz im Rahmen eines defensiven Auftrags könne nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Regierung in Bonn erfolgen.

SPD-Chef Vogel sprach dennoch von einer Fehlentscheidung, die jeder Rechtfertigung entbehre, da es keine Anzeichen für einen bevorstehenden irakischen Angriff auf die Türkei gebe; benötigt würden aktive Signale gegen den Krieg und für Verhandlungen.

Die ersten Lufteinheiten der Bundeswehr wurden am 4. Januar 1991 in die Türkei geflogen, die 18 Alphajets wurden am 6.Januar 1991 nach Erhac verlegt. Unter den 212 Soldaten waren keine Wehrpflichtigen.

 

8.3.1 Die Haltung der SPD zur Entsendung der Alphajets

Die SPD lehnte die Verlegung nachdrücklich ab und verlangte zudem, diese nicht als ausschließliche Sache der Regierung, sondern als parlamentarische Angelegenheit zu behandeln. Die Entsendung der Jets sollte den Alliierten demonstrieren, daß auch die Bundesrepublik, obwohl sie verfassungsrechtlich nicht an den Kampfhandlungen außerhalb des NATO-Gebiets teilnehmen darf, einen Beitrag leiste – es sollte verdeutlicht werden, daß Bonn ohne Wenn und Aber zu seinen NATO-Verpflichtungen stehe. Für die Bundesregierung stand fest, daß im Falle eines Angriffs des Irak gegen die Türkei – selbst wenn von dortigen Stützpunkten die Amerikaner zuerst Angriffe auf den Irak fliegen–, automatisch der sogenannte Bündnisfall eintrete; dies bestritt die SPD. Sie hielt die Entsendung der mobilen Einsatzeinheit allenfalls für geeignet, die ohnehin gespannte Lage am Golf weiter zu verschärfen. Es bestünden zudem keine hinreichenden Anzeichen für einen Angriff des Irak auf die Türkei. Angesichts der Tragweite der Angelegenheit sollte zumindest der Bundestag vorher befragt werden; sie warnte die Regierung davor, das Parlament und damit das Volk vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die vom Grundgesetz vorgeschriebenen Verfahren für die Entscheidung über Krieg und Frieden würden auch durch den NATO-Vertrag nicht außer Kraft gesetzt. Es gebe keinen Konflikt zwischen dem Irak und der NATO, sondern zwischen dem Irak und den Vereinten Nationen. Die SPD erwog eine Klage beim Bundesverfassungsgericht und erinnerte daran, daß die Verfassungsväter erreichen wollten, daß keine Exekutive unseren Staat in einen Krieg stürzen kann.

8.3.2 Militärische Untauglichkeit eines politischen Signals

Doch handelte es sich bei der Entsendung der Alphajets eher um ein politisches Signal, als um ein militärisches. Die Alphajets, eigentlich überalterte Schulungsflugzeuge, waren Erdkampfunterstützungsflugzeuge, die den Heeresteil der AMF aus der Luft unterstützen können. Doch AMF-Bodentruppen waren und sollten nicht in die Türkei verlegt werden. Vielmehr ging man auch von einer Luft-Bedrohung, in Form von Luft-Gegenangriffen als Vergeltung amerikanischer Luftangriffe von türkischen Luftwaffenstützpunkten, als von einer Bodeninvasion aus dem Irak aus. Doch zur Abwehr einer solchen Attacke waren die Alphajets ebenso wenig geeignet wie die Aufklärungsversion der in die Türkei entsandten italienischen Starfighter oder die überalterten belgischen Miragen die von der Brüsseler Regierung schon längst zum Verkauf freigegeben waren.

Nach Einschätzung des Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) haben die Alphajets kaum militärische Bedeutung; sie dienten der Unterstützung von Bodenkämpfen und seien zur Vernichtung von Panzern gedacht. Das Bundesverteidigungsministerium und NATO-Generalsekretär Manfred Wörner wiesen in diesem Zusammenhang auf die geringe Reichweite dieser Erdkampfbomber hin. Deren Aktionsradius – also die Reichweite, die einen gesicherten Rückflug erlaubt – soll zwischen 430 und 1100 km betragen, ist aber stark abhängig von Zuladung und Flughöhe.

 

8.3.3 Verlegung von Flugabwehrsystemen in die Türkei

Richtiger Zündstoff, sowohl in der politischen wie auch in der öffentlichen Diskussion, kam auf, als die Bundesregierung am 29. Januar beschloß, zur Sicherung der bereits stationierten Alphajets nun Flugabwehrsysteme vom Typ ROLAND und HAWK in die Türkei zu verlegen.

Die trotz der Erklärungen Kohls, ein Einsatz der Bundeswehr komme nicht in Frage, am 29 Januar beschlossene Verlegung von Raketenabwehrsystemen und ca. 500 Bundeswehrsoldaten in die Türkei lieferte den Auslöser für eine Welle emotional bestimmter politischer Schlagabtausche und öffentlicher Demonstrationen.

Vornehmlich die SPD entfachte eine Diskussion über die Reichweite der NATO- Beistandsverpflichtung im Fall eines von der Türkei selbst provozierten irakischen Angriffs auf ihr Territorium, und in vielen Städten kam es zu den größten Friedensdemonstrationen seit dem NATO-Doppelbeschluß, die außerdem durch die kollektive Betroffenheit weiter Teile der Bevölkerung von den irakischen Raketenangriffen auf Israel gekennzeichnet waren, über die es hieß, sie seien von deutschen Rüstungskonzernen mit ermöglicht worden.

Auch in diesem Fall zeigte sich, daß die Bundeswehr nicht in ihre neue Rolle gewachsen, sondern eher reingeschubst wurde. Einige mögen sich noch an das Bild errinnern, als das von der Bundesrepublik gecharterte Antonow-124-Transportflugzeug, auf dem Flugfeld stehend, den Transport des deutschen Rüstungsguts verweigert. Wie sich herausstellte, auf Anweisung Moskaus. Am Ende konnten die amerikanischen Streitkräfte Kapazitäten freimachen, um das Material in die Türkei zu verlegen.

Nur wegen der unerwarteten Verfügbarkeit von NVA-Material und geglückter Improvisation in der Truppe war die Bundeswehr kurzfristig in der Lage, ihre Luftwaffenkontingente in der Türkei unter winterlichen Bedingungen angemessen auszurüsten.

 

 

8.4 Deutsche Minenabwehreinheiten in den Persischen Golf

Hingegen ohne großes Aufsehen wurden nach Ende der Kampfhandlungen, aber noch vor dem offiziellem Waffenstillstand, der deutsche "Minenabwehrverband Südflanke", das war der Verband, der zu Beginn der Krise ins östliche Mittelmeer verlegt wurde, von Kreta nach Bahrain (außerhalb des NATO-Gebietes) beordert. Dort sollten im Auftrag der UNO, gemäß Resolution 678 vom 29. November 1990, Minen geräumt werden. Der deutsche Beitrag wurde als eine koordinierte "humanitäre Mission" zum Schutz der gefährdeten internationalen Handesschiffahrt deklariert. Dieser Einsatz fand -obwohl unter nationalem Komando- unter dem Mandat der WEU (West Europäische Union) statt. Mit diesem Schritt akzeptierte die Bundeswehr zum ersten Mal eine - wenn auch begrenzte- operationelle Rolle der WEU.

Mit Unterstützung durch deutsche Marinefliegerkräfte zerstörte der deutsche Verband von April bis Juli 1991 insgesamt 101 Sprengkörper in See.

 

8.5 "Operation Kurdenhilfe"

Einen Monat später leistete die Bundeswehr mit der Präsenz von mehr als 500 Pionieren, Heeresfliegern und Sanitätspersonal in den türkischen und iranischen Grenzgebieten zum Norden des Irak und durch die Einrichtung ständiger Luftbrücken der Bundesluftwaffe nach Batman (Türkei) und Bakhtaran (Iran) einen wichtigen eigenen Beitrag zu den multilateral abgestimmten humanitären Bemühungen zur Bewältigung des Problems der Versorgung, der Rückführung und des Schutzes von insgesamt mindestens 1,5 Millionen irakischen Flüchtlingen überwiegend kurdischer Herkunft.

In 70 Tagen wurden über eine Luftbrücke rund 1.700 Tonnen Hilfsgüter in die Türkei und in den Iran geflogen und vor Ort an kurdische Flüchtlinge verteilt. Pioniere des Heeres bauten ein Dorf für 5.000 Flüchtlinge. Sanitätssoldaten errichteten ein Feldlazarett und übergaben dieses nach 30tägigem Betrieb an die Provinzregierung von Baktaran. Etwa 25.000 Menschen wurden zum Teil mit luftbeweglichen Ärtzteteams medizinisch versorgt und betreut.

Doch auch in diesem Fall entschied sich die Bundesregierung, sich nicht an einer internationalen Truppe zum Schutz der Zivilbevölkerung im Nord-Irak, zu beteiligen. Die Operation "Provide Comfort" mit etwa 22.000 Mann fand ebenso ohne deutsche Beteiligung statt, wie die Nachfolgeoperation "Poised Hammer" mit etwa 4.600 Mann.

 

8.6 Transportaufgaben für eine UN-Kommission im Irak

Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich deutsche Stellen in keiner Form auf irakischem Terretorium bewegt. Das sollte sich jedoch mit der Entsendung von drei Transporthubschrauber vom Typ CH-53 nach Bagdad und zwei in Bahrain stationierten "Transall"-Flugzeugen ändern. Die Bundesregierung stellte diese Kapazitäten der UNOSCOM (UNO-Sonderkomission zur Untersuchung des irakischen Potentials an Massenvernichtungswaffen) für die Durchführung der Vor-Ort-Inspektionen und Überwachungsflüge im Irak zur Verfügung.

Die eingesetzten Hubschrauber erbrachten bis Ende 1993 eine Gesamtflugleistung von rund 1.800 Stunden, die in Bahrein stationierten Transall rund 1.900 Stunden.

 

8.7 Der finanzielle und materielle Beitrag Deutschlands

Der Gesamtwert aller staatlichen deutschen Leistungen in den Jahren 1990 und 1991 im Zusammenhang mit den multilateral koordinierten Reaktionen auf den irakischen Angriff läßt sich mit knapp 18 Milliarden DM beziffern. Hierin enthalten sind sowohl finanzielle Leistungen, wie auch Sachleistungen und Transport bzw. Logistikleistungen.

Kaum öffentliche Beachtung fand die Verlegung fast der gesamten in Deutschland stationierten amerikanischen Streitkräfte (gesamtes VII. US-Korps: etwa 72.400 Mann). Diese Verlegung wurde von der Bundeswehr geplant, Kapazitäten zur Verfügung gestellt oder angemietet, durchgeführt und letztlich auch bezahlt. So wurden 1.500 Straßenmärsche und -transporte der Alliierten mit den Behörden abgesprochen. Darüber hinaus organisierten die deutschen Dienststellen rund 900 Eisenbahnzüge der Deutschen Bundesbahn und der DDR-Reichsbahn. An amerikanischen militärischen Gütern wurden 19.800 Radfahrzeuge, 5.200 Kettenfahrzeuge, darunter 1.800 Kampfpanzer, 953 Bradley-Schützenpanzer und 360 155mm Panzerhaubitzen transportiert. Darüber hinaus wurden rund 2.900 Container, 166.000 Tonnen Munition, sowie 6 Batterien Patriot-Luftabwehrraketen transportiert. Insgesamt 45 Prozent der 586 sogenannten "Güterzugmengen" wurden tatsächlich mit Güterzügen transportiert, 35 Prozent auf 450 Rheinschiffen und 19 Prozent gelangten über Autobahnen an die Seehäfen, wo 103 Seeschiffe zum Weitertransport bereitstanden. Allein dieser Posten wird mit 400 Millionen DM beziffert.

Eine interessante Aufstellung über die Materiallieferungen an Verbündete hat Michael Inacker veröffentlicht. Demnach war die Bundesrepublik einer der wichtigsten Lieferanten von Munition für die alliierten Streitkräfte. Nach Inacker, der seine Zahlen aus interne Papiere der Bundesregierung haben will, haben alleine die Vereinigten Staaten insgesamt 10,3 Milliarden DM an Finanz- und Sachleistungen erhalten.

Wenn man die Munitionslieferungen an die Alliierten überschaut, bekommt man das Gefühl, daß beinahe jede abgeschossene Granate im 2. Golfkrieg aus Deutschland kam. Allein die USA bekamen als sogenanntes Materialdarlehen über 55.000 Schuß 120mm Munition für Panzer und Artillerie.

 

8.8 Versuch einer Schlußbetrachtung

Abschließend ist zu sagen, daß der rein militärische Beitrag der Bundeswehr zwar ein sehr gringer war, die logistische Unterstützung, die große finanzielle Unterstützung und vor allem die materielle Unterstützung aber waren Beiträge, die nicht zu unterschätzen sind.

Es wurde die in Deutschland stationierte amerikanische Truppe über Straßen, Flüße, Schienen und Flughäfen gen Golfregion "geschleust". Ferner wurde die Golfallianz in großem Stil mit Munition und anderen militärischen Gütern ausgestattet. Man fragt sich heute, warum diese umfänglichen Bewegungen von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wurden.

Letzlich steht da noch der unglaubliche finanzielle Beitrag von 18 Milliarden DM (18.000.000.000) den die Deutschen vor, während und nach dem Golfkrieg an die Golfkriegsallianz "abgedrückt" haben. Um die Relationen dieser deutschen Aufwendungen nochmals deutlich zu machen: Dieses Geld reicht aus, um eine komplette Panzerdivision von 18.000 Mann 20 Jahre oder die komplette Bundeswehr mehr als ein halbes Jahr zu unterhalten.

Wenn man nun unter dem Strich ein Gesamtresumeé des Beitrages der Bundesrepublik und insbesondere der Bundeswehr am 2. Golfkrieg ziehen möchte, so muß man recht vorsichtig vorgehen. Es bringt nichts, den deutschen Beitrag als Drückebergerei bzw. Scheckbuchdiplomatie hinzustellen.

Sicher hätten die 18 Milliarden DM auch ganz gut in den "Aufbau Ost" gepaßt, unbestritten hätte die Entsendung von 10 Tornados, die ein wenig "mitfliegen", sehr viel weniger Geld gekostet, als -wie Michael Inacker resumiert- sich aus der alliierten Kritik rauszukaufen. Aber eine symbolische Entsendung von ein paar Kriegsgeräten wäre der deutschen Rolle in der Weltgemeinschaft nicht gerecht geworden. Als einer der drei führenden Wirtschaftsmächte in der Welt muß die Bundesrepublik Deutschland mit der Tatsache leben, daß ihre Partner von ihr aufgrund ihres großen wirtschaftlichen und politischen Gewichts, sowie des hohen militärischen Ausrüstungs- und Ausbildungsstands ihrer Streitkräfte mit Recht mehr als nur symbolische Beiträge erwartet. Eine Weigerung, sich an den finanziellen Lasten des Konflikts zu beteiligen, hätte weitaus schwerwiegendere Folgen gehabt. Es hätte wohl mit einer erhebliche Einbuße an Glaubwürdigkeit in bezug auf den erklärten politischen Willen der Bundesrepublik Deutschland gerechnet werden müßen, als ein einflußreiches und verantwortliches Mitglied der Familie freier Staaten eine aktive weltweite Friedenspolitik zu verfolgen.

Nicht zu vergessen sind andere außenpolitsche Einflüße und die damals schwer abzusehenden Folgen. So wäre beispielsweise die Herausforderung der ungewissen sowjetischen Reaktionen auf eine deutsche Streitkräftepräsenz im Krieg am Persischen Golf zum betreffenden Zeitpunkt einem Vanquespiel um Gorbatschows politische Überlebensfähigkeit gleichgekommen, mit all den Folgen die dies für einen geordneten Rückzug des zerfallenden Sowjetreiches aus Zentraleuropa gehabt hätte, sowie der sowjetischen Bereitschaft zur Kooperation im UNO-Sicherheitsrat.

Wenn man nun die innenpolitische Unmöglichkeit eines Bundeswehreinsatzes zu Grunde legt, die ja wegen der übeinstimmenden Meinung aller Parteien wegen des Grundgesetzes de facto bestand, und den finanziellen Beitrag anderer "Weltmächte" anschaut, komme ich zu dem Ergebnis, daß der Beitrag der Bundesrepublik Deutschland im 2. Golfkrieg den richtigen Weg, vor allem aber ein wichtiges Signal darstellt. Im nächsten Teil dieser Ausarbeitung wird sich zeigen, wie die Grundgesetzdebatte geführt wurde, und zu welchem Ergebnis das Bundesverfassungsgericht in dieser Frage gekommen ist.

Sicher scheint, daß ein zukünftiger, vergleichbarer Einsatz nicht mehr ohne die Bundeswehr stattfinden wird - in welchem Ausmaß auch immer.

9 Die verfassungsrechtliche Debatte in der BRD während des zweiten Golfkrieges

9.1 Einleitung

Dieser Teil der Hausarbeit befaßt sich mit der verfassungsrechtlichen Seite einer Teilnahme der Bundeswehr der BRD in der Golfkriegsallianz. Zunächst werde ich darauf eingehen welcher Art der Einsatz der multinationalen Streitmacht zur Befreiung Kuwaits eigentlich war. Dann werde ich die für mein Thema wichtigen Artikel vorstellen und auf deren Interpretation eingehen.

 

Abschließend stelle ich dann das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor, das die verfassungsrechtliche Seite eines Einsatzes der Bundeswehr klarstellte.

 

9.2 Die Art des Einsatzes

Die multinationale Streitmacht, die zur Befreiung Kuwaits angerückt war, war vom UN-Sicherheitsrat ermächtigt. Aber die UNO hatte nicht die Leitung und auch nicht die Kontrolle über diese Streitmacht. Die USA (ein Nationalstaat) machte sich zum Wortführer für geeignete Sanktionen.

Der Einsatz war der Form nach im Grenzbereich zwischen friedenserzwigenden Maßnahmen der UNO nach Kapitel VII der UN-Charta und kollektiver Selbstverteidigung nach Artikel 51 UN-Charta angesiedelt. Der Artikel 51 UN-Charta regelt die individuelle und kollektive Selbstverteidigung:

 

Artikel 51

Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Maßnahmen, die ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie berühren in keiner Weise dessen auf dieser Charta beruhende Befugnis und Pflicht, jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält.

(Quelle: Verfassung des Landes Hessens und Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland mit einer Einführung und einem Anhang; 39., überarbeitete Auflage; Verlag Dr. Max Gehlen; Bad Homburg vor der Höhe, 1986; Seite 251)

 

Wichtig für mein Thema ist, daß ein Tätigwerden der Bundeswehr in der Golfallianz eine Teilnahme an einer UN-Operation bedeutet hätte, und nicht an einer NATO-Operation. Ein Tätigwerden der Bundeswehr im Rahmen der NATO wäre dann gegeben, wenn ein Mitglied der NATO angegriffen werden würde, und somit der Bündnisfall ausgelöst wird. Da aber weder Kuwait noch Israel Mitglieder der NATO sind, ist das NATO-Gebiet für ein Tätigwerden der Bundeswehr in der Golfallianz unwichtig. Lediglich bei einem Angriff des Iraks auf die Türkei wäre diese Tatsache von Bedeutung gewesen "Für eine Teilnahme der Bundeswehr an UN-Operationen ist das "NATO-Gebiet" völlig irrelevant. Die Frage der Zulässigkeit von Bundeswehr-Einsätzen innerhalb von UN-Operationen wird nicht vom NATO-Vertrag, sondern vom Grundgesetz bestimmt."

 

9.3 Die Regelungen des Grundgesetzes

Einleitend muß gesagt werden, daß es eine offene Verfassungsfrage war, ob die Bundeswehr in der Golfallianz, die unter der Ermächtigung der UN handelte, mitmachen durfte. Es gab viele Meinungen, aber keiner konnte von sich behaupten die ultimative Lösung zu besitzen "Die Argumentationswege, die in der Staatsrechtslehre vertreten werden, sind fast so zahlreich wie die Autoren, die sich mit der Materie beschäftigt haben." Der Grund für diesen Zustand liegt in der Auslegung der zuständigen Artikel im Grundgesetz.

 

9.3.1 Der Artikel 87a GG

Den Hintergrund der verfassungsrechtlichen Debatte bildet der Artikel 87a des Grundgesetzes, und besonders wichtig ist der Absatz zwei dieses Artikels:

 

Artikel 87a

 

[Aufstellung und Befugnisse der Streitkräfte]

 

(1)Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Ihre zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.

 

(2)Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt.

 

(3)Die Streitkräfte haben im Verteidigungsfalle und im Spannungsfalle die Befugnis, zivile Objekte zu schützen und Aufgaben der Verkehrsregelung wahrzunehmen, soweit dies zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages erforderlich ist. Außerdem kann den Streitkräften im Verteidigungsfalle und im Spannungsfalle der Schutz ziviler Objekte auch zur Unterstützung polizeilicher Maßnahmen übertragen werden; die Streitkräfte wirken dabei mit den zuständigen Behörden zusammen.

 

(4)Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann die Bundesregierung. wenn die Voraussetzungen des Artikels 91 Abs. 2 vorliegen und die Polizeikräfte sowie der Bundesgrenzschutz nicht ausreichen, Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes beim Schutze von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen. Der Einsatz von Streitkräften ist einzustellen, wenn der Bundestag oder der Bundesrat es verlangen.

 

(Quelle: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland; Textausgabe; Stand: Dezember 1992)

Zunächst einmal ist die Frage wichtig: Sind sowohl die Inlands- als auch die Auslandseinsätze der Bundeswehr durch Art. 87a Abs. 2 GG dargestellt?

Die herrschende Meinung war, daß Auslandseinsätze der Bundeswehr durchaus dargestellt sind (Grammatikalische Interpretation: Aus dem Wortlaut des Absatzes geht keinerlei Einschränkung hervor; aber auch historische Quellen zeigen, daß der Gesetzgeber keine Einschränkung bzgl. eines Auslandseinsatzes machen wollte).

 

Es gab aber auch die Meinung, daß nur Inlandseinsätze durch Art. 87a Abs.2 GG abgedeckt sind. Als Beispiel sei darauf hingewiesen, daß der Art. 87a GG im VIII. Abschnitt des Grundgesetzes steht.

"Die Tatsache, das Art. 87a Abs. 2 GG im VIII. Abschnitt des Grundgesetzes zu finden ist, der die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung regelt –eine per se staatsintern ausgerichtete Materie- spricht ebenfalls gegen eine umfassende Regelung aller Verwendungsmöglichkeiten in Art. 87a Abs. 2 GG (systematische Interpretation)."

 

Als weiterer Punkt ist die Auslegung der Begriffe Einsatz und Verteidigung wichtig.

Auf den Begriff Einsatz möchte ich nur kurz eingehen. Die Frage war: "Welche Tätigkeit der Bundeswehr ist ein Einsatz nach Art. 87a Abs. 2 GG?" Zur Debatte standen drei Antworten auf diese Frage:

1.Ein bewaffnetes Handeln ist ein Einsatz nach Art. 87a Abs. 2 GG, d.h. wichtig in diesem Zusammenhang ist das tragen von Waffen.

2.Jegliche Verwendungen der Bundeswehr (logistisch, humanitär, militärisch) sind Einsätze nach Art. 87a Abs. 2 GG, und bedürften der ausdrücklichen Zulassung.

3.Ein Einsatz nach Art. 87a Abs. 2 GG ist jede "nicht – gewaltneutrale Verwendung" der Bundeswehr. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß die Bundeswehr zum Element staatlicher Gewaltausübung wird.

Der Begriff der Verteidigung ist meiner Meinung nach der interessantere von beiden. Auch für diesen Begriff gibt es wieder drei verschiedene Auslegungen:

 

1. Der völkerrechtliche Verteidigungsbegriff (weite Auslegung)

Der völkerrechtliche Verteidigungsbegriff geht davon aus, daß die völkerrechtlichen Grenzen der Verteidigung zugleich die verfassungsrechtlichen Grenzen sind. "Aufgrund der allgemeinen Ermächtigung zur Unterhaltung von Streitkräften für die Verteidigung in Art. 87a Abs. 1 GG wäre demnach jede Verteidigungsmaßnahme zulässig, die völkerrechtlich durch das in Art. 51 der UNO-Charta festgeschriebene Recht jedes Staates zur eigenen und kollektiven Selbstverteidigung erlaubt wird." Die Bundeswehr kann also zur Verteidigung des bundesdeutschen Gebietes und auch zur Verteidigung von Angriffen auf andere Staaten eingesetzt werden.

Das Problem bei dieser Auslegung des Verteidigungsbegriffs ist, daß das deutsche Grundgesetz automatisch mit einer anderen Rechtsordnung (hier: das Völkerrecht) kombiniert wird. Die Folge ist, daß dem sogenannten Verteidigungsfall, der in Art. 115a ff. GG bestimmt wird, m. E. faktisch keine große Bedeutung mehr zukommt. Der Artikel 115a ff. GG regelt, daß nur ein unmittelbarer, bewaffneter Angriff von außen auf das Gebiet der Bundesrepublik eine Verteidigung zur Folge hat.

 

2. Verteidigung ist gleich dem Verteidigungsfall (enge Auslegung)

Wie oben schon erwähnt wurde definiert der Artikel 115a den Verteidigungsfall:

 

Artikel 115a

 

[Begriff und Feststellung]

 

(1) Die Feststellung, daß das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht (Verteidigungsfall). trifft der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates. Die Feststellung erfolgt auf Antrag der Bundesregierung und bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages.

 

(2) Erfordert die Lage unabweisbar ein sofortiges Handeln und stehen einem rechtzeitigen Zusammentritt des Bundestages unüberwindliche Hindernisse entgegen oder ist er nicht beschlußfähig, so trifft der Gemeinsame Ausschuß diese Feststellung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens der Mehrheit seiner Mitglieder.

(3) Die Feststellung wird vom Bundespräsidenten gemäß Artikel 82 im Bundesgesetzblatte verkündet. Ist dies nicht rechtzeitig möglich, so erfolgt die Verkündung in anderer Weise; sie ist im Bundesgesetzblatte nachzuholen, sobald die Umstände es zulassen.

 

(4) Wird das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen und sind die zuständigen Bundesorgane außerstande, sofort die Feststellung nach Absatz 1 Satz 1 zu treffen, so gilt diese Feststellung als getroffen und als zu dem Zeitpunkt verkündet, in dem der Angriff begonnen hat. Der Bundespräsident gibt diesen Zeitpunkt bekannt, sobald die Umstände es zulassen.

(5) Ist die Feststellung des Verteidigungsfalles verkündet und wird das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen, so kann der Bundespräsident völkerrechtliche Erklärungen über das Bestehen des Verteidigungsfalles mit Zustimmung des Bundestages abgeben. Unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 tritt an die Stelle des Bundestages der Gemeinsame Ausschuß.

 

(Quelle: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland; Textausgabe; Stand: Dezember 1992)

 

Bei einer so engen Auslegung wären Auslandseinsätze generell nicht durch das Grundgesetz gedeckt, da es am nötigen Gebietsbezug fehlen würde. Die Kritiker dieser Auslegung gaben zu bedenken, daß das Wort Verteidigung

nicht gleichzusetzen sei mit dem Wort Verteidigungsfall.

 

3. Verteidigung ist Landes- und Bündnisverteidigung (NATO-Ansatz)

Legt man den Begriff Verteidigung so aus, ist erstens die Landesverteidigung erlaubt, und zweitens die Verteidigung in einem System kollektiver Verteidigung (z.B. die NATO oder die WEU). Eine Allianzpolitik wäre demnach verfassungslegitim, da im Artikel 80a Abs. 3 GG Bündnisverträge ausdrücklich erwähnt werden. Diese Position war damals die herrschende Meinung.

Das Problem ist aber, daß ein Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der UNO nicht zugelassen wäre, da die UNO kein System kollektiver Verteidigung, sondern ein System kollektiver Sicherheit ist.

 

9.3.2 Der Artikel 24 GG

Ein weiterer wichtiger Artikel ist der Art. 24 Abs. 2 GG, der eine Aussage zur Einordnung Deutschlands in ein System kollektiver Sicherheit macht.

 

Artikel 24

 

[zwischenstaatliche Einrichtungen]

 

(1) Der Bund kann durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen.

 

(1 a) Soweit die Länder für die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben zuständig sind, können sie mit Zustimmung der Bundesregierung Hoheitsrechte auf grenznachbarschaftliche Einrichtungen übertragen

 

(2) Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern.

 

(3) Zur Regelung zwischenstaatlicher Streitigkeiten wird der Bund Vereinbarungen über eine allgemeine, umfassende, obligatorische, internationale Schiedsgerichtsbarkeit beitreten.

 

Es stellte sich jetzt folgende Frage:

Ist mit dem Art. 24 Abs. 2 GG die ausdrückliche Zulassung gegeben, die der Art. 87a Abs. 2 GG verlangt, oder nicht?

Auch hierfür gab es natürlich wieder verschiedene Auslegungen:

1.Der Art. 24 Abs. 2 GG ist eine ausdrückliche Zulassung, und somit ist ein Einsatz im Rahmen der UNO erlaubt.

 

2.Der Art. 24 Abs. 2 GG ist zwar keine ausdrückliche Zulassung nach Art. 87a Abs. 2 GG, aber Auslandseinsätze im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit sind trotzdem erlaubt. Die Begründung ist, daß der Artikel 24 GG schon 1949 ins Grundgesetz kam, und der Artikel 87a GG erst 1968. Es war keine Absicht seitens der Gesetzgeber zu erkennen den Artikel 24 GG dadurch einzuschränken.

 

3.Der Art. 24 Abs. 2 GG ist keine ausdrückliche Zulassung. Die Argumentation war, daß die Grenze jeder Gesetzesinterpretation der Wortlaut des Gesetzes selbst sein solle. Und da im Art. 24 GG weder was von Streitkräften noch von Peacekeeping oder irgendeiner Teilnahme an Kampfmaßnahmen steht, wäre eine Teilnahme an der Golfallianz verfassungswidrig gewesen.

 

Außer der Frage der ausdrücklichen Zulässigkeit war in der verfassungsrechtlichen Kontroverse noch wichtig welche Organisation eigentlich ein System kollektiver Sicherheit ist, und welche Einsatzformen aufgrund des Art. 24 Abs. 2 GG zugelassen wären.

In der Verfassungsdebatte wurden die NATO und die WEU nicht als Systeme kollektiver Sicherheit geführt, sondern nur die UNO. Somit würde der Art. 24 Abs. 2 GG nur einen Einsatz im Rahmen der UNO erlauben. Ein Einsatz im Rahmen der NATO oder WEU war nach herrschender Meinung schon genügend durch den Art. 87a Abs. 2 GG abgedeckt.

In der Frage der Einsatzformen gab es wieder drei verschiedene Standpunkte:

 

1. Es sind alle denkbaren Einsatzformen im Rahmen der UNO erlaubt.

 

2. Es sind nur friedenserzwingende Maßnahmen aber nicht friedenserhaltende Maßnahmen erlaubt, mit der Begründung, daß friedenserhaltende Maßnahmen keinen Sicherheitszuwachs für die Bundesrepublik Deutschland bedeuten würden.

 

3. Nur Operationen unter UN-Oberkommando sind von Art. 24 Abs. 2 GG gedeckt. Also wäre z.B. die Teilnahme der Bundeswehr an der Golfkriegsallianz nicht gedeckt gewesen, da nur ein UN-Mandat vorlag. Die Leitung und Kontrolle war nicht in den Händen der UNO.

9.3.3 Die Organkompetenz zur Entsendung deutscher Soldaten zu UN-Operationen

 

Ein weiteres Problem, auf das ich kurz eingehen möchte, war damals die Frage:

Wer entscheidet über die Entsendung deutscher Soldaten zu UN-Operationen?

Auch dazu gab es wieder verschiedene Meinungen:

 

1. Die Entscheidung trifft die Exekutive (Bundesregierung). Die Begründung für diese Meinung war, daß der Beitritt der BRD zur UNO 1973 und vor allem das dazugehörige Zustimmungsgesetz (6.6.1973) eine ausdrückliche Ermächtigung darstellt, die keine weitere parlamentarische Abstimmung oder ein besonderes Gesetz erfordert.

 

2. Die zweite Meinung forderte genau so ein Gesetz.

 

3. Im dritten Standpunkt wird eine parlamentarische Zustimmung aufgrund von Art. 59 Abs. 2 GG gefordert.

 

  1. Die vierte Meinung sieht eine Zustimmung des Bundestages aufgrund der aus Art. 20 GG abgeleiteten Wesentlichkeitstheorie für gegeben.

 

 

9.4 Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

 

Am 12 Juli 1994 fällte das Bundesverfassungsgericht folgende Entscheidungen:

 

1. Auslandseinsätze der Bundeswehr sind nach Artikel 24 Abs. 2 GG zulässig.

Das heißt, das die Bundeswehr im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit tätig werden darf.

 

2. Das Bundesverfassungsgericht stellte außerdem fest, das nun auch die NATO und die WEU Systeme kollektiver Sicherheit sind.

 

3. Ein weiterer Entschluß war, daß jeder Einsatz der Streitkräfte eines vorherigen konstitutiven Parlamentsbeschlusses bedarf, auch im Bündnisfall. Wenn die Situation besonders gefährlich ist kann auf den vorherigen Parlamentsbeschluß auch verzichtet werden.

Nicht nötig ist ein Parlamentsbeschluß nur dann, wenn die Bundeswehr im Ausland Hilfsleistungen vollbringt, bei denen die Soldaten nicht in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind.

 

Fazit: Wie man sieht war keine Grundgesetzänderung nötig, um Auslandseinsätze der Bundeswehr im Rahmen der UNO zu erlauben. Durch die Einstufung der NATO und der WEU als Systeme kollektiver Sicherheit sind jetzt sogar Einsätze im Rahmen dieser Institutionen erlaubt. Die Einordnung der NATO und der WEU als Systeme kollektiver Sicherheit ist aber in der Fachwelt umstritten "Der einzige Punkt, der von mehreren Autoren massiv kritisiert wurde, war die Einordnung von NATO und WEU als "Systeme kollektiver Sicherheit", die angesichts der unterschiedlichen Konzepte der "kollektiven Verteidigung" und der "kollektiven Sicherheit" problematisch sei."

Es bleibt auch die Frage offen was passiert, wenn weder die UNO noch die NATO oder die WEU eine Ermächtigung zum Einsatz aussprechen. Dann wäre dieser Einsatz nicht mehr durch den Art. 24 Abs. 2 GG gedeckt. Gegebenenfalls müßte dann diskutiert werden, ob der Art. 87a Abs. 2 GG eine ausreichende Deckung liefert.

 

10 Positionen der friedenspolitischen Öffentlichkeit

An den Anfang möchte ich eine kurze Erläuterung stellen, wie der Begriff der 'friedenspolitischen Öffentlichkeit' in unserem speziellen Zusammenhang verstanden werden soll: Neben der 'traditionellen' Friedensbewegung, die sich während des (Zweiten) Golfkriegs in einer kaum noch für möglich gehaltenen Stärke formierte, schließt der Begriff u.a. auch diverse AkteurInnen des parlamentarischen Spektrums einerseits sowie Gruppierungen mit weniger pazifistischer als antiimperialistischer Motivation andererseits ein. Dementsprechend heterogen, wenngleich die Grenzen zwischen den einzelnen 'Fraktionen' oftmals auch fließend waren, äußerten sich zwangsläufig auch deren Ziele; gleichwohl kam es oft zu einem einheitlichen Vorgehen (vor allem Massendemonstrationen). Diese notwendige Begriffsklärung an den Anfang zu stellen, ist mir ein Bedürfnis, da, wie wir sehen werden, die Widersprüche innerhalb der Golfkriegsopposition an mehreren Stellen zutage treten. An den Punkten, an denen ich diese Differenzen als gravierend wahrnehme, werde ich auf diese ausführlicher eingehen.

 

Bevor auf die spezifisch deutsche Debatte eingegangen wird, die sich insbesondere an den Fragen einer deutschen Unterstützung entzündet hat, soll kurz die prinzipielle Ablehnung dieses Krieges durch die friedenspolitische Öffentlichkeit charakterisiert werden.

 

10.1 "Kein Krieg in der Golfregion"

"Wir verurteilen die Intervention des Irak in Kuweit, bedauern allerdings nicht die Absetzung des kuweitischen Herrscherhauses", heißt es in einem Demonstrationsaufruf vom August 1990, als sich die Bereitschaft mehrerer Staaten zur Intervention in diesem Konflikt abzeichnete. Weiter heißt es dazu: "Unser Engagement gegen den Krieg in der Golfregion ist nicht so gemeint, daß wir ein Regime unterstützen, das für den Tod von vielen hunderttausend Menschen im Irak/Iranischen Krieg mitverantwortlich ist." Notwendige Klarstellungen wurden seitens der KriegsgegnerInnen also schon zu Beginn der Krise expliziert. Notwendig deshalb, weil die ohnehin unter hohem Legitimationsdruck stehende Friedensbewegung im weiteren Verlauf noch oft genug gezwungen war, den Vorwurf einer einseitigen Parteinahme für den Irak zu entkräften. Von diesem Minimalkonsens abgesehen offenbarten sich ebenfalls bereits zu Beginn die ersten wesentlichen Unterschiede innerhalb der Golfkriegsopposition: Während in dem eben zitierten Aufruf (wie auch in etlichen anderen Flugblättern) die spezielle Rolle der USA und deren Doppelmoral hervorgehoben wird, die sich verkürzt auf die Formel "Wenn das Völkerrecht nur angewandt wird, wenn's gerade paßt, dann ist es nicht länger Recht, sondern Willkür!" bringen läßt, äußert sich der Protest anderer Gruppen eher aus erwähntem pazifistischem Blickwinkel und fordert politische Lösungen, z.B. "Embargo statt Krieg". Es kann allerdings angenommen werden, daß im weiteren Verlauf der Krise und später des Kriegs die Widersprüchlichkeit der USA und anderer, mit zweierlei Maß zu messen, nach und nach auch von vielen friedenspolitisch engagierten Menschen und Gruppen wahrgenommen wurde, deren Tradition nicht gerade als antiimperialistisch bezeichnet werden kann. Zum Beispiel stellte ein Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion im November 1990 fest: "Nicht jede Völkerrechtsverletzung der Vergangenheit ist von den VSA oder den Vereinten Nationen zum Anlaß für politische Sanktionen oder militärisches Engagement genommen worden. " Wenig später heißt es im selben Papier: "Nicht die Aggressionsbereitschaft Iraks, sondern das Interesse führender Staaten des Westens hat sich geändert. " Das mag zunächst banal klingen, weist aber darauf hin, daß die 'AntiimperialistInnen' dlie Friedensbewegung insgesamt ein Stück weit beeinflußt haben. Die Scheinheiligkeit der USA bezüglich a) ihres eigenen Verhaltens in anderen Ländern, wovon der Überfall auf Panama nur das jüngste Beispiel war, und b) anderer UN-Resolutionen gerade auch dieselbe Region betreffend, die eben nicht in einer solchen Weise geahndet wurden, war später für eine sehr viel größere Menge an Friedensbewegten offensichtlich. Das wird uns im Zusammenhang mit der Rolle der Medien nochmals beschäftigen, als diese gemeinsam mit VertreterInnen der Regierung sowie anderen KriegsbefürworterInnen daran mitwirkten, der Friedensbewegung – fälschlicherweise – vorzuwerfen, sie sei einseitig oder "antiamerikanisch" ("Wo wart Ihr im August?"). Zunächst soll jedoch die Auseinandersetzung um die spezielle Rolle Deutschlands in diesem Krieg skizziert werden.

 

10.2 Die Ablehnung einer deutschen Unterstützung

Ein innerhalb der Anti-Kriegs-Koalition weitgehend konsensfähiger Punkt war die gemeinsame Ablehnung einer direkten Unterstützung des Krieges durch deutsche Einheiten. Wurde die logistische Unterstützung in Deutschland (zu den Einzelheiten dieser Unterstützung siehe Kap. III) zwar bereits von Beginn an, jedoch nur von wenigen Gruppen thematisiert, und wurde auch die großzügige finanzielle Ausstattung der kriegführenden Allianz mitsamt der sich nachziehenden Konsequenzen (Steuererhöhung) in etwas breiterem Rahmen diskutiert (und entsprechende Kampagnen durchgeführt), entzündete sich die eigentliche Debatte an der Frage der Stationierung deutscher Soldaten im Krisen- und späteren Kriegsgebiet. In diesem Punkt bestand innerhalb des breiten Spektrums der KriegsgegnerInnen weitgehende Übereinstimmung. Die Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes in der Südosttürkei wurde angezweifelt; ein eventuell eintretender "Bündnisfall" werde durch die von der Türkei aus geflogenen Angriffsflüge der antiirakischen Allianz überhaupt erst provoziert. Darüberhinaus wurde eine Beistandspflicht als nicht zwingend betrachtet: "Nach Art. 5 NATO-Vertrag reicht bei einem bewaffneten Angriff die Hilfe aus, die jeder Bündnispartner >>für erforderlich erachtet<<. Im Falle eines irakischen Angriffs auf die Türkei gibt es also keine Pflicht zum militärischen Beistand seitens der Bundesrepublik. " Im übrigen wurde schon bald sichtbar, daß es in dieser Diskussion "vorrangig um politische Weichenstellungen und nur nachrangig um juristische Argumentation und Interpretationen" geht, Dazu weiter unten mehr. Im Zusammenhang mit der Türkei muß noch erwähnt werden, daß seitens der Friedensbewegung oft auf deren Absichten hingewiesen worden ist, in die Nachkriegsordnung in dem Sinne einzugreifen, als Ansprüche auf ölreiche Teile Iraks gestellt wurden. Zuguterletzt wurde der Krieg der türkischen Regierung gegen die kurdische Befreiungsbewegung in dieser Region (nunmehr unter dem Vorwand der Grenzsicherung) zwar nur marginal, so aber doch zumindest kritisch erwähnt.

 

Im folgenden soll uns ein Argument beschäftigen, das in der Diskussion um einen deutschen Beitrag zu diesem Krieg (und in folgenden) immer wieder benutzt wurde, um ein solches Engagement zu legitimieren.

 

10.3 Die "gestiegene Verantwortung Deutschlands"...

Unbestreitbar stand in der bundesrepublikanischen Debatte, in ihren sämtlichen Teilaspekten, mehr oder weniger sichtbar das Schlagwort der "gestiegenen Verantwortung Deutschlands in der Welt" mit im Raum. Dies gilt unabhängig davon, ob man/frau den Krieg allgemein oder die deutsche Beteiligung daran befürwortet oder kritisiert, den Einsatz durch das Grundgesetz gedeckt sieht oder nicht oder – je nach Standpunkt – ebendieses ändern möchte oder nicht oder aber gar nicht für nötig erachtet. Diese Frage breitete sich sozusagen als übergeordneter Diskussionsprozeß über alle Teilf ragen aus. Dazu ist zunächst zweierlei zu sagen: Erstens kann mit einigem Recht behauptet werden, daß die politischen AkteurInnen der BRD zu diesem Zeitpunkt zwar etwas überrumpelt worden sind von dieser "gestiegenen Verantwortung" und dementsprechend ungeschickt gehandelt haben, andererseits dabei aber auch ein ganzes Stück Eigenleistung der KriegsbefürworterInnen mit drin steckt, d.h. die "gestiegene Verantwortung" zwar von den Bündnispartnern zum Teil als Argument gebracht wurde, hierzulande jedoch oft genug selbst herbeigeredet wurde. Schon am 17. August brachte heispielsweise die FAZ das Thema auf die Tagesordnung: "Es geht um die Frage, ob die Bonner Republik – und bald das vereinte Deut.schland – bereit ist, die weltpolitische Bedeutung und die damit verbundene Verantwortung zu übernehmen, die ihr in vier Jahrzehnten zugewachsen sind. Die lange geübte Rolle als virtschaftlicher Riese und poli tischer Zwerg war in mancher Hinsicht angenehm. " Solche und ähnliche Äußerungen konnte man/frau in diesen Tagen nahezu ständig vernehmen – und zwar mehrheitlich von deutschen PolitikerInnen und LeitartiklerInnen. Der Wunsch nach "mehr Verantwortung" wurde also nicht nur von außen herangetragen, sondern von den interessierten Kreisen hierzulande begierig aufgegriffen. Zur gleichen Einschätzung gelangten auch ForscherInnen des Hamburger Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, die im März 1991 die Vermutung äußerten, daß nicht auszuschließen sei, "daß der Meinungsdruck der Verbündeten deutschen Ambitionen, die militärische Selbstbescheidung aufzugeben, entgegenkam und daher nicht unwillkommen war." Das Zweite in diesem Zusammenhang hängt eng mit dem eben Beschriebenen zusammen. Wurde im vorigen Absatz gesagt, daß ein Mehr an Verantwortung von den Deutschen mehr herbeigesehnt wurde als vom befreundeten Ausland, möchte ich noch kurz thematisieren, warum das so gewesen sein könnte. Zutreffend hat zum Beispiel Randolph Nikutta 1992 formuliert, daß dies "in dem ideologischen Gehalt dieses Begriffes begründet (liegt): Die Übernahme weltpolitischer Verantvortung unter Einschluß eines militärischen Beitrags sei ein von der internationalen Staatengemeinschaft an die Bundesrepublik herangetragener Wunsch, dem man natürlich >>selbstlos<< nachkommen müsse, um nicht zuletzt Dank für die internationale Unterstützung der >>Wiedervereinigung<< auszusprechen. Die Chiffre >>Verantwortung<< verdeckt treffich die eigenen Interessen und Motive der politischen Akteure an einem Mehr an weltpolitischen Engagement." (Hervorhebung M.O.)

 

10.4 ... und ihre Auswirkung auf die Golfkriegsopposition

Innerhalb der Golfkriegsopposition führte diese Debatte zu Kontroversen und unterschiedlichen Schlußfolgerungen: Während der wahrscheinlich größere Teil versuchte, "Verantwortung" positiv zu besetzen und von der Regierung einzufordern, ebendiese Verantwortung auf nicht-militärische Weise umzusetzen, wandte sich ein anderer Teil strikt gegen die Akzeptanz dieses Plus an Verantwortung, das letztendlich auch nur imperialistischen Charakter trage. Exemplarische Äußerungen, die sich an eine "friedenspolitische Verantwortung" der deutschen Regierung richten, finden sich unter anderem im gemeinsamen Aufruf zur Großdemonstration in Bonn am 26. Januar 1991, in dem u.a. verlangt wird, "daß sie (die Regierung – M.O.) endlich aktiv gegen den Krieg und für Frieden eintritt.."

Ähnlich hatte Horst-Eberhard Richter (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges) schon Ende November auf einer Kundgebung argumentiert, daß "die uns militärisch einschränkende Verfassung eine einzigartige Chance " biete: "Nach Hitler und Auschwitz kann und muß dieses neu vereinigte Gesamtdeutschland zu einer moralischen Kraft zur Überwindung der noch immer herrschenden militaristischen und ökologischen Unvernunft werden. Gerade weil unsere Regierung keine Soldaten an den Golf schicken und dort nicht zur militärischen Eskalation beitragen kann, verlangen wir von ihr, daß sie mit einer entschlossenen Initiative zur politischen Bewältigung der Krise hervortritt." Adressat solcher Forderungen ist also die Bonner Regierung; eine "größere Verantwortung" Deutschlands wird von diesem Teil der Friedensbewegung nicht grundsätzlich in Frage gestellt.

 

Ausgehend von der eingangs formulierten Feststellung, daß in diesem Krieg weniger die Souveränität von Kuweit als vielmehr wirtschaftliche Interessen bzw. die von US-Präsident George Bush ins Spiel gebrachte "neue Weltordnung" verteidigt werden, kam ein anderer Teil der friedenspolitischen Öffentlichkeit zu anderen Schlüssen: Weder auf militärische noch auf sonstige Weise habe die BRD genausowenig wie die USA oder andere das Recht, in diesen Konflikt einzugreifen. Stellvertretend für die 'antiimperialistische' Fraktion der Golfkriegsopposition formulierte eine Gruppe in ihren "Fragen an den friedensbewegten Protest" folgendes: "Ihr glaubt an eine spezielle Zuständigkeit der Deutschen für die >>Ordnung<< am Golf. Da ist was dran. Das merkt man nicht zuletzt daran, daß Deutschland auf beiden Seiten des Kriegsgeschehens beteiligt ist: Im Irak mit deutschen Waffen, mit denen in früheren Zeiten der Bonner Einfluß in der Region gesichert wurde – und als Mi tmacher bei den Amerikanern, damit Deutschland auch bei und nach der Abrechnung politisch am Ball bleibt." Folgerichtig werden auch Forderungen à la "Embargo statt Krieg" abgelehnt.

 

Sicher kann darüber gestritten werden, welchen Stellenwert solche Positionen innerhalb der friedenspolitischen Öffentlichkeit hatten. Wahrnehmbar waren sie zumindest. Daß sie auch außerhalb der Kriegsopposition verstanden worden sind, zeigte sich spätestens dann, wenn durch gezieltes Aufgreifen dieser Argumentation versucht wurde, die gesamte Friedensbewegung zu diffamieren, was uns im Zusammenhang mit der Funktion der Medien im Golfkrieg weiter unten noch einmal beschäftigen wird. Vorher soll allerdings, ausgehend von der Erfahrung, daß die Formel der "gestiegenen Verantwortung" eben doch weitgehend Konsens in der BRD gewesen ist, die Diskussion um die Konsequenzen ebendieser gestiegenen Verantwortung beschrieben werden. Diese Diskussion drückte sich hauptsächlich in der Frage aus, in welcher Form – zukünftige – deutsche Bundeswehreinsätze stattfinden sollen und inwieweit das Grundgesetz dementsprechend geändert bzw. ergänzt werden muß.

 

10.5 Die Diskussion über zukünftige Bundeswehreinsätze

Wie unter Punkt 1 schon angemerkt, spielte das juristische Gerangel um die Verfassungsmäßigkeit des deutschen Engagements speziell im (Zweiten) Golfkrieg nur eine untergeordnete Rolle, während es in Wahrheit um eine politische Debatte ging, nämlich darüber, in welchem Rahmen die Bundeswehr "out of area" in Zukunft eingesetzt werden soll. Dabei kann davon ausgegangen werden, daß zum damaligen Zeitpunkt ein deutscher Alleingang in dieser Hinsicht aus historischen (naheliegenden) Gründen ausgeschlossen, weil nicht konsensfähig war. Was eine Beteiligung deutscher Soldaten im multilateralen Rahmen betrifft, wurden ziemlich alle denkbaren Alternativen auch geäußert: Im Regierungslager reichte das Spektrum der formulierten Meinungen von Beteiligungen unter UN-Kommando über eine "europäische Lösung" z.B. im Bahmen der WEU bis zu der "transatlantischen" Ansicht, ein Mandat der Vereinten Nationen sei nicht nötig, befürwortet werden könnten allerdings nur Einsätze unter Einschluß der USA.

 

Das Beispiel zeigt, daß keineswegs Einigkeit unter den BefürworterInnen einer Ausdehnung des Bundeswehrauftrags herrschte. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Dementsprechend uneinig war man/frau sich auch in der Opposition. (Da es die politischen Parteien sind, die eine Änderung des Grundgesetzes beschließen müssen, nehmen deren Positionen im folgenden etwas mehr Raum ein, da sie eine größere Relevanz besitzen als die Meinungen außerparlamentarischer Kräfte.) In der SPD, von der die für eine Verfassungsänderung notwendige Zweidritt.elmehrhe.it. abhängig ist, verlief die 'Hauptkampflinie' zwischen denen, die eine Beteiligung auf Blauhelm-Aktinnen, d.h. friedenssichernden UN-Aktionen mit Zustimmung der kriegführenden Parteien, beschränken wollen, und denjenigen, die auch Kampfeinsätze unter UN-Kommando zulassen wollten. Soviel zur Diskussion unter den BefürworterInnen einer Grundgeset.zänderung. Befassen wir uns nunmehr wieder mit den friedenspolitischen AkteurInnen innerhalb der SPD, die grundsätzlich gegen eine Erweiterung des Auftrags der Bundeswehr Stellung bezogen haben: Da wäre zunächst einmal das bereits in Abschnitt 1 erwähnte Argumentationspapier des Referenten für Abrüstung und Rüstungskontrolle zu nennen, in dem eine klare Absage an eine Grundgesetzänderung formuliert wird: "Wenn wir (...) der Bundeswehr die Teilnahme an militärischen Einsätzen in allen möglichen Teilen der Welt erlauben, dann schaffen wir die Voraussetzungen, daß unsere Kinder wieder Krieg erleben können. Wer das nicht will, sollte das Grundgesetz so lassen wie es ist.

 

(...) Unsere neuerworbene Souveränität zwingt nicht dazu, uns an militärischen Aktionen anderer zu beteiligen." Auch Präsidiumsmitglied Heidemarie Wieczorek-Zeul sprach sich unter Hinweis, daß der Golfkrieg bewiesen habe, daß die UN vom Konsens der fünf Sicherheitsratsmitglieder abhingen und keine Institution einer Weltinnenpolitik darstellten, gegen eine Verfassungsänderung aus.

 

Darüberhinaus wollten Friedensforscher der Berliner Berghof-Stiftung noch im September 1991 "weder in der SPD noch in der Bevölkerung" eine Mehrheit für eine Änderung des Grundgesetzes sehen.

 

Dieses Stimmungsbild hat seitdem einen bedeutenden Wandel vollzogen. Anders als 1990/91 werden heute selbst Kampfeinsätze der Bundeswehr kaum noch in Frage gestellt. Neben einer geschickten Strategie der Regierung (dazu weiter unten mehr) mag das auch Ergebnis der schon mehrfach angedeuteten - teilweise erfolgreichen – Versuche sein, die Proteste und die Argumente der KriegsgegnerInnen zu diffamieren, d.h. als Konsequenz die Opposition zu schwächen. In diesem Zusammenhang offenbarte sich dann auch für viele Friedensbewegte eine weitere wichtige Rolle der Medien. Etliche JournalistInnen beschränkten sich nämlich nicht darauf, ihrer Aufgahe entsprechend über solche Äußerungen aus den entsprechenden Kreisen zu berichten, sondern wirkten selbst aktiv dabei mit, ein (zum großen Teil) falsches Bild der Friedensbewegung zu zeichnen. Dies führte zu einer neuen Qualität in der Auseinandersetzung mit den Medien. Ich hatte dieses Verhältnis bereits mehrfach angedeutet; im nächsten Abschnitt soll diese Auseinandersetzung kurz nachgezeichnet werden.

 

10.6 Die Funktion der Medien im (Zweiten) Golfkrieg

In der öffentlichen Diskussion spielte in bezug auf Medien vorrangig die Frage der Zensur vor Ort eine große Rolle. Selbstverständlich wurde dieses Verhalten auch in der Friedensbewegung thematisiert. Dabei blieben die friedenspolitisch Aktiven aber nicht stehen, sondern es ging dabei auch um die Frage, inwieweit diese bei der Schaffung des Feindbildes bereits im Vorfeld mitgewirkt haben ("Der Irre von Bagdad") und wie gesagt um die Reaktionen auf den friedensbewegten Protest selbst, was sich entweder in Verschweigen oder aber in stark verzerrten Wiedergaben bis hin zur Diffamierung der Proteste z.B. als "antiamerikanisch" äußerte. Auf den ersten Punkt braucht nicht näher eingegangen zu werden; das Problem der Zensur ist selbst in 'etablierten" Medien zur Kenntnis genommen und dementsprechend kritisiert worden. Dazu gehört auch die in friedenspolitischen Kreisen gerne aufgegriffene Kritik an einem nur vermeintlich "sauberen" Krieg, in dem sorgfältig durchgeführte "Operationen" zum Erfolg führen.

 

Für die innenpolitische Debatte bedeutsam ist der eben angedeutete dritte Punkt, der Umgang mit den Protesten. Das Ziel dieser Diffamierungen liegt auf der Hand, und zum Teil führten diese ja auch zum gewünschten Erfolg: Eine Spaltung der Friedensbewegung und als logische Konsequenz eine Verkleinerung, d.h. Schwächung des Protestpotentials. Folgerichtig hieß es in einem Flugblatt (hauptsächlich) zum Thema Zensur vor Ort vom Februar 1991: "...gleichzeitig ist jedoch die Pressekampagne, die zum Ziel hat, den Widerstand zu spalten voll angelaufen. Die Trennung erfolgt in besorgte, friedliebende Menschen, die jedoch – schlimmgenug – den Alliierten und somit der gerechten Sache in den Rücken fallen und – in gewaltbereite Chaoten, die nicht besser sind als Saddam selbst und zurecht den Polizeiknüppel spüren sollen." Neben dem zitierten Beispiel gibt es weitere Anhaltspunkte dafür, daß die innenpolitische Bedeutung dieser Spaltungsversuche keineswegs unterschätzt und dementsprechend thematisiert wurde.

 

Soweit zu den Punkten, die im damaligen Kontext eine herausragende Rolle gespielt haben. Um ein rundes Bild zu erhalten, erlaube ich mir, im nächsten Abschnitt noch einige weitere Ansatzpunkte der friedenspolitischen Öffentlichkeit zu beschreiben, bevor ich zu meinen Schlußfolgerungen komme.

 

10.7 Weitere Themen der Antikriegskoalition

Weitere Themen, mit denen sich die Friedensbewegung auseinandergesetzt hat, sollen hier nur kurz angerissen werden, sozusagen der Vollständigkeit halber. Für die eigentliche Diskussion, das momentane oder zukünftige Engagement Deutschlands an militärischen Einsätzen, sind diese jedoch nur von untergeordneter Bedeutung.

Da wäre zunächst das vielfach aufgegriffene Thema der Rüstungsexporte deutscher Firmen an den Irak in der Vergangenheit und die aktive Unterstützung dieser Exporte durch die Bundesregierung (Stichwort Bürgschaf ten): "Dabei war die deutsche Beteiligung an der Aufrüstung des Irak und anderer Staaten nicht etwa nur das Werk gewissenIoser Geschäftemacher, die sich über Recht und Gesetz hinweggesetzt haben. Sie war zum überwiegenden Teil das ganz legaIe, genehmigte Werk >>verantwortungsvoller<< Geschäf temacher und wurde staatlich gefördert, abgesichert und manchmal sogar als Beitrag zur Friedenssicherung verkauft."

Ebenfalls oft thematisiert wurden die absehbaren ökologischen Schäden – nicht nur – in der Region als Folge des Krieges, was angesichts fast schon traditioneller Verflechtungen von Umwelt- und Friedensbewegung nicht sehr verwundert. Exemplarisch dazu wieder ein Zitat aus dem Aufruf zur Bonner Demonstration am 26. Januar: "Es ist zu befürchten, daß der Krieg eine ganze Region und ihre Menschen vergiftet, verstrahlt, verkrüppelt, ermordet. Ökologische Katastrophen (Klimaveränderung, Abbau der Ozonschicht usw.) drohen für viele Teile der Welt." Gleichzeitig wurde in diesem Zusammenhang die Einsparung von Erdöl allgemein angemahnt.

Als weitere Themenfelder, mit denen sich in diesen Monaten befasst wurde, seien Steuererhöhungen bzw. ihre Verweigerung, die Einplanung von Zivildienstleistenden und Pflegepersonal in den Krieg und die Notstandsgesetze ("Spannungsfall") genannt – Punkte, die zwar eine hohe innenpolitische Brisanz besitzen, für unser Thema jedoch nachrangig sind.

 

10.8 Schlußfolgerungen

Eine wichtige Überlegung zum Verhalten der Golfkriegsopposition in der BRD dürfte die Frage sein, inwiefern sich der Protest sich aus einer nur diffus zu beschreibenden Unsicherheit speiste, die aus der Überraschung über diese noch nie dagewesene Situation resultierte. Das würde z.B. erklären, weshalb es vergleichsweise oft gelungen ist, sich über inhaltliche Differenzen hinwegzusetzen und unter einem Minimalkonsens zu protestieren. (Nebenbei befanden sich die KriegsgenerInnen in einer ähnlichen Situation wie die BefürworterInnen, die ja – Ausnahmen bestätigen die Regel – nicht minder überrascht waren und dementsprechend unsicher agierten.) Diese Überlegung hat Konsequenzen für ein m.E. sehr wichtiges Ergebnis für die Zeit danach. Ich möchte nämlich die These vertreten, daß die Erfahrung einer doch recht großen Ablehnung auf breiter Ebene den BefürworterInnen eines verstärkten militärischen Engagements gezeigt hat, daß dies nicht so ohne weiteres gegen den Widerstand einer derart sensiblen Öffentlichkeit durchzusetzen ist. Daraus resultierte dann eine bestimmte Strategie, nämlich die der schrittweisen Gewöhnung der Deutschen an "out of area"-Einsätze der Bundeswehr. Diese Strategie wäre nicht nötig gewesen, wären es bloß ein paar hundert Menschen gewesen, die zur Zeit des (Zweiten) Golfkriegs ihren Protest artikuliert hatten. Daß deutsche Soldaten heute (beispielsweise) an SFOR teilnehmen, ist ein Ergebnis dieser Strategie; vor sieben Jahren wäre das – harmlos ausgedrückt – weniger selbstverständlich gewesen.

1

11 Schlußwort

Folgende Fragen ergeben sich nach dem zweiten Golfkrieg: Welche Ordnung wird sich mit oder ohne Saddam Hussain im Irak ausbilden? Wie läßt sich das bei Ende des Krieges so dramatisch aufgebrochene Kurdenproblem lösen - im Irak selbst wie darüber hinaus? Wie weit ist es mit der Stabilität Kuwaits, Saudi-Arabiens und anderer Golfstaaten her, die namentlich im ernsteren Falle gefährdet erscheint? Wie kann ein <regionales Sicherheitssystem> aussehen, an dem teilzunehmend nicht nur die untereinander rivalisierenden arabischen Staaten, sondern auch Iran und die Türkei bereit sind. Und schließlich: Wie kann im Nahen Osten und am Golf ein Abrüstungsprozeß in Gang gebracht werden?

Mit den gestellten Fragen sind regionale Spannungen und Konflikte angedeutet. Angesichts der zentralen Bedeutung des Erdöls für die Weltenergieversorgung über das Jahr 2000 hinaus werden diese deshalb weiterhin in die internationale Politik hineingetragen.

Auch die aktuelle Problematik mit einer neuerlichen Bombardierung des Iraks zum Zwecke der Einschüchterung und Einlenkung seitens der USA und Großbritanien wirft Probleme auf da die Yokohama-Frage weiter ungeklärt bleibt.

Weitere Möglichkeiten zur internationalen Konfliktbekämpfung können durch die Vereinten Nationen erreicht werden, auch müssen sich militärische Bündnisse auf eine verstärkte Zahl von kleineren Konflikten einstellen. Auch hat der Golfkrieg eine prinzipiell günstig politische Vorraussetzung für die Einschränkung von Rüstungstransfer eingeleitet. Eine Wende zeichnet sich aber nicht ab.

Die Frage der Beteiligung der Deutschen in ähnlichen Konflikten wurde auch überdacht und hat sich seit dem zweiten Golfkrieg geändert. Beispielhaft dafür ist die Änderung des Bundeswehr-Mandats in Bosnien - erst außerhalb der Landesgrenzen, nun "mittendrin statt nur dabei".

Abschließen kann mit einem Zitat von Bundeskanzler Helmut Kohl gesagt werden:

"...wir dürfen nicht in die Lage kommen - das wäre eine schwere Schädigungslage des deutschen Ansehens - Wenn es ums Geld verdienen geht, dann sind sie zur Stelle, wenn es um das Übernehmen von Mitverantwortung geht, dann drücken sie sich."

12 Anhänge

 

12.1 UNO-Resolutionen zur Irak - Kuwait - Krise

 

 

13 Literaturverzeichnis

 

Periodika

Archiv der Gegenwart 61 (1991)

Europa Archiv, 9/1991

Stichworte zur Sicherheitspolitik, Februar 1991

Literatur

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Fechner, Wolfgang: Deutscher Beitrag zur Befreiung Kuwaits: Über 17 Milliarden DM, Europäische Sicherheit, Nr. 4/1991

Genscher, Hans-Dietrich: Erinnerungen, Berlin: Siedler, 1995

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Hoffmann, Oskar: Deutsche Blauhelme bei UN-Missionen: politische Hintergründe und rechtliche Aspekte, München u.a.: Verlag Bonn Aktuell, 1993

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Lutz, Dieter S. (Hg.): Deutsche Soldaten weltweit? Blauhelme, Eingreiftruppen, "out of area" - Der Streit um unsere sicherheitspolitische Zukunft, Hamburg: Rowohlt, 1993

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Philippi, Nina: Bundeswehr-Auslandseinsätze als außen- und sicherheitspolitisches Problem des geeinten Deutschland; Frankfurt/Main, Berlin, New York, Paris, Wien: Lang, 1997

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Schwarz, Hans-Peter: Der traumatisierte Riese: Die zentralmacht Europas: Berlin, 1994

Schwerdtfeger, J.; Bahr, E.; Krell, G. (Hrsg.): Friedensgutachten 1990, Hamburg: LIT, 1990

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Siedschlag, Alexander: Die aktive Beteiligung Deutschlands an militärischen Aktionen zur Verwirklichung Kollektiver Sicherheit, Frankfurt am Main: Lang, 1995

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Zeitungsartikel-Magazinartikel

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Stern Nr.35, 23.08.1990: KRIEG SCHAFFEN - MIT DEUTSCHEN WAFFEN, S18-21

Stern Nr.5, 24.01.1991: High-Tech-Krieg gegen Bagdad, S.10-19

Stern Nr.3, 10.01.1991: Die Herren des Krieges, S10-25

Stern Nr.34, 16.08.1990: Ein Funke genügt...S.10-17

Der Spiegel Nr.6, 02.02.1998: Paläste im Fadenkreuz S.124-127

Frankfurter Rundschau: Lieber Gartenzwerge als Soldaten / Es gibt keine ernsthafte

Legitimation für die Beibehaltung der Hochrüstung / 30.08.1990

Frankfurter Rundschau: Im Wortlaut: Versöhnungsbund zum Golfkonflikt / Unseren Lebensstil ändern / 25.09.1990

Frankfurter Rundschau: US-Bürger verließen Kuwait / 25.09.1990

Frankfurter Rundschau: Irak nimmt mehr Geiseln / 25.09.1990

Frankfurter Rundschau: Saddam unnachgiebig / 26.09.1990

Frankfurter Rundschau: Im Wortlaut: Horst-Eberhard Richter (IPPNW) / "Wo bleibt die Scham?" / 27.11.1990

Frankfurter Rundschau: Damit deutsche Soldaten in den Krieg ziehen können? / Keine militärische Beteiligung in den Krisengebieten / Ein Plädoyer, einer Änderung des Grundgesetzes nicht zuzustimmen / 30.11.1990

Frankfurter Rundschau: Was wird am Golf verteidigt? / In der arabischen Wüste verfechten die Amerikaner eine überholte Energiepolitik – wie auch schon auf den internationalen Klimakonferenzen / 4.01.1991

Frankfurter Rundschau: Die Trennung zwischen Bündnisfall und Verteidigungsauftrag / Zur Diskussion um den Kriegseinsatz der Bundeswehr im Rahmen der NATO-Verpflichtungen / 24.01.1991

Frankfurter Rundschau: Im Blickpunkt: Der "Bündnisfall" / Die Notstandsgesetze / 31.01.1991

Frankfurter Rundschau: Deutsche Soldaten in alle Welt – oder besser doch nur zu Hause? / Ein Argumentationsentwurf von Andreas Buro "In politischer Bewertung ist das Verhalten der Bundesregierung kriegsfördernd" / 28.02.1991

Frankfurter Rundschau: Der Golfkrieg und die Bundeswehr / 28.02.1991

Frankfurter Rundschau: Der Frieden soll lieber anderswo ausbrechen / Viele Schleswig – Holsteiner fürchten die wirtschaftlichen Folgen der Abrüstung / 18.03.1991

Frankfurter Rundschau: Soldaten an alle Fronten als eine Lehre aus dem Golfkrieg? / Gegen die Rolle Deutschlands als militärische Ordnungsmacht argumentieren Friedensforscher der Universität Hamburg / 27.03.1991

Frankfurter Rundschau: Im Blickpunkt: Friedensgutachten 1991/ Für deutsche Blauhelme / 31.08.1991

Frankfurter Rundschau: Militär sucht Feind und (Ver-)Fassung / Ex – Admiral Schmähling: Grundgesetzänderung soll Heeres – Existenz sichern / 02.09.1992

Frankfurter Rundschau: Friedensforscher streiten über erweiterten Auftrag für Bundeswehr / Albrecht Müller warnt vor Überbetonung des Militärs bei internationalen Sicherheitssystem / Bahr plädiert für UN-Truppe / 11.09.1991

Frankfurter Rundschau: Wir haben es uns in den Nischen ganz schön gemütlich gemacht / Eine Beteiligung Deutschlands an friedenserhaltenden Aktionen der UN ist in Zukunft dringent geboten / Von Achim Schmillen / 13.05.1993

Frankfurter Rundschau: Der Berg kreißte und gebar: nichts / Die Initiative "Bundesrepublik ohne Armee" zeigt die Ratlosigkeit der friedensbewegten Linken /13.05.93

Internet

BmVg-Online: http://www.bundeswehr.de