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 INHALTSVERZEICHNIS

 

 

1 Einführung:

2 Einstellung der Gewerkschaften zu Gruppenarbeit

3 Verhältnis zwischen den Rechten der teilautonomen Arbeitsgruppen und der INTERESSENVERTRETUNG nach Betriebsverfassungsgesetz

4 Negatives Fallbeispiel für Gruppenarbeit

5 Einstellung der Gewerkschaften zu Qualitätszirkeln

6 Rechtliche Möglichkeiten der Interessenvertretung nach dem Betriebsverfas-sungsgesetz

7 Positives Fallbeispiel für Gruppenarbeit

8 Fazit

Bibliographie

 

1 Einführung:

 

Nach (Kamp 1994, S.32) sind die Ursachen der Einführung von Gruppenarbeit darin zu sehen, daß sie aufgrund des japanischen Erfolgs die Lösung der Probleme verspricht, die bei bisher bestehender Arbeitsgestaltung nach tayloristischen Prinzipien durch die strukturelle Wirtschaftskrise und Weltmarktveränderungen entstanden sind.

Tayloristische Methoden (Arbeitszerstückelung, Hierarchisierung, individuelle Lei-stungsanreize) waren (vgl. zum Folgenden (Trautwein 1980, S.151-152) unter den ehemals vorherrschenden Bedingungen -expandierende Absatzmärkte, große Serien und eine Arbeiterschaft, die bereit war, diese Arbeiten auszuführen, da es sonst keine anderen Arbeitsformen gab- erfolgreich. Die Menschen wurden nach und nach zu Anhängseln von Maschinen und Anlagen. Dagegen steht bei der Einführung von Gruppenarbeit der Mensch im Mittelpunkt. Die herkömmlichen Arbeitssysteme waren nicht mehr in der Lage, auf die veränderten Bedingungen auf den Absatzmärkten zu reagieren: Fließband und vorgeschaltete Teilefertigung eignen sich nur für große Losgrößen und reagieren gegenüber Veränderungen auf seiten des Produktes und der Beschäftigten (Fehlzeiten) ausgesprochen schwerfällig und kostspielig. Für Abhilfe sorgt erhöhte Flexibilität in der innerbetrieblichen Organisation des Arbeitsprozesses. Die Stellung des Menschen im Taylorismus führte ebenfalls zu personellen Problemen in Form hoher Fluktuations- und Abwesenheitsraten.

Arbeitsgruppen mit der dadurch implizierten Selbststeuerung der Beschäftigten sind unter den heutigen wirtschaftlichen Umständen eine Bedingung für die Optimierung der Arbeitsabläufe, Erschließung neuer Leistungsreserven, Erhöhung der Flexibilität der Technik und Organisation sowie Senkung der indirekten Kosten der Produktion (Kosten der Fluktuation und Motivationskrisen). Dies sind Effekte, die durch bisherige tayloristische Arbeitssysteme nicht zu erreichen waren (vgl. Trautwein 1980, S.152).

Die Gewerkschaften schlugen schon (laut Kamp 1994, S.32) in den 70er und 80er Jahren die Einführung von Gruppenarbeit vor, was jedoch von den Unternehmen abgelehnt wurde.

Im folgenden Kapitel wird die Einstellung der Gewerkschaften zur Gruppenarbeit, in dieser Seminararbeit in der Form von teilautonomen Gruppen, vorgestellt. In den beiden darauffolgenden Kapiteln wird auf mögliche Gefahren von Gruppenarbeit für die Arbeitnehmer hingewiesen. Nach dem Eingehen auf Qualitätszirkel, einer weiteren Form von Gruppenarbeit, im fünften Kapitel und dem Vorstellen der rechtlichen Möglichkeiten der betrieblichen Interessenvertretung nach dem Betriebsverfassungsgesetz wird im siebten Kapitel anhand eines positiven Fallbeispiels gezeigt, daß es auch Gruppenarbeit im Sinne der Gewerkschaften schon in der betrieblichen Praxis gegeben hat. Im achten Abschnitt wird die Einstellung der Gewerkschaften zur Gruppenarbeit noch einmal abschließend dargestellt.

2 Einstellung der Gewerkschaften zu Gruppenarbeit

 

Unter Gruppenarbeit wird allgemein eine Gruppe von 3-10 Personen verstanden, die unmittelbar bei einer gemeinsamen, aus mehreren Teilaufgaben bestehenden Arbeitsaufgabe zusammenarbeiten. Die Gruppe zeichnet sich außerdem durch ein Wir-Gefühl, gemeinsame Spielregeln, gemeinsame Ziele und gemeinsame Werte und eine Rollenverteilung aus. Der Bestand der Gruppe ist von zeitlicher Dauer.

In einer Arbeitshilfe der IGMetall 1992 (vgl. Kamp 1994, S.32) wird qualifizierte Gruppenarbeit wie folgt definiert: "Arbeitsgruppen sind als selbstregulierende Organisations-einheiten zu verstehen, die im Rahmen ihres Arbeitsauftrags die Planung, Steuerung, Durchführung, Koordinierung und Kontrolle ihrer Tätigkeit selbstverantwortlich durchführen."

Daraus ergibt sich, daß die Gewerkschaften bei Gruppenarbeit insbesondere die Prinzipien von Selbstregulation und Selbstbestimmung der Beschäftigten betonen sowie die Verlagerung von Planungs-, Dispositions- und Kontrollaufgaben übergeordneter Stellen in die Gruppen und die Anreicherung von Gruppenarbeit durch indirekte Tätigkeiten wie Qualitätssicherung oder Instandhaltung, sofern dies machbar und sinnvoll ist.

In dieser Seminararbeit geht es um die spezielle Gruppenarbeitsform "teilautonome Arbeitsgruppen". Außerdem gibt es noch Projektgruppen, Qualitätszirkel, Fertigungsteams und Rotationsgruppen als Formen von Gruppenarbeit.

Teilautonome Arbeitsgruppen sind funktionale Einheiten der regulären Organisa-tionsstruktur, die mehr oder weniger für die Erstellung eines kompletten (Teil-) Produkts verantwortlich sind. Sie bestehen aus 3-10 Personen, die konstant zusammenarbeiten und neben Ausführungstätigkeiten auch Organisations-, Planungs- und Kontrollaufgaben innehaben. Innerhalb der teilautonomen Arbeitsgruppen gibt es regelmäßige Arbeitsplatzwechsel. Der Meister übernimmt die Koordination der Arbeitsgruppen.

Aus Sicht des Arbeitnehmers bestehen bei Gruppenarbeit nicht nur Chancen, sondern auch Risiken, wie aus folgender Aufstellung (Kamp 1994, S.32) hervorgeht:

Chancen:

Risiken:

  • Erweiterte Tätigkeitsfelder
  • Verringerung des Personals
  • Mehr Verantwortung
  • Gefahr der Selbstausbeutung durch Ar-beitsintensivierung
  • Größere Beeinflußbarkeit von Arbeits-
  • prozeß und Arbeitsgestaltung

    • Belastung durch Gruppendruck, insbe-sondere bei starkem Arbeitsanfall
  • Mehr Überblick über das betriebliche
  • Gesamtgeschehen

    • Leistungsverschärfende Entlohnungsver-fahren
  • Einbringen eigener Gestaltungsvor-
  • schläge (z.B. über Total Quality Ma-nagement (TQM)) und Kontinuierli-

    cher Verbesserungsprozeß (KVP)

    • Gefahr der Ausgrenzung Älterer oder Leistungsgeminderter
    • Unterlaufen der Kontroll- und Mitgestal-tungsaufgaben der Interessenvertretung
  • Erweiterung der Qualifikationen
  • Möglichkeiten der Höhergruppierung
  • Bessere Sozialbeziehungen
  • Auflösung kollektiver Regelungen in Fragen der Arbeitszeit, der Entlohnung und der Weiterbildung durch Individualabsprachen
  • Höhere Bedeutung von Selbstregulie-
  • rungs- und Problemlösefähigkeiten

    der Beschäftigten

     

     

    In den beiden folgenden Kapiteln werden die Risiken der Gruppenarbeit (hier in der Form teilautonomer Arbeitsgruppen) aus Arbeitnehmersicht genauer dargestellt.

    3 Verhältnis zwischen den Rechten der teilautonomen Arbeitsgruppen und der Inte-ressenvertretung nach Betriebsverfassungsgesetz

     

    Die "Autonomie" der Arbeitsgruppen beruht darauf, daß bestimmte Entscheidungs-befugnisse über die Arbeitsdurchführung von Arbeitgebern auf die Arbeitsgruppen übertragen werden; die Arbeitsgruppen können in einem gewissen Rahmen ("teilautonom") über einige Aspekte ihrer Arbeitsbedingungen selbst (als Gruppe oder individuell in der Gruppe) entscheiden. Insbesondere folgende Funktionen können (nach Trautwein 1980, S.151) der Gruppe übertragen werden:

     

    Konflikte können (vgl. Trautwein 1980, S.151) entstehen, wenn die Arbeitsgruppen unter dem Grundsatz möglichst weitgehender Autonomie (individuelle) Eigenentscheidungen treffen sollen über:

    · Individuelle Aufteilung der vorgegebenen Arbeitsleistung innerhalb einer weiträumigeren Zeitvorgabe: "Freie Leistungsabgabe" innerhalb eines großzügig festgelegten Zeitraumes ist nicht unproblematisch: Erfahrungen in vielen Bereichen zeigen, daß eine solche "Autonomie" zunächst nur der Feststellung der Leistungshöchstgrenze dient. Im weiteren Verlauf wird dann die Leistungsanforderung noch nach und nach heraufgesetzt.

    · Interne Arbeitsverteilung: Dürfen die Gruppenmitglieder selbst über ihren jeweiligen Arbeitsumfang entscheiden, kann dies dazu führen, daß ein Gruppenmitglied unter Gruppendruck mehr Arbeit zugeteilt bekommt als die anderen, um die quantitativen Erwartungen des Managements zu erfüllen.

     

    Diese Erfahrungen sprechen nicht gegen den Abbau von vermeidbaren Zwängen durch Hierarchie usw. in der Gruppenarbeit. Es kann bei festgelegten Rahmenbedingungen, bei denen die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) voll zur Geltung kommen, die interne Arbeitsorganisation durchaus in den Gruppen geregelt werden.

    Die neueren Erfahrungen mit "Selbstbestimmten Gruppen" zeigen jedoch einmal mehr, wie leicht sich bestimmte Überlegungen zur Gruppenautonomie gegen die Arbeitnehmerseite ausrichten können, wenn geltende Institutionen und gesetzliche Bestimmungen in ihrer Schutzbedeutung für die Arbeitnehmer nicht ausreichend erkannt und einbezogen werden.

     

    In diesem Sinne ist folgender Antrag A16 auf dem 10. Ordentlichen DGB-Bundeskongreß in Hamburg im Mai 1978 (Kongreßunterlagen) (vgl. Trautwein 1980, S.155) zu verstehen:

     

    "Der DGB lehnt Modell und Begriff der teilautonomen Arbeitsgruppen ab. Dieser Begriff verschleiert die Tatsache, daß es in der betrieblichen Wirklichkeit keine Autonomie und Selbststeuerung gibt. Die Beschäftigten sind als Einzelne oder als Gruppe den Planungen und Entscheidungen der Eigentümer und ihrer Verfügungsberechtigten über die Arbeitsorganisation unterworfen. Das Interesse des einzelnen Arbeitnehmers an gesicherten Arbeitsplätzen, an der persönlichen Entfaltung in der beruflichen Tätigkeit und an menschengerechten Arbeitsbedingungen ist daher nur im Rahmen der gewerkschaftlichen Solidarorganisation und mit Hilfe der kollektiven Schutz- und Beteiligungsrechte zu wahren und zu verwirklichen. Es ist deshalb unabdingbar, daß sowohl die Individual- als auch die Kollektivrechte aus Gesetzen, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen zum Schutz und zum Wohl der Arbeitnehmer Gültigkeit behalten und volle Anwendung finden und, wo erforderlich, ausgebaut werden.

    Ebenso lehnt der DGB die Einrichtung von Arbeitsgruppensprechern als eigenständiges und zusätzliches Vertretungsorgan neben den Betriebsräten, den Personalräten und den gewerkschaftlichen Vertrauensleuten ab. Die Aufgaben der betrieblichen Interessenvertretung werden von den Betriebsräten, den Personalräten und den gewerkschaftlichen Vertrauensleuten wahrgenommen. Ein zusätzliches Vertretungsorgan erhöht nicht die Wirksamkeit der Interessenvertretung, sondern schafft nur zusätzliche Erschwernisse und Konflikte."

     

    Um festzustellen, ob bestehende Gruppenarbeit tatsächlich zugunsten der Arbeitnehmer und nicht nur der Arbeitgeber wirkt, können die bestehenden Arbeitsbedingungen anhand der folgenden Aufstellung (Kamp 1994, S.33) überprüft werden:

     

    Autonomiegrad und Integration von Tätigkeiten

    Entlohnung

    Personalbemessung / -besetzung

     

     

    Gruppensprecher

    Gruppenbesprechungen

    Gruppe und Hierarchie

    Sinnvoll ist es, die Einführung von Gruppenarbeit in eine Pilotphase, eine flächendeckende Einführungsphase und die Echtbetriebsphase zu unterteilen. Für die Pilotphase, während der probeweise Arbeitsgruppen bestehen, und die Echtbetriebsphase können mehrere Rah-menvereinbarungen abgeschlossen werden.

    Mögliche Regelungspunkte in Vereinbarungen können sein:

     

    Nach Kamp 1995 (S.23) besteht eine Aufgabe der Interessenvertretungen darin, kurzsichtige Strategien der Einführung von Gruppenarbeit, die letztlich allen Beteiligten schaden, zurückzudrängen und eine durchdachte, längerfristig angelegte Strategie in den Unternehmen durchzusetzen.

    Am Beispiel der Einführung von Qualitätszirkeln, die eine Form der Gruppenarbeit darstellen, in der SWF-Spezialfabrik für Autozubehör GmbH in Bietigheim (vgl. Kohl 1983) werden weitere Gefahren von Gruppenarbeit aufgezeigt, die entstehen, wenn die betriebliche Interessenvertretung und die Arbeitnehmerrechte nicht ausreichend von der Unternehmensleitung berücksichtigt werden.

    4 Negatives Fallbeispiel für Gruppenarbeit

     

    Der Betriebsrat von SWF (vgl. Kohl 1983) lehnte die Qualitätszirkel ab, da er nur an der Auswahl der Teilnehmer beteiligt wurde. Demgegenüber forderte der Betriebsrat eine Mitbestimmung auch bei der Themenauswahl, da, wie Betriebsrätin Ursula Genswürger meinte, es bei SWF "so viele katastrophale[n] Arbeitsbedingungen [gibt], über die man in der Tat reden muß. Wenn wir schon diese Zirkel machen und ihnen zustimmen sollen, so muß auch was in Richtung der Verbesserung der Arbeitsbedingungen, überhaupt der Humanisierung der Arbeit herausspringen. Wer schließt denn aus, daß hier nicht Vorschläge gemacht werden, die nachher zur Vernichtung von Arbeitsplätzen führen? Für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sind wir immer. Und das sehen die Kollegen im Betrieb genauso. [...] Aber jetzt geht es nicht um die Kollegen, sondern um irgendein Teil. Die Qualität von irgendwelchen Produkten soll verbessert werden, wobei jeder selbst seine Fehler kontrollieren und korrigieren soll. Aber die Arbeitsbedingungen bleiben trotzdem saumäßig." Auch auf die Verwertung der Arbeitsergebnisse der einzelnen Gruppen hatte der Betriebsrat keinen Einfluß. Es war der Unternehmensleitung überlassen, welche praktischen Auswirkungen sie haben sollten. Von Anfang an hatte der Betriebsrat von SWF seine Zustimmung zur Einrichtung von Qualitätszirkeln davon abhängig gemacht, daß Mitbestimmung bei der Themenauswahl und der Verwendung der Arbeitsergebnisse gegeben ist. Davon wollte die Unternehmensleitung aber nichts hören. Ihr ging es um eine Verbesserung des Betriebsklimas, um die Produktivität und Qualität zu erhöhen. Mitbestimmung kam in ihren Überlegungen erst gar nicht vor. Besonders der Ausbildungsleiter nutzte die Einführung der Qualitätszirkel zum Gespräch mit den Auszubildenden, wobei aber Ausbildungsfragen nicht immer im Vordergrund standen. Die Jugendlichen hatten hier die Gelegenheit, ihre privaten Probleme vorzutragen. Die Interessenvertretung wurde dadurch stark beeinträchtigt, da insbesondere die Jugendvertreter nicht mehr als Ansprechpartner der Auszubildenden verstanden wurden, sondern der Ausbildungsleiter, an den sich die Jugendlichen bei Schwierigkeiten meist wandten. Die Familienideologie führte auch dazu, die betriebliche Interessenvertretung aufzuweichen und zu umgehen. Die Gefahr, daß über solche Beteiligungsangebote der Betriebsrat isoliert würde, lag nahe. Aus diesem Grund bestand der Betriebsrat bei SWF auch darauf, auf die Inhalte der Qualitätszirkel Einfluß zu nehmen. Gegen Qualitätsverbesserungen hat der Betriebsrat von SWF nichts einzuwenden, aber es müssen auch die Arbeitsbedingungen unter Einbeziehung der Arbeitnehmer verbessert werden können.

    Es liegt allerdings auch der Verdacht nahe, daß es dem Betrieb auch um die Erhaltung seiner Macht ging.

    Nachdem im soeben dargestellten Fallbeispiel von Qualitätszirkeln die Rede war, soll es im folgenden Kapitel um die Einstellung der Gewerkschaften zu dieser Gruppenarbeitsform gehen.

     

    5 Einstellung der Gewerkschaften zu Qualitätszirkeln

     

     

    Ein Qualitätszirkel ist (vgl. Niebur 1983, S. 200-203) eine Gruppe von 3-15 freiwilligen Mitarbeitern, die unter der Führung eines Gruppenleiters (in der Regel der Vorgesetzte, z.B. Meister) periodisch zusammentrifft, um Probleme bzw. Schwachstellen des eigenen Arbeitsbereichs zu identifizieren, zu analysieren und zu beseitigen. Dabei gehen die Verfechter solcher Vorstellungen davon aus, daß Probleme, die sich aus dem Arbeitsprozeß ergeben, am besten dort gelöst werden können, wo sie entstehen -nämlich am Arbeitsplatz. In der Praxis bedeutet dies, daß die Arbeitskraft der Arbeitnehmer nicht nur zur Bewältigung der eigentlichen Arbeitsaufgabe genutzt wird, sondern daß seine gesamten Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen zur Optimierung des Arbeitsvollzuges herangezogen werden.

    Im folgenden (vgl. Rüth 1983, S.374) werden einige Anforderungen an die Gestaltung von Qualitätszirkeln genannt, die in der Praxis aber nicht immer bestehen. In solchen Fällen können Qualitätszirkel den Arbeitnehmern schaden.

     

    · Die Mitarbeit sollte grundsätzlich freiwillig sein. Allerdings wird das Verhalten der Vorgesetzten und der Gruppendruck in der Regel nicht ohne Auswirkungen auf den Grad der Freiwilligkeit bleiben. Der Qualitätszirkel kann zu einem Unruhe stiftenden Instrument werden, wenn er sich z.B. gegen die Interessen des Betriebsrates ausspielen läßt oder einfach die nicht beteiligten Arbeitnehmer als weniger leistungsmotiviert herabsetzt. Schließlich besteht das Problem des Entgelts für die Verbesserungsvorschläge, vor allem, wenn diese gemeinschaftlich und unter Nutzung der Erfahrung anderer erarbeitet worden sind.

    · Qualitätszirkel sollten nur solche Themen aufgreifen, in denen die Mitglieder der Gruppe auch Experten sind. Allerdings gibt es Fälle, in denen die Leiter solcher Gruppen darauf hingewiesen werden, Themen, die sich z.B. mit Schicht- und Lohnfragen befassen, nicht zuzulassen.

    · Die Verantwortung für die Problemlöseprozesse sollten die Mitglieder der Qualitätszirkel selber tragen. Das Letztentscheidungsrecht -darauf deutet die Praxis in den Unternehmen hin- verbleibt jedoch in der Verantwortung der Unternehmenshierarchie.

    · Die Gruppen treten regelmäßig zusammen. Die Sitzungen finden teilweise jede Woche statt, teilweise aber auch nur einmal im Monat. Sie dauern dann in der Regel ca. eine Stunde. In Japan wird davon ausgegangen, daß die Treffen während der Freizeit ohne Bezahlung stattfinden. Auch in der BRD gibt es sicherlich solche Vorstellungen.

    · Es sollte frühestmöglich ausführliche Information über die Grundlagen, Ziele und Methoden von Qualitätszirkeln schon in der Planungsphase geben.

    · Ein Betriebsratsmitglied sollte in der Steuergruppe mitarbeiten, damit die betriebliche In-teressenvertretung nicht übergangen wird.

     

    Insgesamt stehen die Gewerkschaften der Thematik Qualitätszirkel eher skeptisch gegenüber, da enorm negative Auswirkungen auf die Arbeitnehmer die Folge der Anwendung eines Qualitätszirkel-Konzepts sein können:

    · Viele Praxisbeispiele deuten darauf hin, daß Qualitätszirkel im wesentlichen auf schnelle Rationalisierung abzielen.

    · Abzusehen ist auch, daß in vielen Fällen die soziale Wirklichkeit in den Betrieben und Un-ternehmen sich kaum ändern wird. Mehr Selbstverwirklichung, bessere Arbeitsbedingungen, wie sie den gewerkschaftlichen Vorstellungen entsprechen, soll nicht unbedingt Gegenstand der betrieblichen Realität werden.

    · Entsprechend betriebene Qualitätszirkel können allerdings ein positiver Schritt zur Realisierung der gewerkschaftlichen Forderungen zur Mitbestimmung am Arbeitsplatz sein.

    · Qualitätszirkel, verstanden als Teil des unternehmerischen Krisenmanagements, werden voraussichtlich voll zu Lasten der Arbeitnehmer gehen. Es besteht die Gefahr, daß Arbeitnehmer dann zu ihren "eigenen Wegrationalisierern" werden -nun aber begleitet von einem positiven "Wir-Gefühl.

    · Bei der Themenwahl in den Qualitätszirkeln sind im Prinzip nur rein produktivitätsorientierte Vorschläge zugelassen. Auch dadurch wird man nicht darin bestärkt, im Qualitätszirkel "das" Instrument für mehr Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung der Arbeitnehmer zu sehen.

    · Es besteht die Gefahr, daß vorhandene Institutionen der repräsentativen Interessenvertretung im Betrieb und Unternehmen unterlaufen und ausgespielt werden, indem Unternehmer ihre Vorstellungen an den Betriebsräten vorbeientwickeln, diese in keiner Phase beteiligen -trotz der Vorschläge sachverständiger Externer- und sogar Forderungen von Qualitätszirkeln positiv behandeln, die vorher vom Betriebsrat abgelehnt wurden.

    · Das Qualitätszirkel-Konzept hat voraussichtlich auch Auswirkungen auf die Vertrauens-leutearbeit der Gewerkschaften in den Betrieben. Es sind bereits Versuche zu verzeichnen, auch diese Form betrieblicher Interessenvertretung zu unterlaufen bzw. sie voll für solche Konzeptionen zu vereinnahmen. Dies ist vor allem deshalb um so erstaunlicher, als es den Gewerkschaften in vielen Fällen nicht gelungen ist, durch besondere Vereinbarungen und Tarifverträge den Vertrauensleuten entsprechende Arbeitsfelder in den Betrieben zu eröffnen.

    · Das Thema "Qualitätszirkel" verweist auf Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats: Bildungs- als auch Qualifikationsmaßnahmen, Entwicklung von Grundsätzen des betrieblichen Vorschlagwesens.

    · Die Praxis in den Betrieben deutet darauf hin, daß es eher darum geht, das Wissen und Können der Arbeitnehmer umfassend " auf kaltem Wege zu enteignen" als Mitbestimmungsforderungen, wie sie in der Mitbestimmungsinitiative des DGB enthalten sind, zu realisieren.

     

    Worin die Rechte der betrieblichen Interessenvertretung bestehen, zeigt beispielhaft das folgende Kapitel.

    6 Rechtliche Möglichkeiten der Interessenvertretung nach dem Betriebsverfas-sungsgesetz

     

    Die Einführung von Gruppenarbeit stellt eine Änderung der Arbeitsorganisation dar. Nach § 90 BetrVG bestehen Unterrichtungs- und Beratungsrechte des Betriebsrates bzgl. der Änderung der Arbeitsorganisation (Dombre 1984, S.274).

    Im § 91 besteht ein Mitbestimmungsrecht für Betriebsräte: Widerspricht die Änderung der Arbeitsorganisation den Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit, so kann der Betriebsrat angemessene Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich der Belastung verlangen. Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (vgl. Dombre 1984, S.275).

    Die Betriebs- und Personalräte haben in der Regel keine unmittelbaren Mitbestim-mungsrechte in der direkten Gestaltung der Arbeitsorganisation. Da die Gruppenarbeit aber mit zahlreichen Fragen zusammenhängt, in denen die Interessenvertretungen Einfluß ausüben können, wie Arbeitszeit, Entlohnung, betriebliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsschutz und Arbeitsergonomie, können die sich darauf beziehenden Rechte angewandt werden, die in den §§ 80, 87, 90, 91, 96-98, 106, 111, 112 BetrVG bzw. §§ 75 und 76 BPersVG enthalten sind (vgl. Kamp 1994, S.33).

     

    Das folgende Fallbeispiel, in dem die Rechte der betrieblichen Interessenvertretung berücksichtigt wurden, steht für eine erfolgreiche Zusammenarbeit der betrieblichen Interes-senvertretung und der Unternehmensleitung. Die Umstellung der Arbeitsorganisation bei der Hoesch AG war nach Becker 1983 ganz im Sinne des Betriebsrates und der IGMetall in Dortmund.

    7 Positives Fallbeispiel für Gruppenarbeit

    Im Projekt "Entwicklung von neuen Arbeitsstrukturen und deren Einführung in einem Kaltwalzwerk" im Kaltwalzwerk bei der Hoesch AG (Becker 1983) in Dortmund arbeiteten aggregatbezogene Gruppen aus jeweils allen drei Schichten vergleichsweise hierarchiefrei und teilautonom, d.h. mit im Detail selbst gesetzten Aufgabenstellungen, zusammen. Ziel der Einführung von Arbeitsgruppen war es, ergonomische Belastungen und tayloristischer Arbeitszerstückelung abzubauen sowie den Arbeitsablauf und die Arbeitsergebnisse an den einzelnen Anlagen zu verbessern.

    Parallel zu den Arbeitsgruppen wurden "Beteiligungsgruppen" in den Bereichen und an den Anlagen gebildet, in denen Gruppenarbeit eingeführt ist. Die Beteiligungsgruppe hat Probleme, die sie selbst, eines ihrer Mitglieder, der Betriebsrat oder die Betriebsleitung eingebracht haben, zu lösen oder bei ihrer Lösung mitzuwirken. Sie tritt regelmäßig nach einem festen Zeitplan oder anlaßbedingt zusammen. Die Gruppensitzungen finden 14-täglich über eine Zeitdauer von zwei Stunden statt. Die Beteiligungsgruppen wählen ihre Sprecher selbst. Diese sind im Prinzip identisch mit den vorhandenen Vertrauensleuten. Damit werden die vorhanden Mitbestimmungsstrukturen nicht ausgehebelt, sondern nach unten verlängert und mit Leben erfüllt.

    Die Aufgaben der Beteiligungsgruppen bestanden unter anderem in

     

    Die Beteiligungsgruppe hatte ein Entscheidungsrecht in den Fällen und soweit dies bei Aufgabenstellung durch die Betriebsleitung -bei mitbestimmungspflichtigen Tatbeständen in Abstimmung mit dem Betriebsrat- festgelegt worden ist. Bei Ablehnung der Vorschläge der Beteiligungsgruppe durch die Betriebsleitung waren die Gründe hierfür in einer Gruppensitzung oder schriftlich ausführlich darzulegen.

    Die Beteiligten machten dabei die Erfahrung, daß die damit erreichten Verbesserungen sich auch positiv bezüglich der Entlohnung bemerkbar machen.

    Das ursprüngliche Ziel der Unternehmensleitung, 15 % weniger Belegschaft, wurde nicht verwirklicht. Statt dessen wurden geringere Personalreduzierungen durch innerbetriebliche Versetzungen geregelt. Von anderen Werken wurden Aufträge nach Dortmund verlagert. Der Ausstoß des Kaltwalzwerks, das Fein- und Verpackungsbleche herstellt, konnte erheblich gesteigert werden mit der Anschaffung einer neuen Durchlaufglühe. Diese Zukunft hatte die Unternehmensleitung bei der Umstrukturierung bedacht: Für eine enorme Kapazitätsausweitung waren dann keine zusätzlichen Arbeitskräfte mehr nötig.

    An die Beschäftigten erging umfassende Vorabinformationen vor der Umstellung. Das Versprechen der Unternehmensleitung auf erhebliche Lohnverbesserung, Abbau von Lärm und anderen Belastungen stand der Angst gegenüber, "auf die alten Tage" nochmals sehr viel dazu lernen zu müssen. Die Arbeit wurde so organisiert, daß den Arbeitsgruppen eine erhebliche Verantwortung übertragen wurde, wobei Qualität oberstes Gebot für jeden Beschäftigten war. Zusätzlich zu der bei Hoesch üblichen "MAU" (methodische Arbeitsplatzunterweisung) gab es drei Wochen lang Schulungen außerhalb des Betriebs. In diesen Schulungen wurden genauere Informationen über Produkte und Anlagen- und Verfahrenstechnik im stark automatisierten, größtenteils rechnergestützten Kaltwalzwerk, dazu besondere Kenntnisse über den Produktionsablauf vermittelt. Grundkenntnis für die neuen Lernziele war, daß für qualifizierte Gruppenarbeit "Knöpfchenkunde" an den automatisierten Anlagen nicht ausreicht.

    Innerhalb einer Gruppe wurden regelmäßig die Arbeitsplätze getauscht. Früher arbeiteten sechs Leute pro Schicht, jetzt vier. Nach dem Urteil der Arbeiter ist die Arbeit dank einiger Änderungen an den Steuergeräten angenehmer geworden und vor allem durch das Ro-tationsverfahren interessanter, aber durchaus nicht weniger belastend. Es besteht ihrer Meinung nach "mehr Streß" (Becker 1983, S.209).

    Das Beteiligungsmodell der Hoesch AG schränkte somit weder die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ein noch die betrieblich geregelte Verteilung von Aufgaben und Befugnissen. Das Beteiligungsmodell gestaltete die Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer nach § 81 und 82 BetrVG aus.

    8 Fazit

     

    Die Gewerkschaften sind der Gruppenarbeit gegenüber positiv eingestellt, sofern durch sie gewerkschaftliche Forderungen nach einer menschengerechten Gestaltung der Arbeitsbedingungen und der Mitbestimmung der Arbeitnehmer erfüllt werden. Es besteht jedoch von Seiten der Gewerkschaften die begründete Sorge, daß Modelle der Arbeitsorganisation entstehen, um weitergehende gewerkschaftliche Forderungen zur menschengerechten Arbeitsgestaltung abzuwehren und die kollektive Interessenvertretung einzuschränken durch angebliche Gruppenautonomie (Vgl. Trautwein 1980, S.144). Mit Gruppenarbeit streben die Gewerkschaften die Minderung der Zwänge von Fließbandarbeit und Ausweitung der Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten des Einzelnen an, wobei gleichzeitig die Einflußmöglichkeiten der Arbeitnehmer und die Mitbestimmungsrechte der Betriebs- und Personalräte gefördert werden sollen. In allen Fragen der Arbeitsorganisation muß die Mitbestimmung der Betriebsräte und Personalräte gesichert sein.

     

    Bibliographie

     

    Becker, C. (1983) Hoesch Kaltwalzwerk: Arbeitsgruppen proben Mitbestimmung. In: Die Mitbestimmung, 29/5, 208-210.

    Dombre, R. (1984) Produktivität und Innovation durch Formen der Mitarbeiteraktivierung: Die Position der Gewerkschaften. In: Dt. Ges. für Personalführung e.V., Dokumentation zum 3. Deutschen Quality Circle Kongreß. Hamburg: Windmühle. 268-278.

    Kohl, H. / Schütt, B. (1983) Die Produktqualität wird verbessert, aber die schlechten Arbeitsbedingungen bleiben. Erfahrungen mit Werkstattzirkeln bei SWF. In: Die Mitbestimmung, 9/5, 206-207.

    Kamp, L. / Kuhn-Friedrich, A. (1995) In Gruppen. In: Die Mitbestimmung, 4+5/95, 23.

    Kamp, L. (1994) Konfliktpartnerschaft für die Gestaltung von Gruppenarbeit. In: Die Mitbestimmung, 11/94, 32-34.

    Niebur, R. (1983) QZ in den Unternehmen. In: Die Mitbestimmung, 5/83, 200-203.

    Rüth, W. (1983) Mitdenken, mitreden, mitbestimmen - zu wessen Nutzen ? "Qualitätszirkel": Wird der Betriebsrat abgedrängt ? In: Arbeitnehmer, Zeitschrift der Arbeitskammer des Saarlandes, 31/11, 372-374.

    Trautwein-Kalms, G. / Gerlach, G. (1980) Gewerkschaften und Humanisierung der Arbeit / Zur Bewertung des HdA-Projekts. Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut des Deutschen Gewerkschaftsbundes (WSI), erschienen in der Schriftenreihe "Humanisierung des Arbeitslebens" als Band 5. Frankfurt / New York: Campus Verlag.